I, Erzählende Schriften 31, Fräulein Else, Seite 226

31. Fraeulein Else
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ame Regie und der erlesene Geschmack der
„Fräulein Eise“ im Theater in der
Bühnenbilder Niedermosers und Ludwig
Josefstadt.
Haas' verdienen höchstes Lob.
Nun ist das „Fräulein Else“, nach vielen
Jahren plötzlich aus den stillen, gedankentiefen
Seiten eines Schnitzler=Buches ans Rampenlicht
gestiegen. Ernst= Lothar bot dazu seine
schreibgewandte Hand. Der Erfolg hat ent¬
chieden, denn der dramatische Konfliktstoff ist
o stark, daß er die Führung übernimmt, ohne
ich zu — übernehmen. Die Aufführung war voll
Glanz. Fräulein Eise, dieser scheue und doch so
überlegene Mensch, der aus Liebe zum Vater
das schwerste Opfer, das Opfer seiner Scham
und seines Lebens bringt, fand in Rose Strad¬
ner eine Gestalterin von Herz und Hirn. Er¬
schütternd ihre Kämpfe gegen sich und gegen den
unheimlichen Lüstling, der für das Geld, mit dem
der Freund, Elses Vater, vor dem Ruin gerettet
werden könnte, seinen Preis stellt. In dem Dar¬
steller dieses Herrn v Dorsday, dem Debütanten
Kaspar Brandhofer, lernte man eine uner¬
hörte Begabung kennen. Überragend wie immer
war Bassermann in dem einzigen Auftritt
des um seiner tiefinneren Anständigkeit willen
ruinierten Rechtsanwaltes. Es ist kaum mehr
Kunst, was er zeigt Es ist einfach — Menschlich¬
keit. Frau Bassermann schuf wieder einen
ihrer eleganten Oberflächencharaktere, Adrienne
Geßner leistete sich in der Cissy Mohr ein
Kabinettstück, Erik Frey wirkt durch Noblesse
und Temperament. Auch Thimigs bedacht¬
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Internationale. Theaterschen.
Schpitzlers „Fräulein Else“ ist wohl eine der nicht
allzu zählreichen Novellen, deren Fabel dem Lese¬
pubikum in der Erinnerung haften bleibt, wenn es sie
einmal kennengelernt hat. Wer die Nachricht von der
Bearbeilung für die Bühne vornahm, mußte wohl Be¬
denken hegen, wie es möglich sein sollte, so heikle Emp¬
findungen und Vorfälle auf die Bühne zu bringen. Nun,
diese Bedenken erwiesen sich angesichts des neuen Stückes
als übertriebben. Dies ist dem Umslande zu danken, daß
der Bearbeiter Direktor Ernst Lothar die Fabel, so gut es
ging, enterotisiert hat. Die Grundzüge der Handlung
konnie er freilich nicht ändern. In der Novelle, wie im
Drama geschieht folgendes: Ein Mädchen aus guter
Framilie, das auf Ferienaufenthalt in einem Dolomiten¬
hotel weilt, erfährt durch einen Brief ihrer Mutter, daß der
Familie eine Katastrophe drohl. Der Vate, ein Rechts¬
anwall, hat ein Depot veruntreut. Strafe droht ihm, wenn
das Geld nicht binnen zwei Tagen beschafft wrd. Else
sell versuchen, das Geld bei einem reichen Antiquiläten¬
händler, der zufällig im Hotel weilt, zu borgen. Sie tut
es — der reiche ate Mann stellt ene Forderung (er ver¬
angt, sie nackt zu sehen), an deren Erfüllung Else zu¬
grunde geht.
Das Stück folgt im allgemeinen den Ereignissen der
Novelle. Dennoch ist das Thema ein anderes. Es handelt
sich nicht um Gänge oder Irrgäng, der Erotik, Was
Lolhar darsteilen will, ist ein Mädchen, das ay einem
Tag lebenswichlige Illusionen verliert. Ihr geliebter
Vater hat ein Verbrichen begangen: ihre guten Eltern,
die sie immer verwöhnten, verlangen von ihr als Kndes¬
pflicht etwas Abscheuliches. Die Forderung des Alten er¬
scheint ihr ungeheuerlich. Furchlbar die Tücke des
Schicksals. Der Mann, den sie liebt, ihr Vetler, liebt sie
ebenfalls, das hindert ihn aber nicht, vor ihren Augen
ein Verhältnis mit einer and#ren zu haben, Sie glaubt,
die Welt zu erkennen, wie sie ist, und kann sie nichl er¬
tragen. Nicht also an der Erfüllung eines widerwärtigen
Verlangens, sondern n einer Enttäuschung über die
Welt, geht Else zugrunde, Das ist zweifellos eine bedeu¬
ende Idee. Schade, daß Lothar sich in ihrer Gestaltung
mehr als Novellist und geschickter Bühnentechniker er¬
weist, denn als Dramatiker. Alle sieben Bilder des
Stückes sind interessant, einige packend — dennoch fehlt
de Folgerichtigkeil, die richtige Gruppierung der Ereig¬
nisse um den Zentralgedanken, di: dem Drama die
große Wirkung verleihen.
Das sensationelle Stück bot auch in der Aufführung
eine Sensalion, das Auftreten eines neuen Schauspielers,
den man sogleich als einen sehr bedeutenden Künstler
kennenllernte. Er heißt Kaspar Brondhofer. Seine Dar¬
stellung verleihl der sonderbarsten Figur des Stückes
Größe und hebt dadurch das ganze Stück. Rose Stradener
als Else ist vorzüglich dort, wo sie, wie im Anfang, das
junge, reizbare Geschöpft zu spielen hat. Wie sie Seelem¬
malerei bieten sollte, wie nach dem Gespräch mit ihrem
Vater, bleibt sie äußerlich. Bassermann spielle den Rechts¬
anwalt, — man weiß, we er solchen Figuren die ihm
eigene Noblesse verleiht, Frau Baassermann, als die
oberflächliche Tante, und Adrienne Geßner, als die immer
gereizte Rivalin Elses, boten amüsante Typen. Hans
Thimig führte die Regie. Die geschmackvollen Bühnen¬
bilder sind von Otto Niedermoser. Das Stück fand reichen
Beifall.
E. A.