I, Erzählende Schriften 34, Spiel im Morgengrauen. Novelle, Seite 7

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im Mordendrauen
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„Spiel im Morgengrauen.“
Schnitzlers neue Novelle.
Arthur Schnitzler: Spiel i
Morgen¬
rauen. Novelle.
Verlag, Berlin. 159
Seiten, gebestet 3.50 Mar
Arthur Schnitzler hat schon einmnal, vor etwas mehr als
einem Vierteljahrhundert, eine Noyelle aus dem k. u. k. Leut¬
nantsmilieu geschrieben: jene aus mehreren Gründen beruhmt
gewordene Geschichte vom „Leutnant Gustl“, die in einem
glänzend geformten, nur an zwei Stellen von fremden
Stimmen entscheidend unterbrochenen Monolog die arme, un¬
ordentliche Seele eines jungen Knaben aus dem braven Durch¬
schnitt enthüllt, der, von einer Narretei des Schicksals plötzlich
an den Rand des Todes geführt, durch eine neue, für einen
andern freilich tragische Narretei zum Leben, zu munterem
Fortplätschern im gewohnten, opportunen Fahrwasser sich be¬
gnadigt fühlt. Er ist ein lieber Kerl, aber im tiefsten Grunde
nicht ganz sauber, der Gustl, und er besteht eigentlich die Probe
nicht: es hat ihn in aller Stille einer beleidigt, und er hat sich
nicht zur Wehr setzen können, hat den Bäckermeister, der ihm
an den Säbel gegriffen und ihn einen dummen Bub geheißen
hat, nicht zusammengehauen, — er müßte sich nach der Forderung
des regierenden Codex erschießen, und wie es sich gehört, nimmt
er eine Nacht lang in melancholischer Verdüsterung der Gedanken
Abschied vom fragwürdigen Dasein; doch am Morgen, bei der
Abschiedsschale Melange mit Haut im Kaffeehaus, erfährt er
just noch rechtzeitig, daß den Bäckermeister der Schlag gerührt
hat, und beschließt frohlockend, es sei nichts gewesen, er dürfe
fröhlich dableiben im Leben, in der Wienerstadt im feschen
Kreis der Kameraden und bei der molligen Steffi, die nichts
kostet, weil ein anderer der „Offizielle“ ist.
Es ist bemerkenswert, daß diese Geschichte, in der der ganze
ein wenig frivole, ein wenig „schlampete“ aber immer bezau¬
bernde Charme des Wiener Wesens lebendig ist, dem k. u. k.
Oberarzt Schnitzler damals den Offizierskragen gekostet hat. Es
ist nicht weniger bemerkenswert, daß der Dichter nach gerade
fünfundzwanzig Jahren noch einmal auf den „Gustl“ und zwar
zunächst auf seine besondere Form, die monologische Psycho¬
graphie, zurückgriff um in dem nun tragisch gewandten weib¬
lichen Gegenstück „Fräulein Else“ aus der reiferen Lebens= und
Seelenperspektive des Sechzigers, eine Meisterleistung zu voll¬
bringen. Und es ist endlich bemerkenswert und sicher nicht nur
so von ungefähr geschehen. daß auf jenes „Fräulein Else“ jetzt
nach kurzer Frist dieses „Spiel im Morgengrauen“ ge¬
folgt ist. in dem der Dichter auch ins „Gustl“=Milien und zum
„Gustl“=Thema zurückkehrt.
Der Leutnant Willi Kasda ist vielleicht von etwas feinerem
Korn als der muntere Gustl, ein guter Junge von landläufiger
Bravheit, der sich herkömmlich=anstöndig durchgeschlagen hat, so
lange sein Dasein von schwereren Proben unbelastet geblieben
ist. Aber unversehens gerät er, zuerst nur aus gutmütiger Teil¬
M
nahme für die in Kameraden, in
ein hobe und unterliegt, weil
eigener Brang ockung den Kopf
verwirrt die guselber zu nützen,
weil er, gis dasje Sonnen ist, fort¬
spielt, in einer pi nach den vielen
guten Dingen deite vor der Nase
herumgankeln. gegen den armen
Toren: zörernda bergen, scheitern
an scheinbaren in deren Ver¬
mummung der jen die Rebellion
eines Schwächlitfort, bis alles und
er selber verloretung möglich, und
sie ist sogar schit mitten in dem
zappelnden Umhtand jäh die Er¬
ingerung an einbaetane Herzens¬
schlamperei eine tastische Weise sich
erhöbe und ihnm Grunde seiner
Seele, so sehr erer eine verborgene
und doch unentrüren, die sich über
das trübselige Pverstrickt war, an
sein tiefstes Wes bezahlt werden,
nicht nur die sofern auch verjährte¬
Menschlichkeiten, bezahlt mit einem
Revolverschuß, bezahlt hat, ahnt
keiner von dener
Arthur Sch in dieser schönen,
sicher und schlichtn Prozeß noch ein¬
mat aufgenommteu, anders, härter
entschieden.
I. F.,