I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 55

31. Fraeulein Else
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Nicht einzeln im Buchhandel.
Ueberpeicht vom Verfasser.
Abdruck aus der
Zeitschrift für ärztliche Fortbildung.
Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1925. Nummer 10.
Nachäruck verboten.
z. Arztliche Probleme in der modernen
Dichtkunst.
Von
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Dr. Erwin Loewy-Hattendorf in Berlin-Steglitz.
Es ist kein Zufall, daß fast alle Jahre das
Zentralkomitee für ärztliche Fortbildung eine Vor¬
tragsreihe über „Arztliche Grenzfragen“ veran¬
Deu Latadk. Magun
staltet und die Vorträge über diese Gebiete stets
gern gehört und ihre Wiedergabe in der Zeit¬
schrift nicht minder gern gelesen wird. Der Arzt
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ist im täglichen Betriebe so selten in der Lage,
sich der Zusammenhänge seiner Wissenschaft mit
Ap Glean
den Nachbargebieten bewußt zu werden, daß ein
Erinnern hieran von Zeit zu Zeit not tut, um ihm
seine Arbeit als Ausschnitt aus der civitas academica
vor Augen zu führen. Und so ist es sicherlich
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vielen von uns unbekannt, daß viele der Probleme,
die uns in den Fachzeitschriften ieglicher Art be¬
schäftigen, ärztlich-wissenschaftliche, naturwissen¬
schaftliche, ja sogar auch „Standesfragen“ von den
Geta-M. AXIr.
größten Dichtern und Denkern unserer Tage er¬
örtert werden und in poctischem Gewand in die
große Literatur eingehen. Wir wollen einen Aus¬
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schnitt aus diesen Werken an uns vorüberziehen
lassen und werden staunend sehen, daß es mit
die bedeutendsten Männer sind, die unserer Pro¬
bleme gedenken: Gerhart Hauptmann
Thomas Mann, Hermann Hesse, Bern¬
hard Shaw und nicht zuletzt der Unsern einer:
Artur Schnitzler.
Unserem größten Dichter der Vortritt: Gerhart
Hauptmanns neuestes Buch: „Die Insel der
großen Mutter oder das Wunder von Ile des Dames“
hat in der Kritik keine ganz einheitliche Aufnahme
gefunden. Wird auch die Pracht der Sprache
die der tropischen Uppigkeit der Südseeinsel ent¬
spricht, wo des Meisters Phantasie die schiff¬
allgemein ge¬
brüchigen Frauen landen läßt
rühmt, so begegnen die Geschehnisse in ihrer
Eigenart manchem Kopfschütteln. Ein einziger
Knabe, Phaon, wird mit den Frauen gerettet und
während er noch Knabe scheint und nicht zum
Jüngling geworden, vollzicht sich „das Wunder
von Ile des Dames“, die eine der Frauen wird
„vom unbekannten Gott“ befruchtet, sie wird
Mutter eines Kindes. Dieses Wunder wiederholt
sich: „Gegen Ende August wurde Bihari täl ge¬
tauft. Am 15. September wurde Deborah, die
schöne Jüdin, durch Fräulein Doktor Egli von
einem gesunden kleinen Mädchen entbunden. Im
Oktober geschah dasselbe Alma, der Negerin.
Von nun an griff die rätselhafte Schöpferkraft auf
Dr. med. Erwin ##
die meisten Damen der Kolonie über..“
Es ist nicht unsere Aufgabe, mit den Kritikern

zu rechten, die es dem Dichter verübeln, daß er
Berlin-Staglitz,
hier einen Knaben zum Stammvater einer recht
zahlreichen Generation macht. Gerade die eine
Tatsache aber, die auch von vielen Kritikern ab¬
gelehnt wird, ist hier uns besonders interessant.
Fast alle Frauen werden sicherlich trotz aller Ver¬