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31. Fraeulein Else
65
SSERVE!
L. österr. behördl. konzessioniertes Unternehmen für
Zeitungs-Ausschnitte
*
WIEN, I., WOLLZEILE 11
8
33
TELEPHON K 25-0—12
Ausschnitt aus: „NEUES WIENER JOURNAL“
70
Frantem=eist.
Artur Schnitzlers Meisternovelle als Drama.
Artur Schnitzlers fesselnde Novelle „Fräulein Else“ war bekanntlich ein außerordentlicher
Bucherfolg; das Werk wurde in sast alle Weltsprachen übersetzt. Nun hat Hofrat Ernst Lothar
diese psychologisch so interessante Erzählung zu einem Bühnenwerk umgestaltet, das Mittwoch
den 2. Dezember im Theater in der Josefstadt zur Uraufführung gelangt. Wir veröffentlichen
in nachstehenden die große dramatische Szene aus dem dritten Bild des Stückes. Der Schau¬
platz ist die Halle eines Dolomitenhotels. Auf der Szene stehen sich Herr Dorsday und Fräulein
Else gegenüber, die den reichen Antiquitätenhändler ur ein Darlehen für ihren Vater
gebeten hat.
wiedersehen kann oder auch nicht, die ich alfo, wenn der Papa
Dorsday (weicht zu¬
den Prozeß Erbesheimer nicht gewinnt, zum Fenster hinaus¬
rück, dann stellt er sich ihr):
Sie verlangen das um Ihrer schönen Augen willen —
werfe
Sie sehen mich an, als ob ich
gut. Und ich verlange, diese schönen Augen und — diese Schön¬
verrückt wäre. Zugegeben
heit wenigstens zu sehen. Mein Preis ist billiger. Ihrer teuer.
Artur Schnitzler
zugegeben — ich bin es viel¬
Ihre Verachtung ist im Preis mitinbegriffen. Anderes verlange
leicht ein wenig, denn — es geht ein Zauber von Ihnen aus,
ich nicht und — anders tue ich es nicht. Mein Zimmer liegt im
Else, den Sie vielleicht selbst nicht ahnen. (Dringend.) Sie müssen
gleichen Stock wie das Ihre.
fühlen, Else, daß meine Bitte keine Beleidigung ist!
Else: Sie sind verrückt!
Else (zwischen den Zähnen): Ihre Bitte !... Daß Sie sich
Dorsday: Möglich, sogar wahrscheinlich. Seien Sie
nicht schämen, das Wort in den Mund zu nehmen!
darüber froh! Nur ein Verruckter (Gebärde) bläst sechzig¬
doch
Dorsday: Ja, ich sage „meine Bitte“! Wenn sie auch
tausend Schilling von der flachen Hand. Bringen Sie mir doch
in Ihren Augen — es ist meine Gewohnheit, die Dinge nackt
zum Bewußtsein, wie verrückt ich bin! Antworten Sie mir
nicht
beim Namen zu nennen — einer Erpressung ähnlich sieht. Aber ich
nicht gleich. Ueberlegen Sie. Auf eines mache ich Sie aber
jetzt
bin kein Erpresser, ich bin nur ein Mensch, der seine Erfahrungen
aufmerksam. Entweder — oder. Ein Kompromiß gibt es bei mir
im Leben hat — unter anderem die, daß alles auf der Welt seinen
Er will gehen.)
nicht.
Preis hat, und daß einer, der sein Geld verschenkt — jawohl,
Else (klammert sich an die Wand).
verschenkt, denn wer garantiert mir dafür, daß Ihr Papa seinen
Dorsday (dreht sich um): Else, Sie hassen mich jetzt -
Prozeß gewinnt —, ich sage, daß einer, der sein Geld verschenkt,
Sie verachten mich. Ich erscheine Ihnen als der grauenhafteste
obwohl er in der Lage ist, einen Gegenwert dafür zu erhalten,
aller Menschen. Ich weiß. Trotzdem möchte ich Ihnen eines zu
ein ausgemachter Narr ist! Und was ich mir heute kaufen will,
bedenken geben: Sie werden einmal anders von mir denken. Es
Else — so viel es Ihnen auch vorkommen mag —: Sie werden
spricht ein Mann zu Ihnen, der ziemlich einsam ist und der nicht
nicht ärmer dadurch, daß Sie es verkausen. Und daß es ein Ge¬
besonders glücklich ist und der möglicherweise einige Nachsicht
heimnis zwischen Ihnen und mir bleiben würde, das schwöre
verdient ... (Er zieht ihre Hand an die Lippen, die sie ihm völlig
ich Ihnen.
fassungslos einen Augenblick überläßt. Dann zieht sie die Hand
Else: Das schwören Sie mir. Und Sie stehen da und
heftig an sich.) Ich gehe jetzt in den Speisesaal. Sie kommen ja
reden und fühlen nicht, daß Sie das Niederträchtigste
wohl auch? Wenn ich mir noch eine letzte Bemerkung erlauben
daß Sie...
darf: Auch für den Fall, daß der Betrag telegraphisch angewiesen
Dorsday (schneidet ihr das Wort ab): Else, Sie sind in
werden sollte, müßte ich längstens heute nacht meiner Bank die
Ihren Entschlüssen absolut frei. Sie können tun und lassen, was
Anweisung geben, sonst wäre es zu spät. Auf Wiedersehen, Fräulein
Sie wünschen. Beleidigung verbitte ich mir. Nur eines habe ich
Else. Sie werden im Speisesaal meinen Gruß erwidern — oder
Ihnen noch zu sagen. Ich schwöre Ihnen, daß ich (Pause) von
nicht. Je nachdem. (Er geht ab, links.)
der Situation keinen anderen Gebrauch machen werde als den,
Else steht starr.
der in unserem Vertrag vorgesehen war — ja! Es ist ein Ver¬
Vorhang.
trag! Sie verlangen Geld, sechzigtausend Schilling, die ich
31. Fraeulein Else
65
SSERVE!
L. österr. behördl. konzessioniertes Unternehmen für
Zeitungs-Ausschnitte
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WIEN, I., WOLLZEILE 11
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TELEPHON K 25-0—12
Ausschnitt aus: „NEUES WIENER JOURNAL“
70
Frantem=eist.
Artur Schnitzlers Meisternovelle als Drama.
Artur Schnitzlers fesselnde Novelle „Fräulein Else“ war bekanntlich ein außerordentlicher
Bucherfolg; das Werk wurde in sast alle Weltsprachen übersetzt. Nun hat Hofrat Ernst Lothar
diese psychologisch so interessante Erzählung zu einem Bühnenwerk umgestaltet, das Mittwoch
den 2. Dezember im Theater in der Josefstadt zur Uraufführung gelangt. Wir veröffentlichen
in nachstehenden die große dramatische Szene aus dem dritten Bild des Stückes. Der Schau¬
platz ist die Halle eines Dolomitenhotels. Auf der Szene stehen sich Herr Dorsday und Fräulein
Else gegenüber, die den reichen Antiquitätenhändler ur ein Darlehen für ihren Vater
gebeten hat.
wiedersehen kann oder auch nicht, die ich alfo, wenn der Papa
Dorsday (weicht zu¬
den Prozeß Erbesheimer nicht gewinnt, zum Fenster hinaus¬
rück, dann stellt er sich ihr):
Sie verlangen das um Ihrer schönen Augen willen —
werfe
Sie sehen mich an, als ob ich
gut. Und ich verlange, diese schönen Augen und — diese Schön¬
verrückt wäre. Zugegeben
heit wenigstens zu sehen. Mein Preis ist billiger. Ihrer teuer.
Artur Schnitzler
zugegeben — ich bin es viel¬
Ihre Verachtung ist im Preis mitinbegriffen. Anderes verlange
leicht ein wenig, denn — es geht ein Zauber von Ihnen aus,
ich nicht und — anders tue ich es nicht. Mein Zimmer liegt im
Else, den Sie vielleicht selbst nicht ahnen. (Dringend.) Sie müssen
gleichen Stock wie das Ihre.
fühlen, Else, daß meine Bitte keine Beleidigung ist!
Else: Sie sind verrückt!
Else (zwischen den Zähnen): Ihre Bitte !... Daß Sie sich
Dorsday: Möglich, sogar wahrscheinlich. Seien Sie
nicht schämen, das Wort in den Mund zu nehmen!
darüber froh! Nur ein Verruckter (Gebärde) bläst sechzig¬
doch
Dorsday: Ja, ich sage „meine Bitte“! Wenn sie auch
tausend Schilling von der flachen Hand. Bringen Sie mir doch
in Ihren Augen — es ist meine Gewohnheit, die Dinge nackt
zum Bewußtsein, wie verrückt ich bin! Antworten Sie mir
nicht
beim Namen zu nennen — einer Erpressung ähnlich sieht. Aber ich
nicht gleich. Ueberlegen Sie. Auf eines mache ich Sie aber
jetzt
bin kein Erpresser, ich bin nur ein Mensch, der seine Erfahrungen
aufmerksam. Entweder — oder. Ein Kompromiß gibt es bei mir
im Leben hat — unter anderem die, daß alles auf der Welt seinen
Er will gehen.)
nicht.
Preis hat, und daß einer, der sein Geld verschenkt — jawohl,
Else (klammert sich an die Wand).
verschenkt, denn wer garantiert mir dafür, daß Ihr Papa seinen
Dorsday (dreht sich um): Else, Sie hassen mich jetzt -
Prozeß gewinnt —, ich sage, daß einer, der sein Geld verschenkt,
Sie verachten mich. Ich erscheine Ihnen als der grauenhafteste
obwohl er in der Lage ist, einen Gegenwert dafür zu erhalten,
aller Menschen. Ich weiß. Trotzdem möchte ich Ihnen eines zu
ein ausgemachter Narr ist! Und was ich mir heute kaufen will,
bedenken geben: Sie werden einmal anders von mir denken. Es
Else — so viel es Ihnen auch vorkommen mag —: Sie werden
spricht ein Mann zu Ihnen, der ziemlich einsam ist und der nicht
nicht ärmer dadurch, daß Sie es verkausen. Und daß es ein Ge¬
besonders glücklich ist und der möglicherweise einige Nachsicht
heimnis zwischen Ihnen und mir bleiben würde, das schwöre
verdient ... (Er zieht ihre Hand an die Lippen, die sie ihm völlig
ich Ihnen.
fassungslos einen Augenblick überläßt. Dann zieht sie die Hand
Else: Das schwören Sie mir. Und Sie stehen da und
heftig an sich.) Ich gehe jetzt in den Speisesaal. Sie kommen ja
reden und fühlen nicht, daß Sie das Niederträchtigste
wohl auch? Wenn ich mir noch eine letzte Bemerkung erlauben
daß Sie...
darf: Auch für den Fall, daß der Betrag telegraphisch angewiesen
Dorsday (schneidet ihr das Wort ab): Else, Sie sind in
werden sollte, müßte ich längstens heute nacht meiner Bank die
Ihren Entschlüssen absolut frei. Sie können tun und lassen, was
Anweisung geben, sonst wäre es zu spät. Auf Wiedersehen, Fräulein
Sie wünschen. Beleidigung verbitte ich mir. Nur eines habe ich
Else. Sie werden im Speisesaal meinen Gruß erwidern — oder
Ihnen noch zu sagen. Ich schwöre Ihnen, daß ich (Pause) von
nicht. Je nachdem. (Er geht ab, links.)
der Situation keinen anderen Gebrauch machen werde als den,
Else steht starr.
der in unserem Vertrag vorgesehen war — ja! Es ist ein Ver¬
Vorhang.
trag! Sie verlangen Geld, sechzigtausend Schilling, die ich