I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 194

das wertvolle Stück, künstlerisch dargestellt,
eine Anziehungskraft ausübt, die der An¬
ziehung des bedenkenlosen Amüsierstückes zu¬
nindest nicht nachsteht. Das von vielen als
Wagnis bezeichnete Einfügen klassischer Stücke
in den Spielplan des Theaters in der Josef¬
stadt und der hiemit begonnene Festspiel¬
zyklus erscheint gerechtfertigt.
Bei der Spielplangestaltung wurde auch
darauf Bedacht genommen, dem Theater in
der Josefstadt den Rang eines euro¬
päischen Theaters auch insofern zu
wahren, als in der Auswahl der Stücke
Autoren der verschiedensten Nationen zu
Worte kamen. Österreich mit dem größten
verewigten Dramatiker Grillparzer und dem
größten lebenden Dramatiker Schönherr Eng¬
land ist durch Lavery und Dodie Smith,
Amerika durch die Autoren unserer nächsten
Novität „Happy“ L. uund S. Spevack, ver¬
reten, Frankreich durch Henry Bernstein,
Italien durch Aldo de Benetti („Ich kenne
dich nicht mehr"), Deutschland durch Herbert
Eulenberg (dem eine Morgenfeier gewidmet
war), Ungarn durch Molnar, Fodor und
Lakatos. Auch die Wiener Hans Müller und
Raoul Auernheimer (dieser in einer zu seinem
60. Geburtstag vorbereiteten Morgenfeier)
erschienen, beziehungsweise erscheinen im
Spielplan.
Was die Schauspieler betrifft, so hat
in dieser Spielzeit das Theater in der Josef¬
stadt einer Anzahl jüngerer und ganz junger
Künstler Gelegenheit zum Hervortreten ge¬
geben, unter anderen errangen Karl Paryla,
Erik Frey und die jüngstverpflichteten Mit¬
glieder Anna Maier und Hans Obonya
besondere Erfolge.
Aus dem kommenden Programm
sei die nächste Premiere angeführt, die
in dem Hollywooder Filmmilieu spielende
Komödie „Happy“ die im englischen
Original den Untertitel „Junger Mann
kriegt junges Mädchen“ führt. In diesem
Stück tritt die dem Theater in der Josefstadt
neuverpflichtete Jane Tilden in einer Haupt¬
rolle auf, die männlichen Hauptrollen sind
Hans Thimig, Hans Olden, Otto Wallburg,
Alfred Neugebauer, Fritz Delius und Erik
Frey anvertraut. Regie führt Hans Thimig,
die Bühnenbilder entwirft Architekt Schmidt.
Die Ausgestaltung des Festspielzyklus sieht
vor allem österreichische Werke vor, zunächst
ist an die Neuinszeuierung von Anzengrubers
„Viertem Gebot“ und Raimunds „Alpen¬
könig und Menschenfeind“ gedacht. Als erste
große literarische Premiere der nächsten
Spielzeitzwird Girandoux' „Es kommt nicht
zum trömischen Krieg“ zusammen mit dem
neuen einaktigen Stück von Lavery „Mon¬
signores große Stunde“ in meiner Inszenie¬
rung in Szene gehen. Auch ein Artur¬
Schnitzler=Abend ist in Aussicht ge¬
zwar die von mir besorgte
der
dramatische Bearbeitung
Novelle „Fräulein Else“ und des
„Leutnant Gustl“ an einem Abend.
Die literarischen Morgenfeiern werden
fortgesetzt und ausgebaut werden. Die nächste
gilt Raoul Auernheimer und wird im
Programm neben Prosa und Versen sein
einaktiges Stück „Das ältere Fach“ (mit
Geßner, Heine, Neugebauer, Thimig; Regie:
Heine) enthalten.
Zusammenfassend glaube ich sagen zu
dürfen, daß das zu Ende gehende erste Jahr
meiner direktoriaten Tätigkeit mich in meiner
Überzeugung nur bestärkt hat, daß es das
Theater unterlassen sollte mit dem Film zu
konkurrieren, und daß es das Hauptgewicht
darauf zu verlegen hätte, nicht in den all¬
täglichen Betrieb zu verfallen, sondern, so
gut es eben geht, die allabendliche Theater¬
gewohnheit zur Einmaligkeit zu steigern.
Dr. Ernst Lothar.
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vom:
Mein Programm in der
Johefstadt.
Von
Direktor Hofrat Dr. Ernst Lothar.
Die abgelaufene Saison hat mich in der Meinung bestärkt,
daß das wertvolle Stück, wertvoll dargestellt, Anwert findet. Ich
habe daher bei der Bildung des Spielplans des Theaters in der
Josefstadt für die kommende Saison diese Feststellung zu dem
Grundsatz gemacht, von dem ich mich leiten lasse. Ich eröffne die
Spielzeit bekanntlich zwischen dem 10. und 15. September mit
Anzengrubers „Das Vierte Gebot“ in meiner dramaturgischen
Fassung. Die Aufführung erfolgt im Rahmen des Festspielzyklus
der Josefstadt und in einer, wie ich wohl glaube, seltenen Besetzung
mit — in der Reihenfolge des Personenverzeichnisses — den
Damen Geßner, Stengel, Werbezirk, Maier, Richard und den
Herren Neugebauer, Olden, Edthofer, Attila Hörbiger, Frey,
Stößel, Paryla, Delius, Teubler, Daghofer. Die Bühnenbilder
entwirft Willi Bahner. Im Rahmen des Festspielzyklus gelangen
dann noch im Laufe der Spielzeit zur Aufführung: Ibsens „John
Gabriel Vorkmann“ und Hebbels „Maria Magdalena“
An modernen Stücken habe ich angenommen: Von öster¬
reichischen Autoren: „Blaue Wolken“ von Hans Jaray, „In¬
strumente Gottes“ von Richard Reich, „Ein Fräulein Groh¬
mann“ von Herbert Ertl, dem Sohn Emil Ertls, „Herzkirschen“
von Professor Paul Kalbeck, dem Regisseur der Josefstadt, „Der
Revisor“ von Ralph Benatzky nach Gogols Komödie, „Saison in
Salzburg“ von Fred Heller und Adolf Schütz. Ueberdies plane ich
eine Inszenierung von Schnitzlers „Fräulein Else“ in einer
Dramatisierung, die ich nach der berühmten Novelle des Dichters
verfaßt habe.
Von deutschen Autoren: Karl Zuckmayers „Der Handkuß“.
Der Dichter hat mir versprochen, dieses Stück bis August fertig¬
gestellt zu haben und es mir um diese Zeit in Salzburg vorzu¬
legen. Von französischen Autoren: „Der Trojanische Krieg findet
nicht statt“ von Giraudoux, das neue Werk von Henri Bernstein
Das Herz“ und Gantillons „Die Frau unserer Träume“ (Notre¬
Dame des songes). Von amerikanischen Autoren: „Monsignores
große Stunde“ von Emmet Lavery, dem Verfasser der „Ersten
Legion“. Dieses Stück, ein Einakter, wird mit Giraudoux' „Der
Trojanische Krieg findet nicht statt“ an einem Abend gespielt
werden. Von englischen Autoren: Robert Morlays „Short=Story“
in einer deutschen Bearbeitung von Bruno Frank, und Walter
Hacketts „Spionage“
Von ungarischen Autoren: Vor allem wird Franz Molnars
neues Werk, das noch keinen Titel hat, zur Uraufführung
kommen. Außerdem spiele ich „Ehe“ von Johannes v. Vaszary,
ein Stück, das das Eheproblem im Querschnitt durch eine
Wohnung behandelt und bereits als zweite Premiere der Saison
herauskommen soll, mit Anton Edthofer, Rose Stradner, Hans
Olden, Adrienne Geßner, Alfred Neugebauer, Ludwig Stössel
und Fritz Delius in den Hauptrollen. Als Weihnachtsnovität
plane ich Ladislaus Fodors „Matura“, und schließlich ist auch
ein neuer Bus=Fekete „Kap der guten Hoffnung“ vorgesehen.
Ich habe aber auch das Stück eines schwedischen Dramatikers
angenommen: „Damenstift“ von Axel Breidahl. Es enthält