I, Erzählende Schriften 30, Casanovas Heimfahrt, Seite 6



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ch zum Sterben nach abwärts steigt".] Olivo, der Wirt, erzählt ihm, und Amaliaen
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bestätigt es ihm, Marcolina habe alle weid¬ Pud
ist noch immer kein sterbender, sondern
Abe
Feuikieren., 1010
lichen Tugenden und noch ein paar männliche r es
e# oser Vogel, dem das Alter bloß den Streich
dazu, nur nicht die der Liebe. Sie schlage jedt #
spielt, ihm den bisherigen Liebesruhm, der schon
Werbung aus, so auch die des Leutnan# #ng
Casanovas Heimfahrt.
manchen schwarzen Flecken trug, endgültig zu
Lorenzi, der im Hause verkehre und sieerste
beschmutzen. Schnitzler hat keine rechte Liebe zu
Arthur Schnitzlers neue Novelle.
wer
seiner Cattin machen wolle. Casanova lernt
der Figur, sie hat ihm nicht viel gesagt, sie hat sich

Maeeeiesbeasen
fund
Lorenzi kennen und erblickt in dem schönen
„In seinem breiundfunfsasten Lebens¬
ihm nicht aufgedrängt, um durch sie Bedeut¬
sein
Jüngling seine eigene Jugend, so war
jahre, als Casanova längst nich mehr von der
sames zu lehren. Sie ist ihm nur ein historisch¬
er, als er noch er war. Ein Ver- ruch
Abentenerlust seiner Jugend, sondern von der
legendarischer Behelf für seine eigene maßlose
hältnis dieses Lorenzi mit der Gattin in
Ruhelosigkeit nahenden Alters durch die Welt
Ueberschätzung des Rein=Erotischen. Diesen
eines alten und reichen Marchese, der gleich¬
dreiundfünfzigjährigen Casanova, der auf die
gejagt wurde, fühlte er in seiner Seele das
falls bei den kleinen Spielabenden im Hause
Geimweh nach seiner Vaterstadt Venedig so
Antwort des Senats von Venedig zittert, ob
erscheint, ist auch für jeden weniger scharfen
heftig anwachsen, daß er sie gleich einem Vogel,
er heimkehren dürfe oder nicht, trifft in Man¬
34h
Beobachter offensichtlich. In einer Nacht aber,
der aus luftigen Höhen zum Sterben allmählich
tua ein alter Bekannter aus den Memoiren,
Ehr
da der verliebte Casanova den Schlaf nicht
nach abwärts steigt, in eng und immer enger
dem er vor etwa fünfzehn Jahren großmütig
finden kann und vor Morgengrauen zum
werdenden Kreisen zu umziehen begann.“
eine Frau und ein Häckchen Dukaten dazu über¬
keit
Fenster Marcolinens schleicht, öffnet sich dieses,
Mit diesem Satz, der für mich zu den schönste:
lassen hatte, und schleppt den Widerstrebenden
Abe
und Lorenzi entsteigt ihm. Halb toll vor Liebe
gehört, die ich in deutscher Erzählerkunst ge¬
dab
als Gaft auf sein nahes Besitztum, um ihm zu
und Beschämung sinnt Casanova, sich zu rächen,
funden habe, beginnt diese Erzählung, in der
zeigen, wie glücklich er dort durch Casanovas
oder die Waffe, die er nun besitzt, für seine Zen
Schnitzler dem großen Abenteurer des Spiels
einstige Großmut mit Frau und Kindern
Lust zu gebrauchen. Die Gelegenheit ist ihm rad
und der Liebe gleichsam vor Torschluß noch ein
lebe. Ungern läßt sich Casanova nötigen; bloß
günstig: beim Spiel gewinnt er, währendi trag
Erlebnis schenkt, ehe er ihn in die Schmach der
die Erwähnung einer jungen, schönen und
Lorenzi 4000 Dukaten verliert, die er dem
Spionagedienste untertauchen läßt, die Casanova
gelehrten Nichte, die im Hause den zudring¬
zah
Marchese schuldig wird. Der Marchese, dem das
im Alter dem Senat von Venedig geleistet
kein
lichen Gastfreundes zu finden wäre, bestimmte
Verhältnis seiner Gattin zu Lorenzi bekannt
haben soll, um sein Leben in der Vaterstadt zu
ihn schließlich, sich mitschleppen zu lassen. Auf
w
ist, benützt den Anlaß, um Lorenzi zu insul¬
Ende fristen zu können. Die Schönheit und
dem ländlichen Gutshof begrüßt ihn Amalia,
tieren, und der Offizier ist ein Verlorener,
ruhige Ueberlegenheit dieses ersten Satzes das
die Gattin des Hausherrn, gleich als den ehe¬
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wenn er nicht bis zum nächsten Morgen seine
Ver
freilich in mir Erwartungen erweckt, auf deren
maligen Geliebten und stellt ihm ohne Zögern
Schuld an den Marchese begleichen kann.
lan
Erfüllung es Schnitzler offenbar gar nicht ab¬
eine Liebesnacht in Aussicht — für sie ist er
Casanova eilt dem verzweifelt fortstürzenden den
gesehen hatte. Das letzte Abeateuer Casanovas
nicht gealtert, sondern trägt noch den Glanz
auf seiner Heimfahrt nach Venedig wächst näni¬
Lorenzi nach und stellt ihm die gewonnenen
jener Jugend an sich, die sie vor fünfzehn
lich nicht aus seinen bisherigen Abenteuern
4000 Dukaten zur Verfügung, wenn er ihn diese
zähl
Jahren entzückt hat. Aber er hat nur Augen
Nacht in seinem Mantel an seiner Stelle zu
heraus, sondern es wächst ihnen zu. Noch eines
für Marcolina, eine junge Dame von er¬
Marcolina lasse. Lorenzi muß einwilligen.
zu den anderen, in denen Casanova Casanova
lesenster Schönheit, ganz unwahrscheinlicher
ist, ein alternder und doch noch immer der
Casanova reist scheinbar ab, entkleidet sich im
Gelehrsamkeit und Unnahbarkeit. Sie weibt
alte, mit einem unsichtbaren Begleiter an der
Wagen, wirft den Mantel Lorenzis um, wird
Philosophie und höhere Mathematik, und
Seite, dem leisen Grauen des Erotikers Arthur
von Marcolina eingelassen, erlebt und bereitet
Casanova, der glänzende, geistsprühende und
Schnitzler vor dem eigenen Altwerden.
unerhörte Wonnen. Vor Morgengrauen will er
gewiß nicht ungebildete Plauderer, zieht im
sich wegschleichen, aber er versäumt den Augen¬
gelehrten Wortgefecht mit ihr stets den für¬
Nach jenem ersten Satz aber müßte man
blick, und im Dämmer des Morgens erkennt
zeren. Die vorsichtigsten erotischen An¬
glauben, daß es sich Schnitzler um eine Synthese
ihn Marcolina. Nichts als Ekel vor dem
näherungsversuche erwecken ihren Wider¬
des Lebens Casanovas handle, daß er ihn von
lüsternen Greis malt sich in ihren entsetzten
willen, und wenn ihm vor Leidenschaft in ihrer
den Geistern seiner Vergangenheit das letzte
Blicken; er entflieht, aber draußen erwartet
Nähe die Sinne zu schwinden drohen, bemerkt
Stückchen Weges in die Vaterstadt zurück wollte
führen lassen. Daß Casanova der Vogel sei, derl er in ihrem Auge den Ausdruck des Elels. ihn Lorenzi mit dem Degen in der Hand: Nur!