I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 217

Wolzelle 11: lelephon K 40-0-45
Ausschnift aus
vom
Probe zu eFräulein Eise¬
Erste Dekorationsprobe zu der großen
Mittwoch-Premiere in der Josefstadt. Auf
der Bühne das übliche Durcheinander von
eben erst herangeschleppten neuen Deko¬
rationsstücken, die diesmal bereits auf den
ersten Blick überraschen. Man sieht Bruch
stücke einer Freitreppe, ein veritabler Hotel
Rauch-,
korridor wird emporgezogen.

Musik-, Lesezimmerattribute liegen ver¬
streut herum und eine richtige Portierloge
beginnt mit Schlüsseltafel, Briefkasten und
allem Zubehör dem Chaos zu entsteigen.
Der schmächtige Mann jedoch, der über die
Regietrepe auf die Bühne eilt, bringt in
erstaunlich kurzer Zeit Ordnung in das
Ganze. Architekt Niedermoser, dem
die Aufgabe zufiel, Schnitzlers zum Drama
Sze¬
gewordene Novelle „Fräulein Else“.
nisch zu gestalten, hat in märchenhaft kur¬
zer Zeit eine Hotelhalle aufbauen lassen, in
der, den Lift eingeschlossen, nichts zut
Illusion eines Nobel-Alpenhotels fehlt.
Jetzt belebt sich die fertiggestellte Szene.
Hans Thimig, der Regisseur, erteilt mit
außerordentlicher Präzision, Exaktheit und
Verve seine Anordnungen für das bunte,
internationale Treiben, das sich alsbald ent¬
vickelt. Italienisch, englisch, französisch,
deutsch wird an den verschiedenen Tischen
gesprochen und telephoniert, man glauht
sich tatsächlich in jenes Dolomitenhotel
versetzt, wo die Handlung sich ereignet.
Immer wieder läßt Thimig die Fremdworte
wiederholen, bis die Lebensechtheit da ist.
die ihm vorschwebt. Auf dem hohen Korri¬
dor erscheint Rose Stradner, sie geht
behutsam, dann eilig, als hätte sie Wich¬
tiges vor. Am Lift vorbei, der gerade em¬
porfährt, gelangt sie in die Halle, wechselt
mit dem waschecht italienisch parlierenden

Portier ein paar nervöse Worte
merkt, daß etwas Aufregendes bevorsteht.
Leise Musik klingt an, im selben Moment
tritt ein Herr mit blondem Bart ein, den
man bisher auf der Josefstädter Bühne noch
nicht sah. Es ist Kaspar Brandhofer,
die Entdeckung Hofrat Lothars, der in
der Rolle des Antiquitätenhändlers Dorsday
zum überhaupt erstenmal auftritt. Die große
Szene, die er spielt, geht sowohl auf der
Bühne, bei seiner Partnerin Else Stradner
als auch im Zuschauerraum nicht spurlos
vorbei.
Denn da Brandhofer heute zum ersten¬
mal voll „ausspielt“ sind Kollegen und
Angestellte des Hauses im dunklen Raum
und hören gespannt und vielleicht auch mit
jener Skepsis zu, die Blitz-Karrieren beglei¬
tet. Man hört Tuscheln, bald aber wird es
totenstill. Und als Brandhofer zu Ende ist.
erhebt sich aus der allerletzten Reihe die
Gestalt Albert Bassermanns, er geht
bis zur Rampe und ruft dem neuen Kollegen
hinauf: „Großartig!
Und der Debütant, der wie ein Bild von
Hodler aussieht, wird totenblaß und sagt
mit einer Bewegtheit, die sich allen mitteilt:
„Danke!
Der Regisseur ruft: „Umbau!“ Und die
Tragödie des Fräulein Else geht weiter.
Besetzung der Uraufführung von „Fräulein
Else“
Im Theater in der Josefstadt
findet morgen Mittwoch die Uraufführung
des Schauspiels in sieben Bildern: „Fräu¬
lein Else“, nach der gleichnamigen
Novelle von Arthur Schnitzler, für die
31.
Fraeulein Else
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Bühne bearbeitet von Ernst Lothar,
statt. Die Hauptrollen sind wie folgt be¬
setzt: Dr. T., Rechtsanwalt — Albert Bas¬
ermann; seine Frau — Lilia Skalla;
Else, beider Tochter — Rose Stradner;
Tante Emma, Schwester Dr. T.s — Else
Bassermann; Dr. Paul, Elses Vetter
Erik Frey: Herr v. Dorsday, Anti¬
Kaspar Brandhofer;
quitätenhändler —
Badgasten
Frau Cissy Mohr
— Adrienne Geßner;
Frau Winawer — Lina Woiwode; Por¬

tier — Max Brebeck; Stubenmädchen
— Leo F. Stö¬
Daisy Solms; Empire
Heilkräftigste
ger Kellner — Fritz Gamberti. Regie:
Hans Thimig. Bühnenbilder: Otto Nie¬
Radiumtherme der Well!
dermoser. Technische Einrichtung: Karl
Dworsky.
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„OBSERVER
Erstes österreichisches be¬
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WIEN, I.
Wollzeile 11 . Telephon R 23-0-43
Ausschnift aus
Telegpat, Wien
vom
DEz. 1936
„Fräulein Else in der
Josefstadt
Ernst Lothar hat den Mut zum Expe¬
timent. Das Publikum wird ihm auch dies¬
mal Dank dafür wissen. Es wird zwar nicht
an Stimmen fehlen, die erklären werden, die
wundervolle Novelle, die bei aller gewagter
Problematik doch so unendlich zart anspricht,
verde hier, dramatisiert, vergröbert. Dem
gegenüber ist festzustellen, daß Lothar, der
Bearbeiter, mit außerordentlich behutsamer
Hand am Werke war und daß es ihm ge¬
ungen ist, wirklich Schnitzlersche Atmosphäre
auf die Bühne zu zaubern. Auch wenn der
Inhalt des Schauspiels gelegentlich von dem
des Monologs Schnitzlers abweicht; so daß
beispielsweise aus dem Vater Elses eine
ganz andere Persönlichkeit geworden ist.
Die Josefstadt bietet mit „Fräulein
einen ungewöhnlich interessanten
Else“.
Abend. Die Darstellung, getragen von Rose
Stradner, dem neu fürs Theater ent¬
deckten Kaspar Brandhofer und Albert
Bassermann, ist blendend. Rose Strad¬
ner gibt die Rolle so. daß man ihr sie
glaubt. Und das will außerordentlich viel
heißen. Kaspar Brandhofer nennt ein un¬
erhörtes Temperament sein eigen, er crebt
die schwierige Rolle Daxedans so inten#### #####
in Augenblicken der Erregung sein sonst
fahles Gesicht sich mit flammender Röte
überzieht. Bassermann ist wieder wundervoll.
Aber auch Adrienne Geßner, Else Basser¬
mann und Lilly Skalla tragen zum Erfolg
der Aufführung bei. die Hans Thimig sehr
flüssig inszeniert hat. Die Bühnenbilder
Niedermosers verdienen, wie immer, alles
Lob.