I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 130

Tie- augter, J. Nan, 1070

E
Bergner-Pren
Film=Kritik.
Fräulein Eise.
Steinruck-Ehr
Capitol.
Mitten beim tosenden Applaus, am
Ende des Films, teilt sich der Vorhang und
Ein Beobachtungsfilm der Bergner, sie
der Direktor des Capitol, Herr Gut¬
zu beäugen und optisch einzufangen, wird
man dem die wohlgelungene Festvor¬
die Kamera nah oder fern postiert, worden
stellung zu danken ist, erscheint, um einige
erstaunlich ausgearbeitete, wärmende, reich¬
Worte im Naman des Darsteller
notivierte Dekorationen aufgestellt; Hotel¬
zu sprechen. Albert Steinrück weile
hallen in St. Moritz, Festsäle, Dielen,
nlicht mehr unter ihnen und so hätten die
Korridore, in die sich das Barockgeglitzer der
mitwirkenden Künstler beschlossen, da ihr
Kronleuchter, der Schwung der Polster¬
Kamerad fehle, nicht vor den Vor¬
stühle als Garnitur um die Bergner ranken
hang zu erscheinen.
sollen. Alles um Bergner —,
Trotzdem macht Dr. Czinner Pro¬
Durch Gutman ließen sie dem Publi¬
duktionsleiter und verantwortlicher Autor
kum für Interesse und Beifall aufrichtig
und Regisseur auch diesmal, keinen „Star“=
danken.
Film im üblichen Sinn. Er drängt die
Diese Mitteilung, die ihre Urheber ehrt,
Bergner nicht zur Transformation, zur
hinterließ auf das Publikum merklichen
Rollen=Gestaltung eines „Fräukein Else“. —
Eindruck. Der Erfolg der Bergner=Pre¬
die von Arthur Schnitzler nur dürftigste
Motive benutzt —, er läßt die Bergner den
filmischen Teil ihres Sprechbühnen¬
Daseins zum Kamera=Protokoll geben.
Doch das rege Wunder Bergner über¬
spielt alle Fährnisse.
Warum geben die Autoren des Films
„Kosmos“ Kopleranstalt
dem Regisseur eine so unfilmische Unter¬
Fernspr.: Dönhoff 9061G0n4
lage? Oder soll diese Tatsachen=Photo¬
Spezial-Abieilung
graphie, die hier dennoch Theaterspiel¬
für Duplikat-Nogative
Photographie ist, ernstlich Fillm=Bild=Täch¬
I. Referenzen.
nik ersetzen? Auch ein Individualist mit so
zäher Theatereinstellung darf nicht daran
Die Bergner=Gemeinde findet daher ein
vorbeigehen, daß der Film längst eigene
siobzohnjähriges Mädel, bei dem von der
Kompositionsgesetze geklärt hat.
Locko bis zum Beinchen jodo Regung eken
Die meisten Mitwirkenden sind Theater¬
in eine Bergner=Riance zerfällt. Sehr an¬
pieler im Atelier. Große Mimen wie
mutvolle Rüaneen dabei: kobengernst, vo.
Albert Bassermann. Haftende Spezia¬
schelmischen Lichtern überflackert,
listen wie Steinrück.
Daneben viele
mimischen Sekunden sprühend —, und in
sprechende Episoden.
einer Großaufnahme ahnt man, wie die
Und die technische Seite? Der Qualität
Bergner Filmgestakterin sein könnte. Ihre
der Arbeit erteikte der Lampe=Ausschuß das
Tränenszene haftet, dart wo die Kamera Ihr
Prädikat: „künstlerisch wertvoll“. Czinner,
einmal am nächsten kommt.
als Oberleiter, verdient es.
Von den Landschaftsbildern war das
Publikum enthusiasmiert. Das neue Film¬
Natürlich ist „Fräukein Else eine Bergner¬
Material hat seine Probe durchaus be¬
Gestalt. Was hätte man von Schnitzler an¬
standen. Das verwandte Film=Material
nahmen sollen?
eichnet mit einer verblüfsenden Tiesen¬
Den Beleuchtungswechsel der psychischen
schärfe die Natur. St. Moritz weht mit
Landschaft, die seelischen Umschaltungen, die
einer Luft, atemnah, überaus natürlich,
bei Schnitzler doch so greifbar geformt und
herbei. See, Berg, Rodelbahn, Sprung¬
gesteigert sind. Vom rosenroten Alpenglühn
schanze —. Fahrt im Schlitten, auf Skiern.
bis zur Veronalnacht. Den Formern des
An der Kamera standen: Freund, Babergke
Bergner=Drehbuchs gelingen gerade
die
und Schafy,
sychischen Phasen nicht, da wo die
Einer der wichtigsten Helfer: der
Schnitzler=Novelle beginnt und die Aufgahe
Milieuhauer, der Dekorationgerfinder Max
der Bergner gewesen wäre:
Kettelhut.
Die Verwirrung der Gefühle
Spielaussichten? Ein deutscher Pro¬
bei einem jungen Mädel, das den Vater
grammfilm, den die Lichtspielhäuser überall
liebt und retten will, richtig optisch zu ge¬
tark einsetzen werden, dort, wo der Name
stalten.
Vergner besonderen Klang hat. Namentlich
Die Verwirrung der Gefühle — an ihnen
die
in Großstadt=Kinos. Dort stehen
geht der Bergner=Film vorüber, bis über¬
Bergner=Verohrer an.
raschend das Skandälchen im Carlton=Hotel
Man denke an den „Geiger von Florenz“.
einsetzt: ein nacktes Fräulein, verhüllt nur
Und Bergner=Gemeinden gibt es wie
vom Pelzmantel, ein siebenzehnjähriges
Wagner=Vereine.
Mädelchen wollte einen alten Herrn für
ihren alten Herrn anpumpen. 30 000
Längo des Films: 2434 Meter, 7 Akte.
Schillinge. Was erwidert er? „Möchte
Weiße Zensurkarte: Für Jugendliche
dich mal sehen.“ Weist dabei auf eine nackte
verboten.
Künstlerisch wertpoll.
Statue im Hotelzimmer, Unsittlicher An¬
trag; neues Telegramm vom Mutterhaus:
Hersteller: Poctic.
verschaffe das Geld oder Vater wird ver¬
Ernst Jäger.
haftet. Da weiß Else keinen anderen Aus¬
weg als das tödliche Veronal. Höhe der
Bergner: ihr loldendes Mädelantlitz.
Vorher hat sie hübsch arrangierte Panto¬
mimen: Ankleideszene zum Dinner, zarter
Ankleidungszauber ist immee Bergne¬ Art.
Hier deckt sich Czinner ganz mit dem ###l
ven Supu Pick, der Lillan Harvey durch eine
fröhlichere Nacht in London führte als die
Kleine Else in St. Moritz.
miere wurde mit einer spontanen Steinrück¬
Ehrung abgeschlossen,
dirigierte.
Schmidt=Boelcke
Als Illustrator hatte er sich wieder um
einen originellen Stil bemüht, teilweise mit
außergewöhnlichem Gelingen.
Wenig geglückt schien der einleitende
Wozu das? Film=Abend
Orchesterteil
muß ein Film einleiten.
Schmipi=Boelcke hat wie wenige Illu¬
stratoren den Mut zur Pause; auch zur
Diskretion, die er an die Grenze des Zart¬
Dynamischen treibt.
Wenn Schmidt=Boelcke das Brio einer
Jazz=Welt einsetzt, ist er in seinem Ele¬
mestt. v
Das Capitol hatte seinen großen Abend.