I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 90

31.
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Fraeulein Else

len
stoph mit dem Präsidenten Dr. Mittermann
umsprang, zeigte, wie die parlamentarischen Sitten
nte.
entartet sind. Auch das Pultdeckelkonzert,
das später einsetzte, war nicht ohne und berühmter
en
Kleine Chronik.
[Das Wetter.] Vorhersage: In der Niederung
land
heiter, stellenweise nebelig, in den, Nordalpen¬
tälern Föhn, in freien Lagen kräftige Süd¬
ber.
winde, mild. In den Südalpen trüb, später
Regen.
Lira
[Erinnerung an Ignaz Brüll.] Der Bürger¬
ösische
meister von Unterach am Attersee, Herr Josef Wipp¬
April
linger, schreibt uns: „Am 7. d. war der 80. Geburtstag
sogar
Ignaz Brülls. Bilder vergangener Tage leben in unseren
der die
Innern auf, ziehen an uns vorüber, als wäre es jüngst Er¬
Frank¬
lebtes! Lange ist es her, daß Ignaz Brüll, der Schöpfer vieler
emand
Meisterwerke edelster Tuuckunst, in unserem stillen Dörschen all¬
ährlich den Sommer verbrachte, hier Erholung suchte, neue Kraft
in. Die
schöpfte zu hohem Schaffen. 1888 kam Ignaz Brüll zum ersten¬
des
mal nach Unterach. Wie viel Gutes, wie viel Wohltaten, die er
ri
er
erwiesen, leben noch in dankbarem Erinnern weiter. Im Jahre
nappen
1907 reiste er für eine Woche nach Wien, kehrte aber nicht mehr
zösische
in seine Villa am Berghof zurück. Am 17. September, nach
s ge¬
zehntägiger Krankheit, entriß ihn der Tod seiner Familie. Nicht
250 in
nur von seiner Gattin und Kindern wird er tief betrauert,
sondern von allen, die ihn als Mensch und Künstler hoch
schätzten. Frau Marie Brüll, die Gattin des Künstlers, ver¬
auf¬
bringt den Sommer alljährlich in größter Zurückgezogenheit am
einem
Berghof, wo er so viel Schönes schuf, wo noch alles unverändert
eßlich
ist, als brauchte er nur wieder zu kommen. Dankbaren Herzens
fort.
weihen wir dem Künstler treues Gedenken!“
esent¬
[Vorlesung von Schnitzlers „Fräulein
etwa
Else durch Lisa Michalek.] Lisa Michaleß, die
junge Wienerin, eine eigenartig reizvolle Bühnenkünstlerin, las
im vollbesetzten Klubsaale der „Urania“ mit großer Wirkung Artur
ags.
Schnitzlers Meisternovelle „Fräulein Else“. Frau Michaleks

künstlerische Art und persönliche Erscheinung ist unserem theater¬
2.20
interessierten Publikum aus ihrer Tätigkeit an der Neuen Wiener
40),
Bühne in der angenehmsten Erinnerung geblieben; man hat
solm
schon oft bedauert, ein so scharmantes, so graziös=inniges Talent

em Wiener, an solchen Begabungen wahrlich nicht reichen
Theater, schon seit geraumer Zeit entfremdet zu sehen. Eine
¼),
gewisse Niaiserie in Verbindung mit seelischer Finesse, eine gewisse
est
Spitzbübigkeit, die — in Pariser Komödien — selbst Gewagtes
ien
mit mädchenhaft unbefangener Anmut sprach und spielte, das

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lungen, die der Präsident der
Nationalbank in der letzten Sitzung gemacht hatte. Präsident
Dr. Reisch war nicht erschienen und Finanzminister
Dr. Kienböck entschuldigte seine Abwesenheit mit einer
Familienangelegenheit.
gewisse Cachet, wie man in den Grsellschaftskreisen jener
Komödien sagt, umgab jede ihrer Gestalten. Nun sucht Lisa
Michalek, da sie mit ihrem Willen oder unter dem Zwung der
gegenwärtigen Berhältnisse, auch dem Theater, der Bühne,
wohl ihrem eigentlichen Element, fern bleihen muß, für uns
erfreulicherweise Ersatz im Vortragssaal. Diesem Umstand ist
ihre Schnitzler=Vorlesung zu danken, die, um es vorweg zu sagen,
der Sprecherin, fast hätten wir gesagt, der Darstellerin, vollen
Erfolg brachte. Schnitzlers Novelle, dieses im ganzen Umkreis
modernen Schrifttums fast beispiellose Kunst= und Meisterstück
psychologischer Analyse, dieses atembeklemmend spannende und
zugleich mit schärfsten Sonden in feelisches Geheimnisland
dringende Werk muß, um gleicherweise auch im Vortragssaale
zu wirken, mit überlegener Sprechtechnik, mit psychologischem
Verstehen und mit dramatischer Verve gelesen werden. Lisa
Michalek erfüllt diese dreifachen Voraussetzungen. Sie beherrscht
das Sprachtechnische, akzentuiert auf das einprägsamste, hebt
pfychologischen Momente zart hervor und weiß zugleich —
die
Schauspielerin — die Geschehnisse auf das dramatisch=lebendigste
aufzubauen. Die Personen der Gesellschaft, die Vorgänge, di
Landschaftliche sogar hob sich plastisch ab — ein erzähltes Drame
chien sich zu entwickeln. Das distingvierte, angeregte Publikum
olgte, lebhaft gespannt, der Vorlesung und bedachte Frau
Michalek zum Schluß mit lautem, herzlichem Beifall. P. W.
[Oesterreichische Politische Gesellschaft!
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ich: Berlin
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hatte seinen fünften Abend
Der Verband deutscher Erzähler

Eli
abeth Bergner
Artbux Schnitzler gewidmet.
las des Dichters Rövelle „Fräulein Else“. Es ist selbstverständ¬
lich, daß die Künstlerin dieses Mädchenschicksal, dieses Schicksal
einer hauchzarten, kränkelnden, mit dem Leben wie mit dem
Sterben spielenden Seele ergreifend und bildhaft nachzubilden
vermochte. Aber sie tat am Ende doch des Guten ein wenig
zu viel. Sie dehnte, dämpfte, umdunkelte ins Unabsehbare, und
ihre Stimme. die man oftmals eine negative Stimme nennen
möchte, verschwebte bisweilen ins Unvernehmbare und er¬
müdete durch Eintönigkeit. Sie blieb den Hörern auch den ver¬
söhnenden, tiefinnerlicher Humor, diesen Schnitzlerschen Humor
mit der melancholischen Umflorung schuldig. Trotzdem ward
Schnitzler selbst
sie mit rauschendem Beifall überschüttet.
las das Gegenstück zu „Fräulein Else“, sein anderes „Mona¬
drama“ „Leutnant Gustl“. Einfach, ungeküstelt, beinahe derb.
Ganz schmucklos. Und seine Wirkung war nicht minder stark.
Der Abend war eine bedeutsame Kundgebung für die deutsche
Zuneigung zum Oesterreichertum. Denn der große Saal des
Reichstags war überfüllt, während der Besuch der vorhergehen¬
den Abende allerlei zu wünschen übrig gelassen hatte. Das gibt
zu denken. Diese Abende sollen doch der Persönlichkeit und dem
... die
Werke der Dichter dienen. Das „Drum und Dran'
Vortragenden, die mehr oder minder erlauchten Gäste und dies
und das ... sollten Nebensache sein. Sie entwerten. Sie ver¬
schieben die Perspektive. Sie lenken ab von dem guten und
M. F.
hohen Ziel des Verbandes.