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nplare
st hunder
drängt f
Jährlich
gen und Unter¬
er gar Seiten,
einige Sät
sollen. Als ich
t gepackt, und ich
mich die W
ag ging ich nervös in die
fend gemustert,
Schüler
##n nicht fassen.
lich konnte i
Unrat! Da
hinter
1 und das Buch
zu spri
och hab
ch mir das bald
Unrat“ an den
Name
de
uchmal erklang
rrufen,
icht
ich nach den Tätern; als
rhaßte Buch noch einmal
hulichkeit zwischen
urde. Und als
ößer
Schüler strafen wollte, fiel
verständnisloses Wesen
Buch
u meinem besseren
er mir meine Fehler er¬
I,
abzustreifen ..
te bei mir: „Dieser Pro¬
11
Ob nicht auch der „aller¬
ins „Kopf“ einiges gelernt
rschienen wäre?
nann.
gleichnamigem Roman.
(Nachdruck verboten.]
rsy.
etelles „Silbermann“ war
zösischen Romanerfolge der Nach¬
ter guten deutschen Uebersetzung
schland über einen engen Kreis
Die Geschichte der beiden Sil¬
rzählen, ist aber viel zu merk¬
e unterdrücken wollten. Hier ist
erer Zeit in einem Menschen
lebendig geworden, sondern hat
ieses Menschen einen tiefen Ein¬
Lacretelle — aus dem Kreise
spielt etwa in den Jahren 1894
Affäre und könnte als das
nees breiter „Histoire contem¬
s Problem Franzose= Jude ist
mel einer Kinderfreundschaft zu¬
rotestant, erzählt von seiner lei¬
estärkten, von Anfung an melan¬
me an seinem Klassenkameraden
Kampf um diese Freundschaft
Jungen, gegen seine Eltern, gegen
nkreich, liebt die französische Lite¬
s schöpferischen Kenners und er¬
irme durch die Art, wie er eine
d analysiert.
durch Zündkontakt einmal
Vorschein,
wieder zum
vergistet. Silber¬
158
Herzen
Antiquitätenhändler, wird
zen, und der Vater des jugendlichen
er! Der Erzähler fleht seinen Vater
essen Schuld er nicht glauben kann,
unschuldig. Aber der Richter würde
die Untersuchung allzu schnell ab¬
Unglück gereift, ein Beobachter und
Lage und trennt sich mit einem
ihn, unter demütigenden Gewissens¬
r, protesiantischer Seelenprüfer
—
raten muß. Im Abschied von dem
von seiner heißen und tragischen
as ihn als Fremden verstoßen hat.
sich aus, fährt nach Amerika zu
von seines Genies Gnaden wird
ter östlich von seinem Schauplatz
Leben eines Menschen eingegriffen.
Budapest an einem Buchladen
zurückgezogen von einer Bücher¬
tzung „Professor Rond“, der Spitz¬
—
0
11—
Die jalsche Hme. Bovary.
Sie lebt in der Provence in Pertui ols Besitzerin eines kleinen
Gasthauses und hat mit dem — bekannten und längst verstorbenen
wirklichen Original Flauberts nicht das geringste zu t9.
Nichtsdestoweniger verehrt sie manchmal einem bevorzngten
Sommergast die Volksausgabe von des Dichters Romon mit der
originellen Widmung „Souvenir de Mme. Bovarg“.
(Zeichnung von Rudolf Schlickter)
net. Wie war das möglich? Der Budapester Antiquitätenhändler
war niemals in Paris gewesen. Wie also konnte dieser Franzose
ihn erraten? So vollständig erraten — bis in die vergeffenen
Regungen seiner Pubertätsjahre, bis in seine Worte und Gesten
hinein?
Mit seiner aufwühlenden Entdeckung und seiner quälenden Frage.
rannte der Antiquitätenhändler zur Zeitung, zum Uebersetzer. Man
suchte ihn zu beruhigen; sprach von ewiger, unvermeidlicher Wieder¬
kehr des gleichen Leidenszuges in Judenschicksalen aller Zeiten und
Länder. Silbermann sah das ein. Was er nicht einsehen und
nicht zugeben konnte, war, daß es sich bei solch erstannlich minu¬
tiöser Uebereinstimmung einer Reihe von Einzelheiten noch
um Zufall handeln könne. Er konnte einfach nicht glauben, daß
der Franzose ihn, Silbermann, nicht irgendwann, irgendwo persön¬
lich gekannt habe: er hätte sonst sein Geheimnis nicht dechiffrieren
können. Niemals, niemals habe er irgendeinem Menschen davon
gesprochen, wie er zu der Mutter seines Freundes gestanden
habe . . . und dieser Franzose sagte es klipp und klar. Auch sein
Gesicht, seine Erscheinung seien in seiner Jugend genau so gewesen,
wie de Lacretelle sie beschreibe; mit alten Lichtbildern könne er es
beweisen. Auf dem Gymnasium habe er in genau derselben Haltung
gegen die kompakte Majorität seiner Mitschüler kämpfen müssen,
wie der Held des Romans. Er habe die ungarischen Klassiker be¬
geistert und überzeugend deklamiert und habe ungarischer Schrift¬
steller werden wollen. Und aus denselben Erwägungen, die den Roman¬
elden in seine resignierte Wahl treiben, sei auch er nicht Schrift¬
steller, sondern Antiquitätenhändler geworden. Daß er damals
richtig gewählt, daran habe er bisweilen gezweifelt, nun aber; da
er sich als Romanfigur erblickt und erkannt, da er seine Motive von
damals, und zwar alle der Reihe nach, durchschaut und zerlegt und
gebilligt gefunden habe, nun bezweifle er nicht mehr, daß es
so habe kommen müssen. De Lacretelle habe ihn mit sich selbst
versöhnt: er helfe ihm nunmehr, sein Schicksal zu tragen.
Nie wird Silbermann, Antiquitätenhändler in Budapest, an
Zufall glauben. Er glaubt an Wiedergeburt und Seelenverwandt¬
schaft.
Dorsday.
Zu Arthur Schnißzters Roman „Fräulein Else“.
„Dorsday! Sie haben früher auch anders geheißen!“ — sagt
Fräulein Else, Schnitzlers Heldin.
II.
Damals wußte sie noch nicht, daß sie Geld von ihm brauchte,
daß sie für ihn Monna Vanna spielen sollte — damals wußte sie
nicht, daß sie darüber sterben würde.
III.
Arthur Schnitzlers „Fräulein Else“ ist 1924 erschienen. Am
6. Februar 1926 brachte die Bukarester „Gimineaca“ folgende Notiz:
„Direktor Dorsday verhaftet. Im Zusammenhang mit
dem Selbstmord der Tänzerin E. H. wurde heute vormittag der
Kabarettdirektor Dorsday (Drechsler) verhaftet. Nach Aussage
der Kolleginnen hatte Direktor Dorsday sie gezwungen, nach Schluß
der Vorstellung vor einzelnen bevorzugten Gästen nackt aufzutreten.
Aus diesem Grunde kam es zwischen Fräulein H. und ihrem Ver¬
lobten zu einem Streit, der schließlich zu ihrem Selbstmord führte.
IV.
Drechsler, Fräulein Else, Drechsler hat er früher geheißen!
„Sie sind wohl nicht der Kurier des Zaren gewesen?“ meinte
ich; doch mein neuer Bekannter wurde plötzlich ernst:
„Ich war es. — Ich war zwölf Jahre alt, als ich zum ersten¬
mal den Roman von Jules Berne in die Hände bekam. Ich las
ich verschlang alle die wunderbaren Abenteuer, die Taten des
Helden — der meinen Namen trug. Und dies gab meinem Schick¬
sal die Richtung. Ich hatte nur noch den einen Gedanken, selbst
der Kurier des Zaren zu werden. Auch meine Schulkameraden
hatten das Buch gelesen; und sie behandelten mich, wie es dem
Helden einer solchen Geschichte zukommt. Wenn wir Kosaken
pielten, war ich immer der befehlshabende General und führte
meine kurzhosige Armee stets zum Sieg. Ich siegte auch über den
Widerstand meines Vaters, der aus mir durchaus einen Arzt
machen wollte. Ich wurde Kadett in der Junkerschule.
Dann kam der Krieg — und die Träume meiner Kindheit ver¬
wirklichten sich: ich bin eine lebendige Romanfigur, bin tatsächlich
der Kurier des Zaren geworden. Alle die Abenteuer, die ich im
Kriege und während der Wirren des Bürgerkrieges erlebte, teilte
ich mit vielen andern. Für mich behielten sie trotzdem eine be¬
ondere Bedeutung. Für die andern waren diese Erlebnisse,
Kämpfe, Gefahren, List und Gewalttat, Ueberfälle, Flucht, Sieg
all dies war ihnen ein Ausnahmezustand, den meisten sogar ein
Unglück. Ich nahm dies alles hin als die Erfüllung
meiner ursprünglichen Bestimmung. Vieles davon
hat Jules Berne richtig vorausgeahnt und lebensecht
geschildert.
„Strogow!“ rief der Wirt, und der Kellner cilte in die Küche,
— —
Jules Berne war in vielen Dingen ein Prophet. Aber der
Amerikaner Goldstrom reiste in dreißig Tagen um die Erde —
und auch das eine konnte der Dichter nicht vorausahnen, was auch
chlecht in seinen heroischen Roman gepaßt hätte: Daß der Kurier
des Zaren seine Laufbahn als Kellner in einem kleinen sächsischen
Lokal beschließen würde.
Souvarine.
Zu Emile Zolas Roman „Germinal“.
Nachdruck verboten.]
Hans Jaoob.
Der eine Souvarine ist ein Kind der Dichterphantasie. Emile
Zola schreibt im „Germinal“:
„Souvarine war der jüngste Sohn einer adeligen Familie in
Tula. In Sankt=Petersburg, wo er Medizin studierte, hatte die
ozialistische Strömung, die damals die ganze russische Jugend
fortgerissen, ihn dazu bewogen, ein Handwerk, und zwar das eines
Mechanikers, zu erlernen, um sich unter das Volk zu mengen, es
kennenzulernen und ihm brüderlich beizustehen. Von diesem
Handwerk lebte er jetzt, nachdem er infolge eines vereitelten An¬
schlages auf das Leben des Kaisers geflohen war. Um diesen
Anschlag auszuführen, hatte er einen Monat hindurch im Keller
eines Obsthändlers gelebt, eine Mine quer unter der Straße an¬
gelegt. Bomben geladen, in der so. währenden Gefahr, samt dem
Hause in die Luft zu fliegen.“
Der andere Souvarine ist keine Phantasiegestalt — er ist vom
Weibe geboren. Boris Souvarine stammt aus Rußland.
Er floh vor der Gewaltherrschaft der Zaren, kam nach Frankreich,
wvo er „unter das Volk“ ging, mit ihm kämpfte und litt. Die
Pariser Kommunisten machten ihn zu ihrem Führer.
Zolas Souvarine war kein Kommunist. Er sprach in Rasseneus
Schenke:
„Euer Karl Marx ist noch so weit, daß er die natürlichen
Kräfte wirken lassen will. Keine Politik und keine Verschwörung,
wie? Alles ganz offen und bloß zum Zwecke der Lohn¬
erhöhungen? ... Laßt mich in Frieden mit euerer Revolution!
Zündet die Städte an allen vier Ecken an, mähet die Völker nieder,
rasieret alles weg, und wenn nichts mehr übrig sein wird von
dieser verfaulten Welt, dann wird vielleicht eine bessere er¬
stehen.“
Dieser Souvarine ist Anarchist. Anarchist im Sinne Ravachols.
Er lehnt Marx ab und alles, was Theoric ist. Seine= Religion ist
Propaganda der Tat — er ist Nihilist.
die
Und der lebende Sonvarine?
Er wurde 1921 von der Pariser Staatsanwaltschaft der Teilnahme
an anarchistischen Verschwörungen beschuldigt. Man konnte
ihm nichts nachweisen, und er mußte freigesprochen werden. Vor
einigen Monaten aber schloß ihn die Kommunistische Partei aus,
weil er gegen die Lehre von Karl Marx und auch gegen Moskau
sprach und schrieb.
Zola hat seinen Roman „Germinal“ im Jahre 1885 beendet.
Und heute stimmen seine politischen Anschauungen
und Handlungen mit denen des Romanhelden
überein. Ist das eine Wirkung des Romans . .. oder ist es das,
was man gemeinhin „Zufall“ zu nennen pflegt?
Verantworlischer Redatteun: Walter Zadel, Berlin,
nplare
st hunder
drängt f
Jährlich
gen und Unter¬
er gar Seiten,
einige Sät
sollen. Als ich
t gepackt, und ich
mich die W
ag ging ich nervös in die
fend gemustert,
Schüler
##n nicht fassen.
lich konnte i
Unrat! Da
hinter
1 und das Buch
zu spri
och hab
ch mir das bald
Unrat“ an den
Name
de
uchmal erklang
rrufen,
icht
ich nach den Tätern; als
rhaßte Buch noch einmal
hulichkeit zwischen
urde. Und als
ößer
Schüler strafen wollte, fiel
verständnisloses Wesen
Buch
u meinem besseren
er mir meine Fehler er¬
I,
abzustreifen ..
te bei mir: „Dieser Pro¬
11
Ob nicht auch der „aller¬
ins „Kopf“ einiges gelernt
rschienen wäre?
nann.
gleichnamigem Roman.
(Nachdruck verboten.]
rsy.
etelles „Silbermann“ war
zösischen Romanerfolge der Nach¬
ter guten deutschen Uebersetzung
schland über einen engen Kreis
Die Geschichte der beiden Sil¬
rzählen, ist aber viel zu merk¬
e unterdrücken wollten. Hier ist
erer Zeit in einem Menschen
lebendig geworden, sondern hat
ieses Menschen einen tiefen Ein¬
Lacretelle — aus dem Kreise
spielt etwa in den Jahren 1894
Affäre und könnte als das
nees breiter „Histoire contem¬
s Problem Franzose= Jude ist
mel einer Kinderfreundschaft zu¬
rotestant, erzählt von seiner lei¬
estärkten, von Anfung an melan¬
me an seinem Klassenkameraden
Kampf um diese Freundschaft
Jungen, gegen seine Eltern, gegen
nkreich, liebt die französische Lite¬
s schöpferischen Kenners und er¬
irme durch die Art, wie er eine
d analysiert.
durch Zündkontakt einmal
Vorschein,
wieder zum
vergistet. Silber¬
158
Herzen
Antiquitätenhändler, wird
zen, und der Vater des jugendlichen
er! Der Erzähler fleht seinen Vater
essen Schuld er nicht glauben kann,
unschuldig. Aber der Richter würde
die Untersuchung allzu schnell ab¬
Unglück gereift, ein Beobachter und
Lage und trennt sich mit einem
ihn, unter demütigenden Gewissens¬
r, protesiantischer Seelenprüfer
—
raten muß. Im Abschied von dem
von seiner heißen und tragischen
as ihn als Fremden verstoßen hat.
sich aus, fährt nach Amerika zu
von seines Genies Gnaden wird
ter östlich von seinem Schauplatz
Leben eines Menschen eingegriffen.
Budapest an einem Buchladen
zurückgezogen von einer Bücher¬
tzung „Professor Rond“, der Spitz¬
—
0
11—
Die jalsche Hme. Bovary.
Sie lebt in der Provence in Pertui ols Besitzerin eines kleinen
Gasthauses und hat mit dem — bekannten und längst verstorbenen
wirklichen Original Flauberts nicht das geringste zu t9.
Nichtsdestoweniger verehrt sie manchmal einem bevorzngten
Sommergast die Volksausgabe von des Dichters Romon mit der
originellen Widmung „Souvenir de Mme. Bovarg“.
(Zeichnung von Rudolf Schlickter)
net. Wie war das möglich? Der Budapester Antiquitätenhändler
war niemals in Paris gewesen. Wie also konnte dieser Franzose
ihn erraten? So vollständig erraten — bis in die vergeffenen
Regungen seiner Pubertätsjahre, bis in seine Worte und Gesten
hinein?
Mit seiner aufwühlenden Entdeckung und seiner quälenden Frage.
rannte der Antiquitätenhändler zur Zeitung, zum Uebersetzer. Man
suchte ihn zu beruhigen; sprach von ewiger, unvermeidlicher Wieder¬
kehr des gleichen Leidenszuges in Judenschicksalen aller Zeiten und
Länder. Silbermann sah das ein. Was er nicht einsehen und
nicht zugeben konnte, war, daß es sich bei solch erstannlich minu¬
tiöser Uebereinstimmung einer Reihe von Einzelheiten noch
um Zufall handeln könne. Er konnte einfach nicht glauben, daß
der Franzose ihn, Silbermann, nicht irgendwann, irgendwo persön¬
lich gekannt habe: er hätte sonst sein Geheimnis nicht dechiffrieren
können. Niemals, niemals habe er irgendeinem Menschen davon
gesprochen, wie er zu der Mutter seines Freundes gestanden
habe . . . und dieser Franzose sagte es klipp und klar. Auch sein
Gesicht, seine Erscheinung seien in seiner Jugend genau so gewesen,
wie de Lacretelle sie beschreibe; mit alten Lichtbildern könne er es
beweisen. Auf dem Gymnasium habe er in genau derselben Haltung
gegen die kompakte Majorität seiner Mitschüler kämpfen müssen,
wie der Held des Romans. Er habe die ungarischen Klassiker be¬
geistert und überzeugend deklamiert und habe ungarischer Schrift¬
steller werden wollen. Und aus denselben Erwägungen, die den Roman¬
elden in seine resignierte Wahl treiben, sei auch er nicht Schrift¬
steller, sondern Antiquitätenhändler geworden. Daß er damals
richtig gewählt, daran habe er bisweilen gezweifelt, nun aber; da
er sich als Romanfigur erblickt und erkannt, da er seine Motive von
damals, und zwar alle der Reihe nach, durchschaut und zerlegt und
gebilligt gefunden habe, nun bezweifle er nicht mehr, daß es
so habe kommen müssen. De Lacretelle habe ihn mit sich selbst
versöhnt: er helfe ihm nunmehr, sein Schicksal zu tragen.
Nie wird Silbermann, Antiquitätenhändler in Budapest, an
Zufall glauben. Er glaubt an Wiedergeburt und Seelenverwandt¬
schaft.
Dorsday.
Zu Arthur Schnißzters Roman „Fräulein Else“.
„Dorsday! Sie haben früher auch anders geheißen!“ — sagt
Fräulein Else, Schnitzlers Heldin.
II.
Damals wußte sie noch nicht, daß sie Geld von ihm brauchte,
daß sie für ihn Monna Vanna spielen sollte — damals wußte sie
nicht, daß sie darüber sterben würde.
III.
Arthur Schnitzlers „Fräulein Else“ ist 1924 erschienen. Am
6. Februar 1926 brachte die Bukarester „Gimineaca“ folgende Notiz:
„Direktor Dorsday verhaftet. Im Zusammenhang mit
dem Selbstmord der Tänzerin E. H. wurde heute vormittag der
Kabarettdirektor Dorsday (Drechsler) verhaftet. Nach Aussage
der Kolleginnen hatte Direktor Dorsday sie gezwungen, nach Schluß
der Vorstellung vor einzelnen bevorzugten Gästen nackt aufzutreten.
Aus diesem Grunde kam es zwischen Fräulein H. und ihrem Ver¬
lobten zu einem Streit, der schließlich zu ihrem Selbstmord führte.
IV.
Drechsler, Fräulein Else, Drechsler hat er früher geheißen!
„Sie sind wohl nicht der Kurier des Zaren gewesen?“ meinte
ich; doch mein neuer Bekannter wurde plötzlich ernst:
„Ich war es. — Ich war zwölf Jahre alt, als ich zum ersten¬
mal den Roman von Jules Berne in die Hände bekam. Ich las
ich verschlang alle die wunderbaren Abenteuer, die Taten des
Helden — der meinen Namen trug. Und dies gab meinem Schick¬
sal die Richtung. Ich hatte nur noch den einen Gedanken, selbst
der Kurier des Zaren zu werden. Auch meine Schulkameraden
hatten das Buch gelesen; und sie behandelten mich, wie es dem
Helden einer solchen Geschichte zukommt. Wenn wir Kosaken
pielten, war ich immer der befehlshabende General und führte
meine kurzhosige Armee stets zum Sieg. Ich siegte auch über den
Widerstand meines Vaters, der aus mir durchaus einen Arzt
machen wollte. Ich wurde Kadett in der Junkerschule.
Dann kam der Krieg — und die Träume meiner Kindheit ver¬
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der Kurier des Zaren geworden. Alle die Abenteuer, die ich im
Kriege und während der Wirren des Bürgerkrieges erlebte, teilte
ich mit vielen andern. Für mich behielten sie trotzdem eine be¬
ondere Bedeutung. Für die andern waren diese Erlebnisse,
Kämpfe, Gefahren, List und Gewalttat, Ueberfälle, Flucht, Sieg
all dies war ihnen ein Ausnahmezustand, den meisten sogar ein
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meiner ursprünglichen Bestimmung. Vieles davon
hat Jules Berne richtig vorausgeahnt und lebensecht
geschildert.
„Strogow!“ rief der Wirt, und der Kellner cilte in die Küche,
— —
Jules Berne war in vielen Dingen ein Prophet. Aber der
Amerikaner Goldstrom reiste in dreißig Tagen um die Erde —
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chlecht in seinen heroischen Roman gepaßt hätte: Daß der Kurier
des Zaren seine Laufbahn als Kellner in einem kleinen sächsischen
Lokal beschließen würde.
Souvarine.
Zu Emile Zolas Roman „Germinal“.
Nachdruck verboten.]
Hans Jaoob.
Der eine Souvarine ist ein Kind der Dichterphantasie. Emile
Zola schreibt im „Germinal“:
„Souvarine war der jüngste Sohn einer adeligen Familie in
Tula. In Sankt=Petersburg, wo er Medizin studierte, hatte die
ozialistische Strömung, die damals die ganze russische Jugend
fortgerissen, ihn dazu bewogen, ein Handwerk, und zwar das eines
Mechanikers, zu erlernen, um sich unter das Volk zu mengen, es
kennenzulernen und ihm brüderlich beizustehen. Von diesem
Handwerk lebte er jetzt, nachdem er infolge eines vereitelten An¬
schlages auf das Leben des Kaisers geflohen war. Um diesen
Anschlag auszuführen, hatte er einen Monat hindurch im Keller
eines Obsthändlers gelebt, eine Mine quer unter der Straße an¬
gelegt. Bomben geladen, in der so. währenden Gefahr, samt dem
Hause in die Luft zu fliegen.“
Der andere Souvarine ist keine Phantasiegestalt — er ist vom
Weibe geboren. Boris Souvarine stammt aus Rußland.
Er floh vor der Gewaltherrschaft der Zaren, kam nach Frankreich,
wvo er „unter das Volk“ ging, mit ihm kämpfte und litt. Die
Pariser Kommunisten machten ihn zu ihrem Führer.
Zolas Souvarine war kein Kommunist. Er sprach in Rasseneus
Schenke:
„Euer Karl Marx ist noch so weit, daß er die natürlichen
Kräfte wirken lassen will. Keine Politik und keine Verschwörung,
wie? Alles ganz offen und bloß zum Zwecke der Lohn¬
erhöhungen? ... Laßt mich in Frieden mit euerer Revolution!
Zündet die Städte an allen vier Ecken an, mähet die Völker nieder,
rasieret alles weg, und wenn nichts mehr übrig sein wird von
dieser verfaulten Welt, dann wird vielleicht eine bessere er¬
stehen.“
Dieser Souvarine ist Anarchist. Anarchist im Sinne Ravachols.
Er lehnt Marx ab und alles, was Theoric ist. Seine= Religion ist
Propaganda der Tat — er ist Nihilist.
die
Und der lebende Sonvarine?
Er wurde 1921 von der Pariser Staatsanwaltschaft der Teilnahme
an anarchistischen Verschwörungen beschuldigt. Man konnte
ihm nichts nachweisen, und er mußte freigesprochen werden. Vor
einigen Monaten aber schloß ihn die Kommunistische Partei aus,
weil er gegen die Lehre von Karl Marx und auch gegen Moskau
sprach und schrieb.
Zola hat seinen Roman „Germinal“ im Jahre 1885 beendet.
Und heute stimmen seine politischen Anschauungen
und Handlungen mit denen des Romanhelden
überein. Ist das eine Wirkung des Romans . .. oder ist es das,
was man gemeinhin „Zufall“ zu nennen pflegt?
Verantworlischer Redatteun: Walter Zadel, Berlin,