7. bis 1S. W 9
Landwirtschaftliche Messe bis 14. März
Auskünfte aller Art erteilen die ehrenamtlichen Ver¬
treter der Wiener Messe in allen größeren Städten der
Welt sowie das Zentralbüro der Wiener Messe-A. G.,
Wien, VII., Messepalast
„OBSERVER
österr. behördlich konzessioniertes Unternehmen für
Zeitungsausschnitte, Wien, I., Wollzelle 11, Tel. R 23-0-43
Ausschnitt aus:
SOHERIA. PRAG
31. JAl. 1937
vom
„Fräulein Else“
(Neues Theater)
Der Einfall, Arthur Schnitzlers Novelle
„Fräulein Else“ zusdremaisieren, ist eigentlich
absurd; das Theaterstück, das Ernst Lothar
aus der Novelle gemacht hat, beweist jedoch das
Gegenteil. Von der Novelle, die Schnitzler 1924
geschrieben hat, geht offenbar eine große Lockung
aus; „Fräulein Else“ ist auch verfilmt worden,
und die zarte, morbide Schönheit des nervösen
Wiener Bürgermädchens „aus gutem Haus“, das
Elisabeth Bergner in diesem Film gewesen ist,
bleibt unvergeßlich. Das Fräulein Else in der
Novelle ist um eine Nüance weniger sensitiv als
die Film=Else der Bergner; und das Fräulein
Else Ernst Lothars ist um einige Nüancen robu¬
ster als die Novellen=Else. Daß diese Dichtung
so lockend bleibt, ist im Grunde erstaunlich; denn
heute hat man wenig Verständnis für den tra¬
gischen Konflikt, an dem Fräulein Else zugrunde¬
geht. Ihr Vater braucht Geld, sie opfert sich
ür ihn, indem sie sich das Geld von einem
Manne geben läßt, der die Bedingung stellt, sie
nackt zu sehen. Deshalb begeht sie Selbstmord.
Eine wahrhaft unzeitgemäße Tragik, weniger
dem heutigen Menschen begreiflich als die
Tragik der einst so beliebt gewesenen Monna
Vanna. Schnitzlers Novelle ist ein Monolog; das
etwas überspitzte Meisterwerk eines Psychologen.
Lothar, der als Erzähler einige Male gezeigt
hat, daß er sich in dem Seelenleben junger
Mädchen wie selten ein Mann zurechtfindet, hat
aus dem Monolog ein handfestes, auch als
Kunstwerk sehr respektables Theaterstück ge¬
baut. Elses Vater, in der Novelle ein Hasardeur,
ist in dem Stück ein edler Mann; ein Menschen¬
freund, den sein gutes Herz zugrunderichtet. Und
Else in der Novelle so erschüttert von sich selber,
daß sie nur noch denken und phantasieren, aber
mit keinem Menschen mehr sprechen kann, ist in
dem Stück imstande, vor dem Selbstmord zu
dinieren, Konversation zu machen, heikle Tele¬
phongespräche zu führen. Sie bleibt trotzdem ein
Wunderwesen aus einer entschwundenen Zeit.
Max Liebl inszenierte das Schauspiel so
packend, daß man die Grenze, die das Stück von
er Novelle scheidet, übersah und sich ganz in
das Schicksal des jungen Mädchens und ihrer
Familie einleben konnte. Fräulein Else war Lis
Macheiner; ein sehr anmutiges, schönes,
keineswegs neurasthenisches und trotzdem ein¬
leuchtend ihren Beg gehendes Fräulein Else, das
sich von dem Fräulein Else der Bergner unter¬
scheidet wie Lothar von Schnitzler. Eine präch¬
tige Gestalt schuf Fritz Klippel als Dorsday.
Das war ein dunkler Ehrenmann, der in jedem
Wort und mit jeder Geste das Grauen Fräu¬
lein Elses und das Vertrauen der Tante Emma,
die ihn für einen seelensguten Menschen hält,
rechtfertigt. Diese Tante gab Lotte Stein mit
einer humorigen Ahnungslosigkeit, die voll tref¬
fender Pointen war. Den Vater stellte meister¬
lich Fritz Valk dar, der in seiner einzigen
Szene die ganze Tragödie eines verpfuschten Le¬
bens aufbaute. In kleineren Rollen bemerkens¬
wert: Fritta Brod als Frau Winawer und
— Das
Herr Schmerzenreich als Paul.
Stück schien dem Publikum ausgezeichnet zu ge¬
L. W.
fallen.
Else
31. Fraeulein
box 5/3
„
WIENER MESSE
7. bis 13. März 1937 — Technische und
Landwirtschaftliche Messe bis 14. März
Auskünfte aller Art erteilen die ehrenamtlichen Ver¬
treter der Wiener Messe In allen größeren Städten der
Welt sowie das Zentralbüro der Wiener Mosse-A. G.,
Wien, VII., Messepalast
„OBSERVER“
österr. behördlich konzessioniertes Unternehmen für
Zeitungsausschnitte, Wien, I., Wollzelle 11, Tel. R 23-0-43
Ausschnitt aus:
Die Zeit, Prag
vom
— 2. FEB. 1937
Neues Deutsches Theater:
„Fräulein Else“
Als Arthur Schnitzlers Novelle „Fräu¬
lein Else“ erschien, war sie ein Ereignis für das
literarische Wien. Unter dessen sind einige Jahr¬
zehnte vergangen und die Welt hat sich ein Stück¬
chen weitergedrcht. Heute hat Ernst Lothar die
Novelle des Dramaturgs Schnitzler dramatisiert. Wir
fragen uns warum? Die Leistung rechtfertigt es
keineswegs. Was einmal Sensation war, interessiert
heute nicht einmal mehr ein „gewisses“ Publikum.
Denn niemand wird leugnen können, daß sich Sams¬
tag abend die Besucher des Neuen Deutschen Thea¬
ers bei den ersten Bildern recht gelangweilt haben.
Im ersten Akt wird Tennis gespielt. Im zweiten
gibt es einen bezeichnenden Dialog zwischen Tante
Emma und Else. Kann man überhaupt etwas Düm¬
neres schreiben, als dieses Zwiegespräch? Im drit¬
ten Akt kommt es dann zu der bekannten Auseinan¬
dersetzung zwischen Else und dem älteren Herrn. Im
vierten Akt wird viel gegessen und dazwischen steht
das sentimentale Mädchen. Am Schluß kommt der
Zusammenbruch. Das ganze ist gewiß sehr traurig,
für den Novellenstoffvielleicht gerechtfertigt, für ein
Drama langt es nicht. Gerade an diesem Abend
merkt man einmal deutlich, wie wenig gute Spre¬
cher es am Deutschen Theater gibt. Hervorragend
war nur der Dialog Valk und Meller. Liesl
Macheiner spielte das Fräulein Else. Wir ken¬
nen sie von guten Rollen her. Mehr als ein senti¬
mentales Mädchen vermochte sie diesmal nicht auf
die Bühne zu stellen. Von den übrigen ist nur noch
Klippel zu nennen. Am Schluß noch eine Frage:
Gibt es denn heute wirklich keine neuen deutschen
Bühnenstücke, daß man „geistig“, in ein überlebtes
neunzehntes Jahrhundert zurückgreifen muß? Wir
empfehlen den Lektoren des Deutschen Theaters, sich
doch inmal die wirklichen deutschen Bühnenstücke
der Gegenwart kommen zu lassen. Wenn man sie
schon nicht spiel, wirdt man doch zumindest erkennen,
um wieviel besser sie sind, als dieses Loharische
„Fräulein Else“.
H.
Landwirtschaftliche Messe bis 14. März
Auskünfte aller Art erteilen die ehrenamtlichen Ver¬
treter der Wiener Messe in allen größeren Städten der
Welt sowie das Zentralbüro der Wiener Messe-A. G.,
Wien, VII., Messepalast
„OBSERVER
österr. behördlich konzessioniertes Unternehmen für
Zeitungsausschnitte, Wien, I., Wollzelle 11, Tel. R 23-0-43
Ausschnitt aus:
SOHERIA. PRAG
31. JAl. 1937
vom
„Fräulein Else“
(Neues Theater)
Der Einfall, Arthur Schnitzlers Novelle
„Fräulein Else“ zusdremaisieren, ist eigentlich
absurd; das Theaterstück, das Ernst Lothar
aus der Novelle gemacht hat, beweist jedoch das
Gegenteil. Von der Novelle, die Schnitzler 1924
geschrieben hat, geht offenbar eine große Lockung
aus; „Fräulein Else“ ist auch verfilmt worden,
und die zarte, morbide Schönheit des nervösen
Wiener Bürgermädchens „aus gutem Haus“, das
Elisabeth Bergner in diesem Film gewesen ist,
bleibt unvergeßlich. Das Fräulein Else in der
Novelle ist um eine Nüance weniger sensitiv als
die Film=Else der Bergner; und das Fräulein
Else Ernst Lothars ist um einige Nüancen robu¬
ster als die Novellen=Else. Daß diese Dichtung
so lockend bleibt, ist im Grunde erstaunlich; denn
heute hat man wenig Verständnis für den tra¬
gischen Konflikt, an dem Fräulein Else zugrunde¬
geht. Ihr Vater braucht Geld, sie opfert sich
ür ihn, indem sie sich das Geld von einem
Manne geben läßt, der die Bedingung stellt, sie
nackt zu sehen. Deshalb begeht sie Selbstmord.
Eine wahrhaft unzeitgemäße Tragik, weniger
dem heutigen Menschen begreiflich als die
Tragik der einst so beliebt gewesenen Monna
Vanna. Schnitzlers Novelle ist ein Monolog; das
etwas überspitzte Meisterwerk eines Psychologen.
Lothar, der als Erzähler einige Male gezeigt
hat, daß er sich in dem Seelenleben junger
Mädchen wie selten ein Mann zurechtfindet, hat
aus dem Monolog ein handfestes, auch als
Kunstwerk sehr respektables Theaterstück ge¬
baut. Elses Vater, in der Novelle ein Hasardeur,
ist in dem Stück ein edler Mann; ein Menschen¬
freund, den sein gutes Herz zugrunderichtet. Und
Else in der Novelle so erschüttert von sich selber,
daß sie nur noch denken und phantasieren, aber
mit keinem Menschen mehr sprechen kann, ist in
dem Stück imstande, vor dem Selbstmord zu
dinieren, Konversation zu machen, heikle Tele¬
phongespräche zu führen. Sie bleibt trotzdem ein
Wunderwesen aus einer entschwundenen Zeit.
Max Liebl inszenierte das Schauspiel so
packend, daß man die Grenze, die das Stück von
er Novelle scheidet, übersah und sich ganz in
das Schicksal des jungen Mädchens und ihrer
Familie einleben konnte. Fräulein Else war Lis
Macheiner; ein sehr anmutiges, schönes,
keineswegs neurasthenisches und trotzdem ein¬
leuchtend ihren Beg gehendes Fräulein Else, das
sich von dem Fräulein Else der Bergner unter¬
scheidet wie Lothar von Schnitzler. Eine präch¬
tige Gestalt schuf Fritz Klippel als Dorsday.
Das war ein dunkler Ehrenmann, der in jedem
Wort und mit jeder Geste das Grauen Fräu¬
lein Elses und das Vertrauen der Tante Emma,
die ihn für einen seelensguten Menschen hält,
rechtfertigt. Diese Tante gab Lotte Stein mit
einer humorigen Ahnungslosigkeit, die voll tref¬
fender Pointen war. Den Vater stellte meister¬
lich Fritz Valk dar, der in seiner einzigen
Szene die ganze Tragödie eines verpfuschten Le¬
bens aufbaute. In kleineren Rollen bemerkens¬
wert: Fritta Brod als Frau Winawer und
— Das
Herr Schmerzenreich als Paul.
Stück schien dem Publikum ausgezeichnet zu ge¬
L. W.
fallen.
Else
31. Fraeulein
box 5/3
„
WIENER MESSE
7. bis 13. März 1937 — Technische und
Landwirtschaftliche Messe bis 14. März
Auskünfte aller Art erteilen die ehrenamtlichen Ver¬
treter der Wiener Messe In allen größeren Städten der
Welt sowie das Zentralbüro der Wiener Mosse-A. G.,
Wien, VII., Messepalast
„OBSERVER“
österr. behördlich konzessioniertes Unternehmen für
Zeitungsausschnitte, Wien, I., Wollzelle 11, Tel. R 23-0-43
Ausschnitt aus:
Die Zeit, Prag
vom
— 2. FEB. 1937
Neues Deutsches Theater:
„Fräulein Else“
Als Arthur Schnitzlers Novelle „Fräu¬
lein Else“ erschien, war sie ein Ereignis für das
literarische Wien. Unter dessen sind einige Jahr¬
zehnte vergangen und die Welt hat sich ein Stück¬
chen weitergedrcht. Heute hat Ernst Lothar die
Novelle des Dramaturgs Schnitzler dramatisiert. Wir
fragen uns warum? Die Leistung rechtfertigt es
keineswegs. Was einmal Sensation war, interessiert
heute nicht einmal mehr ein „gewisses“ Publikum.
Denn niemand wird leugnen können, daß sich Sams¬
tag abend die Besucher des Neuen Deutschen Thea¬
ers bei den ersten Bildern recht gelangweilt haben.
Im ersten Akt wird Tennis gespielt. Im zweiten
gibt es einen bezeichnenden Dialog zwischen Tante
Emma und Else. Kann man überhaupt etwas Düm¬
neres schreiben, als dieses Zwiegespräch? Im drit¬
ten Akt kommt es dann zu der bekannten Auseinan¬
dersetzung zwischen Else und dem älteren Herrn. Im
vierten Akt wird viel gegessen und dazwischen steht
das sentimentale Mädchen. Am Schluß kommt der
Zusammenbruch. Das ganze ist gewiß sehr traurig,
für den Novellenstoffvielleicht gerechtfertigt, für ein
Drama langt es nicht. Gerade an diesem Abend
merkt man einmal deutlich, wie wenig gute Spre¬
cher es am Deutschen Theater gibt. Hervorragend
war nur der Dialog Valk und Meller. Liesl
Macheiner spielte das Fräulein Else. Wir ken¬
nen sie von guten Rollen her. Mehr als ein senti¬
mentales Mädchen vermochte sie diesmal nicht auf
die Bühne zu stellen. Von den übrigen ist nur noch
Klippel zu nennen. Am Schluß noch eine Frage:
Gibt es denn heute wirklich keine neuen deutschen
Bühnenstücke, daß man „geistig“, in ein überlebtes
neunzehntes Jahrhundert zurückgreifen muß? Wir
empfehlen den Lektoren des Deutschen Theaters, sich
doch inmal die wirklichen deutschen Bühnenstücke
der Gegenwart kommen zu lassen. Wenn man sie
schon nicht spiel, wirdt man doch zumindest erkennen,
um wieviel besser sie sind, als dieses Loharische
„Fräulein Else“.
H.