I, Erzählende Schriften 32, Die Frau des Richters. Novelle, Seite 3

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stand damals ein Schloß, Karolslust genannt, das innerhalb des damaligen
weilgedehnter Waldungen gelegen war und in dem die herzoglicher sich vollzog. n
Gunst sich erfreuenden Mädchen ein behagliches Quartier gefunden August des J#
hatten, die der Volksmund einfach die Gartenmägdelein nannte Ischl, ein und
In Karolsmarkt waltete ferner der Richter Adalbert Wogelein lichem Aeußer
von der Gene
seines Amtes, der ein schönes, blondes Ehegemahl mit Namen
Agnes besaß. Die dritte prominente Figur im Spiel aber ist deren Spitze :
Tobias Klenk. ein Vagabund und Galgenbruder, ein Verschwörer vertraulich zu
falls es lo etwas in jenen Läuften überhaupt
und Anarchist -
einen Herrn.
Ischl einzunef
schon gegeben hat. Den Richter verband nun mit dem Klenk eine
Freundschaft von Jugend her; als Jungen waren sie Kaneraden stellen, aber
gewesen, hatten sich inzwischen aus den Augen verloren ohne daß höfe im In
sich jedoch des Richters Anhänglichkeit an den Jugendfreund ge= Distinktion be
diesen Tagen
mindert hätte.
Der eine hat es zu Amt und Würden gebracht, der anderei In rascher Fr
ist so tief gesunken, als ihm üb rhaupt möglich war Trotzdem in Ischl ersch
wahrt der Richter dem schlimmen Landstreicher das Gesühl und der Minister
scheut sich nicht, mit ihm am gleichen Wirtshaustisch zu sitzen Deutschen Rei
Dort führen beide lose Reden, deren sich der Richter sogar, da er sitzende des ö
angeheitert zu seiner Ehefrau heimkommt, rühmt. Adalbeit ungariiche Mi
Wogelein ist ein kleiner, feiger, streberischer Mensch. Er fürchtet minister Herr
Tobias Klenk mehr als er ihn liebt, und da dieser eines Tages ministern und
beim Wildern betreten wird, sich hiebei Handgreiflichketten wider Zeitpunkt den
dem Oberjägermeister zuschulden kommen läßt und deshalb vor kanzleien.
Gericht sich zu verantworten hot. sieht Wogelein sich in die pein= Direktor des
liche Lage versetzt, über einen Verbrecher urteilen zu müssen, der auf und ließ
zugleich sein Stammtischgenosse und Drinkkumpan ist. (Keineswegs vieren, dessen
im geheimen, sondern vor aller Welt) Die Frau des Die Meldur
Richters beschwört ihren Mann, diesmal Freundschaft und Rücksicht bahnen nat
beiseite zu lassen und wirklich Recht zu sprechen. Adalbert fremde Herr
Wogelein aber plustert sich auf und versucht es wieder einmal. empfangen
vor seinem Weib den unerschrockenen Helden zu spielen. Er läßt geleitet Mitt
dem Amtssitz
durchblicken, daß er den Klenk fretlassen, zum mindesten mit aller
Wilde traktieren werde. Je mehr Agnes ihn von seinem eigen¬
gespielt, und
Wollenden u
sinnigen Vorhaben abzubringen sucht, desto heftiger widerspricht er.
„Es ist alles bedacht. Agnes“, schließt er. „Und wenn ich eines als es Graf
bedauere, so ist es, daß der Prozeß in unserem kleinen Städtchen Distinktion“
und nicht in der Residenz oder besser noch vor dem Reichsgericht nach Ischl b.
abjutant des
in Wetzlar verhandelt wird. Aber es könnte wohl sein, daß mein
trachte kurz
Wort auch von hier aus ins Weite dränge und sich an meinem
Spruch eine Fackel entzündete, die über ganz Deutschland Einladung zu
Das 9
leuchiete.“
Und so geht er hin und — schickt seinen Freund Tobias des Fürsten
Klenk für ein Jahr ins Gesängnis. Trotzdem er es wirklich nicht Anbegtnn n
tun und sich alle Mühe geben wollte, den Angeklagten in die Graf Kielma
Freiheit hinüber zu retien. Er hatte allerdings nicht damit ge-sondern nur
rechnet, daß der junge Herzog selber der Verhandlung beisitzen rates. Kiel
würde Zur höchsten Verwunderung aller begab es sich nämlich, worden, und
daß der Herzog der Rechtsprechung beizuwohnen wünschie Man Windisch-Gre
hätte es ferner nicht für möglich gehalten, daß der Beschuldigte ministeriums
sich durch die Anwesenheit des Landesherrn so wenig einschüchtern Spitze des 9
lassen würde. Als wäre er durch den Anblick des Herzogs erstrichten nur
recht gereizt, gefiel sich Tobtas Klenk in spötrischen wie auf= Graf Kielmo
rührerischen Reden, die das Blut in den Adern des Richters er= in Schönbru
starren lassen, da dieser überdies befürchten muß, von Kienk als zur Bildung
gleichgesinnter Zeuge für die immer wieder geäußerten revolutionären da sich Wini
Ansichten aufgerufen zu werden So zittert Adaldert Wogelein vor trauens wät
Baden
Klenk, nicht minder vor dem Herzog, zittert er um sein Amt —
und kann endlich doch nicht umhin, den Klenk zu einem Jahr Bildung ein
nach Wien
Gefängnis zu verdonnern.
Worauf die sonderbaren Begebenheiten erst recht ihre Fort= Generaldirek
setzung nehmen. Der Herzog erscheint im Hause des Richters, v. Bilinski,
wo er seiner Unzufriedenheit darüber Ausdruck gibt, daß Wogelein Auf Biliusk
mit dem Klenk so hart umgegangen sei. Er keilt dem Ver= ministerium
wunderten mit, daß er, der Herzog, dem Verurteilten die Strafe worden war
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nachgesehen und ihm die Freihelt wiedergegeben habe. Auch Todias Wege zu
Klenk erscheint. Der Herzog, der eine unverständliche Neigung zu der das Eise
ihm gefaßt hat, will ihn zum Jagdgehilfen machen, sieht sich erster Sektio
jedoch von Tobias Klenk gewarnt und zugleich bedroht, veranlaßt. Leitung der
den gefährlichen Burschen nicht bloß aus seiner Nähe zu ent= wie dies 1
fernen, sondern ihn über die Landesgrenze schaffen zu lassen. später zum
Polster u.
In allen Prei
Bentleden!
Dr. Max Goldschmielt
Büro für Zeitungsausschnitte
BBRLIN N 4
Telefon Norden 3051
Ausschnitt aus:
Berliner Tageblatt
30. Kov. 1925
Arthur Schnitzlers neue Novelle „Die Fraudes Rich¬
#ters“, 3ls Krinds Pröpyfäen-Buch im Propgläen-Verlag in Berlin er¬
schienen, spielt in einer kleinen deutschen Residenz des 18. Jahr¬
hunderts. Ein Spiel zu viert: Der Richter, seine Frau, sein kühner
revolutionärer Jugendfreund und der junge Fürst des Landes. In
seinem Hirschpark verschwindet die Frau, ausser Landes der Freund.
in allen Regentenlastern versinkt der ursprüngliche Fien des Herzogs,“
und zur der Richtel bleibt, was er war — ein feiger T’hilisler. Schnitzler,
de auf allen Brettern gerechte Dramatiker, gibt auch dieser Novelle
dramatische Bewegung und Knotung. Seiner Sprache hat er hier eine
neue Form gefunden, voll scheinbar kühler Gepflegtheit, ei##as ebronik¬
haft, aber nicht breit ausmalend, sondern im Gegenteil zusammenfassend
und fest, aber nicht derb zupackend.
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Neuee Wiener Tagblatt
wünscht, sie möchten in dieser Zeit, in der allenthalben Wurzeln Vi
verdorren oder abgeschnitten werden, sich in viele Herzen ein= ein
senken. Dieser Schein aus der Unendlichkeit liegt über allen „C
Sätzen, ob sie von geistlichen Dingen handeln, von der Volkheit, Ge
dem Staat, der Sitte oder der Geschichte. Wem es um das rei
Wesen geht, der kann nichts Höheres geben oder empfangen be
als diese schmalen, unscheinbaren, von Goldbarren schöpferischen be
Seins, Tuns, Lehrens lasthaft schweren Hefte.
Ernst Lissaner. W
„leil
* Artur Schnitzler: „Die Frau des Richtars.“ il
(Propyläen=Verlag, Berlin.) — „Haus der Gartenmägdlein, so I
nämlich wurde im Volke das Jagdschloß Karolslust genannt, A
1
das drei Wagenstunden von der Residenz und kaum eine halbe
vom Landstädtchen Karolsmarkt entfernt, innerhalb weitaus¬ i
gedehnter Waldungen gelegen war und in dem die der herzog=le
lichen Gunst sich erfreuenden Mädchen oder Frauen — stetssa
zehn bis fünfzehn an der Zahl — ein zwar sorgenfreies, aberik
im übrigen höchst eingeschränktes Leben führten.“ Dieses Haus (
der Gartenmägdlein ist die Voraussetzung der Schnitzlerschen
Rokokonovelle. In jenes will die Frau des Richters und gelangt
sie, nachdem sie und weil sie die bürgerliche Erbärmlichkeit ihres
Gatten erkannt hat im Zusammenprall mit der Welt, repräsen¬
tiert durch den aufklärerisch vernünftigen und maßvollen
d
Fürsten und durch das aller Schranken spottende Temperament
eines Außenseiters der Gesellschaft. Den Bogen dieser Geschichte
8
d
zieht Schnitzler mit sicherer Hand. Nicht ganz so gelingt die
Umkehr der Frau aus Gefesseltsein ins Entfesseltsein. Wahr¬
scheinlich deshalb, weil Schnitzler im Verlauf der Erzählung sse
S
die Figur des Richters, des braven schlechten Bürgers, mehr
interessiert hat. Sehr schön der Ausklang der Geschichte nach
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Jahren. Da ist die Frau, die einmal ihr Ich von der Welt
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wollte, Gartenmägblein wie irgendein andres geworden, der
Fürst, dem seine Jugend und der Geist der Zeit Witterung ge
höheren Seins gaben, unterscheidet sich in seiner Gewöhnlichkeit sal
in nichts mehr von seinen Ahnen, der Richter vegetiert trotz dem in
empörerischen Erlebnis — es erreichte ihn nicht — im Kreisesst
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der Seinen, die gar nicht die Seinen sind, ein nützliches Glied
n
der Gesellschaft. Und nur ihr Außenseiter blieb, der er war, und
e. m. f.
endete am Galgen.
Rudolf Haas: „Leuchtende Gipfel.“ Ein Hoch=i
Mtsdurchschnitt von 1924 zeige#### vermehie berühmten##
# Millionen Lire, auch bei Berücksichtigung
halbfache. Es wurden nämlich
ud für 1193·1 Mil¬