I, Erzählende Schriften 34, Spiel im Morgengrauen. Novelle, Seite 20

34
im Morgendrauen
D 1
W
Dr. Max Goldschmidt
0
Buro für Zeitungsausschnitte
Teleion: Norden 3051
BERLIN N4
Ausschnitt aus:
8 Uhr Abendblatt, Berlin
27. Mai 199·
Alaudssddkt
Arthur Schnißlor.—„Spiel im Morgengrauen.“
S. Fischer=Verlag, Berlin.
Schnitzler nimmt ein altes Thema, das ihn schon manchmal
reizte, wieder auf: ein Menschenkind, junger Offizier, gerät in diese
Maschinerie des Unglücks. Um einem Freund Geld zu verschaffen,
spielt er. Verspielt sich und sein Leben. Versucht sich zu retten.
Bettelt bei Unbarmherzigen, verkauft sich an Nichtverstehende. Dann
kommt aber doch die Stille des Entschlusses, die kleine schwarze
Kugel und der dünne Faden Blut aus dem Loch in der Stirn.
Zwiespältiges bewegt den Leser. Diese Welt ist so fern. Diese
Ehrbegriffe wirken nur noch mitleiderregend. Diese Angst eines
jungen Leutnants, seinen unproduktiven Beruf zu verlieren, bleibt
unverständlich. Und das war alles einmal brennende Frage, wurde
auf Bühnen diskutiert, in Romanen breitgesprochen. Uniform und
Spielerkoder sind untragisch, wenn sie auch noch Tragödien ver¬
ursachen. Unsere Sache?!
Niemals, wenn nicht eines wäre: die große Spielszene. Wie da
der Leutnant Kasda gewinnt, den grünen Tisch seines Schicksals
verläßt, durch Zufälle wieder zurückgetrieben wird, sich allmählich
von den übrigen Spielern ablöst, als Partner des von einer trüben
Tämonie bläßlich umwitterten Konsuls immer deutlicher ins Blick¬
feld der Zuschauer wächst und, einmal stürzend, sich geradezu mit
wilden Absätzen in den Abgrund hineinwirft, das ist eine der
klassischsten Szenen, die dieser Dichter geschrieben hat. Es ist immer¬
hin eine große Kunst, für eine solche belanglose Figur wie diesen
Kasda im kühlsten Herzen Sympathie zu wecken. Am Schluß bleibt
etwas wie Trauer zwischen den Wimpern hängen. Schnitzler über¬
windet sein Thema. Das ist letzte Reise. Es ist zugleich Milde,
Auch diese ist nicht unsere Sache. Aber wir ehren sie.
Manfred Georg. „
#
box 6/1
geote SaderShadan
E E

eaSu1res esurzenet Trroses-auszensurradae
BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
Zeitung, Porlin.
Natio¬
Ausschnitt aus der Nummer vom: Mnl 1227#
Las neue Huch
„Arthur Schnihler: „Spiel im Morgeneranen.“
S. Fischer=Verlag, Berlin.
Schnitzler nimmt ein altes Thema, das ihn schon manchmal
reizte, wieder auf: ein Menschenkind, junger Offizier, gerät in diese
Maschinerie des Unglücks. Um einem Freund Geld zu verschaffen,
spielt er. Verspielt sich und sein Leben. Versucht sich zu retten.
Bettelt bei Unbarmherzigen, verkauft sich an Nichtverstehende. Dann
kommt über doch die Stille des Catschlußes, die kleine schwarze
Kugel und der dünne Faden Blut aus dem Loch in der Stirn.
Zwiespältiges bewegt den Leser. Diese Welt ist so fern. Diese
Ehrbegriffe wirken nur noch mitleiderregend. Diese Angst eines
jungen Leutnants, seinen unproduktiven Beruf zu verlieren, bleibt
#nverständlich. Und das war alles eimgal brennende Frage, wurde
auf Bühnen diskutiert, in Romanen breitgesprochen. Uniform und
Spielerkoder sind untragisch, wenn sit auch noch Tragödien ver¬
ursachen. Unsere Sache?!
Niemals, wenn nicht eines ware: die große Spielszene. Wie da
der Leutnant Kasda gewinnt, den geünen Tisch seines Schicksals
verläßt, durch Zufälle wieder zurückgetrieben wird, sich allmählich
von den übrigen Spielern ablöst, als Partner des von einer trüben
Tämonie bläßlich umwitterten Konsuls immer eutlicher ins Blick¬
seid der Zuschauer wächst und, einmal stürzend, sich geradezu mit
wilden Absätzen in den Abgrund hineinwirft, das ist eine der
klassischsten Szenen, die dieser Dichter geschrieben hat. Es ist immer¬
hin eine große Kunst, für eine solche belanglose Figur wie diesen
Kasda im kühlsten Herzen Sympathie zu ecken. Am Schluß bleibt
etwas wie Trauer zwischen den Wimpern hängen. Schnitzler über¬
windet sein Thema. Das ist letzte Reife. Es ist zugleich Milde.
Auch diese ist nicht unsere Sache. Aber wir ehren sie.
Manfred Georg.