I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 180

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Fraeulein Else
ziation eines Kollegen bringt den Vater Else vor die

Türe des Gefängnisses. Nur eine sofortige Zurück¬
jahlung kann den Mann vor der Entehrung retten.
Wer kann helfen? Else muß den Antiquitätenhändler,
der sich der Freundschaft des Rechtsanwaltes rühmt,
um Geld bitten. Dorsday ist bereit zu helfen. Aber
er stellt gemeine Bedingungen, jene vom Modell. Um
Extrait du journal:
den Vater zu retten, opfert sich die Tochter: ein Leben
löscht aus. Schade: Else muß das in jedem Garten¬
Adresse
Selbst¬
lauberoman abgedruckte Rezept anwenden —
mord durch eine zu große Dosis Veronal.
Date
Nun, am Schluß des Stückes wird ein Leben aus¬
gelöscht. Der Eindruck vom Stück aber ist nicht un¬
auslöschlich. Es ist gut, daß Else im wirklichen Leben,
nämlich die außergewöhnlich talentierte Schauspielerin
Ellen Schwanneke weiterlebt. Diese realistische
chlagfertige resolute, kampflustige schöne Else wird
von Ellen Schwanneke edel und schnitzlerecht ver¬
körpert. Ironie und Selbständigkeit zieren sie, die
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sportliche und damenhafte Haltung kann sie glaubhaft
ausdrücken
Das Schnitzlerspiel, das Ernst Lothar für die
Bühne konfektioniert hat, wurde von Leonard Stek¬
kel so gut als man sichs denken kann inszeniert.
Rlichker Tuhinen
Steckels Regie ist locker und dem Stück entsprechend
standesgerecht.
Schauspielhaus; „Frl. Else“.
Kalser verleiht dem Antiquitätenhändler die
parfümierte Herrennoblesse und Blutlosigkeit eines
Sportplätz und Hotelhalle, Speifesaal und Schlaf¬
Erotikers, der bessere, gesündere, unneurasthenerische
zimmer, sswie eitte kleinbürgerliche Advokatenstube
Nächte erlebt hat, als jene, die ihm den Tod von
das ist das Szendpium für pas Sieben=Bilder=Schau¬
Else als moralische Strafe ins Gewissen brennt.
piel „F# Fulein Else“ von Artchur Schnitz¬
Kalser tritt auf als ein Mann, dem alles, auch die
er. Die Handfung zeigt einen Ausschnitt aus der
Liebe, nur ein Kunsthandel ist, der glaubt, alles, auch
bürgerlichen Gesellschaft, deren doppelte Moral einer
as Letzte sei feil. Schade, daß dieser Mann, nichts
eits und saubere Charäktertypen anderseits illustriert
Beistreicheres zu sagen hat.
werden. Zu den sauberen Charakterfiguren gehört
Horwitz ist der gequälte Vater Elses, ein sonst
allerdings der Antiquitätenhändler Dorsday nicht. Auf
alle Fälle ist dieser „erfahrenste“ Mann abseitig; er
rechtschaffener Bürger, ein Advokat, der über die
ucht nicht nur das gemalte Porträt. Sein Schönheits¬
Klippe zwischen Wollen und Können strauchelte.
Hinter eingegrabenen Augen leuchtet der Stern der
durst ist überhitzt; er will das nackte Modell sehen.
Ehrlichkeit und die Vaterliebe, die das Opferines
Nur sehen, sagt er!
Kindes ahnt, aber nicht verhindern kann. In den
Der nicht gerade begüterte Rechtsanwalt Dr. T.
veitern Rollen beweisen ihre Prägungskunst die Da¬
hat das Depot einer Klientin angegriffen. Er, der
nen Carlsen, Hartmann, Holsten und Duhan, sowie
Kleinbürger, ließ aus Vaterliebe seine Tochter Else
die Herren Stöhr, Braun, Ta en und Eckold.
großbürgerlich erziehen und verwöhnen. Die Denun¬
Extrait du journal:
Adresse
Date
TEELATT LUZERN
14 Okc. 1935
Theaternotizen.
„Fräulein Else“ im Zürcher Schauspielhaus. Es
war vorauszusehen, daß die #ielgelesene rezitierte
und verfilmte Novelle „Fräulein Else“ von
Arthur Schnitzler, eines Tages auch für die
Bühne umgemodelt werde. Ein szenisch erfahre¬
nerer Schriftsteller als der durch soignierte Unter¬
haltungsprogramme bekannte Ernst Lothar hätte
daraus geviß ein stärkeres Schauspiel schmieden
können, als es diesem geglückt ist. Andererseits muß
man jedoch froh sein, daß diese virtuos monologi¬
ierte Novelle wenigstens einem Bearbeiter von Takt
in die Hände gefallen ist. Denn das Thema könnte
zu manchen peinlichen Situationen Anlaß bieten.
Diese wurden glücklicherweise vermieden. Durch die
Auswalzung in sieben, namentlich im Anfang sehr
dünne Bilder, ist aber viel vom Charme der Schnitz¬
lerschen Prosa verloren gegangen.
Das in einem Hotel von San Martino di Ca¬
trozza spielende Schauspiel fand in der Zürcher Auf¬
ührung eine ziemlich laue Aufnahme. Die Haupt¬
rolle uvernahm Ellen Schwanneke, die „Frau¬
ein Else“ unexzentrisch, mit einem schönen Ton der
Innerlichkeit und gequälten Scham darstellte. In
ihrer Auffassung ist sie aber ersichtlich von Elisabeth
Slg. 1h
Bergner beeinflußt.

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