I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 25

02 —
31. Fraeulein Else
MDEERE

Dr. Nen Goldschmiet
Saco für Zeitungsausschnitte
BBRLIN N4
Teisfan: Norden
305:
Ausschnilt aus:
Masdeburgische Haltung
15. März 192:
Neue Bücher
Arthur Schnitzlers „Fräulein Else“. Verlag Parl
Folnay. Berlin.
Zettraum des Vorg#### prei bis vier Stunden eines
Nachmittags und Abends. Der Dramatiker verleugnet sich
also nicht. „Fräulein Else“ tst ein junges Mädchen der wahl¬
habenden Gesellschaft. Wentasiens scheint es so. Hinter ihrem
Eliernhause aber droht das graue Elend. Der Vater, ein
Rechtsanwast in Wien, lebt flort und elegant darauf los,
braucht Weiber und Geld, und scheut sich auch gelegentlich
nicht, dies Geld außerhalb seines eigenen Besitzstandes zu
###pieren“. Euse befindet sich aber in einem Hotel des
Engedin als Begleiterin der reichen Tante. Und trippelt als
dübsche Ncunzaynjährige durch die Welt. Das alles erfährt
man als Ergebnis von Gedan'enrethen, die durch das Köpschen
der jungen Dame „tehen und die man gewissermaßen in tage¬
Die ganze
beschartigen Reflerionen den Buche entnimmt.
Welt ist hier nur „Fräulein Else“. Alle Handlung ist aus
ihrem Winkel geschaut, dreht sich um sie. Dabei entsteht ein
Stück fabelhafter Psochoanasyse, wie es nur ein Dichter
schreiben kann, der zugleich Arzt ist und der seinen „Freud“
geiesen hat. Die Welt ist verhältnismäßig harmlos im
Ködschen Elsens, als sie vom nachmittäglichen Tennisspiel
zurückkehrt. Nur kleine Eisersüchteleien bewegen sie. Aber
dann konnnt das treibende Ereignis. Der Portied überreicht
einen Brief. Unnd darin steht, daß der Vater wieder einmal
„Vtel Geld oder so¬
in schwerster Verstrickung sich befindet.
fortige Verhaftumg". Da ist nun ein wohlhabender Herr in
demselben Hotel aus dem Bekanntenkreis des Advokaten. Hat
schon früher einmal ausgeholfen. Mit dem soll Elfe reden.
Ob der Vorschlag naiy oder mit Hintergedanken gemacht ist.
bleibt oifen. Jedenfalls entstehen die wildesten Kontlilte im
Gemüt des armen Dinges. Immer wieder wälzen sich die
gleichen Gedankenwolken vorüber, steis um ein weniges anders,
schaitiert. Und dennoch in vieser ewigen Wiederholung nicht
ermüdend. Es kommt zur „Aussprache“ Der liebe ältere
Herr fordent einen gewissen Preis, nicht etwa den
letzten und höchsten. Das junge Ding zerbricht fost
#ter der ihr auferlegten Untragbarkeit, Zäumt sich auf, sieht
überall ein Unmöglich, möchte dennoch aus landläufigen
Zwangsvorsteltungen heraus eine Art „Erfüllung“ geben.
Und zerschellt im dieem Widerstreit. Der Rest ist Handlung
in Halbumnachtung und der Tod; Veronal. Um das Haupt¬
geschehen alle die kleinen und größeren Seelenzuckungen, die
durch jeden Menschen zittern, wenn er inmitten großer
So in fubtiler Kleinmaler und
Erregungen steift.
großer dranzatischer Geste eingepreßt in enige Stunden der
Ablauf einer Wielt und eines Lebens Rein technisch: Eine
Meisternovelle.
S. Leskow. Der verzauberte Pilger. Aus dem Russi¬
schen übertragen von A. D. Braun. Verlag von Quelle &
MReyer in Leipzig. Zum ersten Male erscheint hier
beutscher Sprache eine der gelungensten Erzählungen
kows, dem erst jetzt 30 Jahre nach seinem Tode eine gerecht
Würdigung zuteil wird, troydem er zu den besten Vertrete
der russischen Literatur des 19. Jahrhunderts gehört. Di
Erzählung führt in das letzte Jahrzehnt vor Aufhebung?
Leibeigenschaft, in jene Zeit, in der die russische Vallssee
und der russische Vollscharatter noch ganz unverfälscht zu
Ausdruck komntt: jene kindliche Freude an der gtellen Bun
heit des Lebens und zugleich eine dumpfe Resignation v#
dem Schicksal, die das eigene Ich im Rausch zu vergesse
ucht. Dieser Zujammenklang primitiver Derbheit mit ein¬
fremden Weichheit gibt vem
dem abendländischen Menschen
Ganzen den gleichen Gefühlston, wie er uns in der trpisc
entgegenklingt. Eene Füb
russischen Musik und Malerei
packender Szenen gibt hier ein farbenfrohes Bild russischei
Die Uebersetzungsschwierigkeiter
und tatarischen Lebens.
sind gut gelöst.
Grimmelshausens „Simplielssimus“ Nur wenige
Werke aus der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts sin!
bis auf unsere Zeit wirklich lebendig geblieben. Zu ihnen
gehört der „abenteuerliche Simplicissimus“ von Grimmels
hausen, einen der unsterblichen Werke deutschen Schrifmume
überhaupt. Gerade in unseren Tagen erhält dieset unver
gängliche Kultur= und Zeitreman wieder neue Vergleichs
werte. Diese abenteuerliche Lebensbeschreibung dieses ves#¬
schen Bauernbuben, der sich aus wilden Jugendtagen zu be¬
chaulicher Alterswissenheit hindurch rettet, bedeutet für ans
beute ein Buch des Trostes und der Zuversicht, der Hoffnung
auf die Morgenröte einer neuen Zeit. Man muß es paher
dem Verlage Hesse u. Becker in Leipzig banken, daß
er gerade setzt eine neue Ausgabe dieses unveränglichen
Romans innerhalb seiner Sammlung „Romane der Welt
literatur“ vorlegt. Diese buchtechnisch gut ausgestattete Neu
ausgabe bietet den unverfürzten Text des Romans in einer
für den heutigen Leser erleichterten sprächlichen Form des
Originaliertes. Ste dürfte allein schon aus diesem Grunde
Dr. H. K.
einen größeren Leserkreis finden.
* Prok. Hans Naumann, Die deutsche Dichtung
Stuttgart, J. B. Men¬
der Gegenwart 1885—1923.
Der bekaunte
lersche Verlagsbuchhandlung.
Frankfurter Germanist unternimmt es, im Rahmen der von
Prof. Dr. Julius Zeitler herausgegebenen „Epochen der
deutschen Literatur“, den großen Wandlungsprozeß vom
darzustellen.
Expressionismus
Rationalismus bis zum
Literaturgeschichte ist für ihn Geistesgeschichte. Damit ist
gleich vor vornherein eine scharfe Begrenzung des Stoffes
gegeben. Alles Ungeistige, alles Epigonenhafte hebt sich aus
dem Bereich der Darstellung und nur das dichterisch Wert¬
volle, das, was intuitiver Erkenntuls entsprungen und auf
die Gestaltung der Zeiten Einfluß gewann, wird in seinen
vielfachen Erscheinungsformen festgehalten und als Symbol
des Zeitgeistes gedeutet. In den dret Kapiteln, Schauspiel.
Roman und Lyrik, erhalten wir ein lebendiges Spiegelbild
des deutschen Geisteslebens dieser Zeit, das in den Namen
Gerhart Hauptmann, Thomas Mann, Stefan George und
Franz Wersel gipfelt. Eine hurchaus modern empfundene,
elegant dargestellte Literaturgeschichte. Der Verlag hat das
Werk sehr würdig ausgestattet.
Dr. Hermann Belemer. Steuer=Strafrecht.
Verlag
Stille, Berlin.
Wissenschaft und Praxis werden das vorliegende Wer¬
freudig begrüßen. Das Schrifttum auf dem Gebiet des
Steuerstrafrechts und des Steues prozeßrechts ist noch zu wenig
ausgedehnt, als daß nicht jedes Werk, das geeignet ist, diese
Lücke zu füllen, gern hingenommen würde. Belewer hat das
Steuerstrafrecht in einem geschickten Aufbau ziemlich er¬
schöpfend wiedergegeven. Frei von der Form des Kommen¬
tars ermöglicht er ein leichtes Zurechtfinden in der verzweigter
Materie Die-Teile über die allgemeinen Bestimmungen über
Steuerzuwiderhandlungen und über die besonderen Tat¬
bestände, wie über die verschiedenen Strafarten haben eine
Anlage gefunden, die das Werk zu einem wertvollen Hand
buch, namentlich für die Praxis, macht.
dtg.