I, Erzählende Schriften 30, Casanovas Heimfahrt, Seite 15

asanovas Heimfahrt
30 e een ee enene
14 CANUAK 1919
ond-1e No##
Börson- & Lanaten rstung, Berlin
Neue Literatur.
* Arthur Schnitzler: Casanovas Heimfahrt. Er¬
Ahlung—-Prsrfer, verlag, Derlin.) Geheftet
50 Mark, gebunden 6,50 Mark. — Man kann über
die Notwendigkeit, ein solches Buch zu schreiben,
yers hiedener Ansicht sein. Auch ob Arthur Schnitz¬
ser von innen heraus den Drang fühlte, Casanovas
Heimfährt in den schweren Stunden des Weltkrieges
zu schreiben, darf bezweifelt werden. Aber der Reiz,
diesen bodenlosen Lüsterling als Graukopf sein un¬
ruhiges Leben fortsetzen zu lassen, steckte in Schnitz¬
ler sicher schon früher und es bleibt zu bewundern,
daß er in den stürmischen welterschütternden Jahren
seinen Willen in die Ruhe seiner Studierstube zwin¬
gen, seinen Geist auf dieses Thema konzentrieren
konnte. In wie glänzender Weise Schnitzler sein
Problem löste, welcne Kühnheit der Gedanken, welche
Treft #keit des Ausdrucks, welche sprühende Er¬
findungskunst aus Casanovas Heimfahrt leuchtet,
fühlt der Leser mit Vergnügen. In der geistvollen,
feinen, mitunter.-sogar anmutigen und poetischen
Sprache Schnitzler’s géwinnt die Schilderung des
Aufflackerns einer zügellosen Sinnlichkeit, die vor
schamloser widriger Erpressung, vor entehrenden
Handlungen, ja selbst vor Mord nicht zurückscheut,
an Aufnahmefähigkeit. Schnitzler führt uns nicht den
glänzenden, sondern den ramponierten Mann von
53 Jahren vor, der die Welt nicht mehr in seine
elegante, freche Hand zu zwingen vermag und unter¬
kriechen, in seiner geliebten Heimatstadt Venedig
nach dem langen Exil in Gnaden aufgenommen und
heimisch werden möchte. Und nun noch einmal und
bevor sich sein Wunsch, kläglicher und demütigen¬
der, als er gehofft hatte, erfüllt, noch einmal vor
Toresschluß drängt ein zufällig begegriendes Aben¬
teuer alle Macht und alle Erbärmlichkeit dieses glän¬
zenden, glücklichen und lügnerischen Lebens zusam¬
men. Die Liebenswürdigkeit und die Kühnheit des
Mannes, seinen kecken und vagen Geist, Verführung,
ungeheuren Liebesbetrug, worin sich höllischer
Triumph und klägliche Niederlage mischen, Duell
es ist, als ob der Dichter alle
und Totschlag,
Motive dieses Lebenslaufes in seiner Erzählung wie
in einem Brennpunkt sammelte, eine meisterhafte
Kunst, meisterhaft in ihrer Technik und nicht minder
in der menschlichen Ueberlegenheit.

753.
Das Littararische Ssae Berlia“
einer Übergangszeit, unerbilklichet, aber auch starteneute
alle anderen Denkmäler, die sie geschaffen hat.“ — Her¬
mann Menkes läßt seine Besprechung von Arthur Sch#
lers Novelle „Casanovas Heimkehr“ in die Worte aus¬
gehn: „Mit diesem schwermütigen Ausklang schließt dieses
wern en Schehiten wige und se geltonde Wer
Schnitzsers, eine blendende Köstlichkeit, wie verloren in
diesen Humpfen Tagen der bangen Sorge und harten Not.“
Da v. Jobelti Ronan „Die Junte“ (u
box 4/10
Den Eiderarische Sche, Grn
15 J4N 19%
Casanovas Heimfahrt. Novelle. Vosl Arthur Sch
ler. Berlin 1918, S. Fischer. S. 181. M.
(6.50).
Casanovas Heimfahrt und ein letztes Abenteuer mit
einer Frau in Altersdämmerung vor dem Sonnenunter¬
hang des Spitzeldienstes in Venedig ist gut erzählt. Es
ist wahr, Casanovas Charakter ist aus jener Liniengebung,
die in den „Erinnerungen“ zutage tritt, noch schärfer
in die Renaissanceschablone überführt, die, für den Menschen¬
betrachter ein wenig unglaubwürdig, doch nachgerade etwas
buchmäßig Feststehendes geworden ist; und der Charakter
der Frau, die dem Abenteurer zum Opfer fällt, scheint
völlig brüchig; aber die Handlung nimmt dennoch ihren
gesicherten Fortgang, das Interesse folgt dem Berichteten
vom ersten bis zum letzten Wort.
„Casanovas Heimfahrt“ ist sehr gut erzählt, und
gerade dies ist seltenes Lob geworden. Es ist als hätte
Schnitzler es nicht über das Herz gebracht, den immerhin
weitschichtigen Stoff zu gliedern, so machtvoll drängte
die Lust am Berichte; alles ist in lebhaft bewegtem Fluß,
als hätte der Schreibende sich selbst nicht Einhalt ge¬
bieten wollen; selbst die Sparsamkeit, mit der auf langen
Seiten nur hin und wieder ein Absatz gemacht wird,
fällt auf. Ist das alles wirklich Absicht gewesen,
der Zweck erreicht. Auch der Verwöhntere und der Abge¬
stumpfte liest mit ungewöhnlicher Spannung.
Nur den Schnitzler, an dem man Anteil nimmt und
der ein überzeugendes Bild seiner künstlerischen Persön¬
lichkeit wachrief, findet man hier nicht wieder. Sehr un¬
persönlich mutet „Casanovas Heimfahrt“ an. Wäre das
Buch ohne den Namen seines Verfassers in die Welt
hinausgeschickt worden, es wäre unmöglich gewesen, den,
der es schrieb, zu erraten. Aber selbst darüber hinaus
hat die Novelle etwas Autorloses. Man bewegt sich in
ihr in einer Welt, die gleichsam nicht geographisch orien¬
tiert ist: man geht etwa tatengemäß nach Norden und
gelangt schicksalsgemäß südwärts an.
So wird man begreifen: „Casanovas Heimkehr“ ist
die Arbeit eines Schriftstellers, der einen Dichter vertrat.
Dem Dichter Schnitzler benahm diese Zeit mit ihrem
wilden Ungestüm und ihrer naturgewollten Sinnlosigkeit
wohl den Atem; da er dennoch nicht ganz feiern wollte,
baute er sich auf „objektivem“ Boden an; und dem
Schriftsteller in sich die bürgerliche Beschäftigung der
sehr geübten Hände gönnend, sah er unberührt zu, wie
„Casanovas Heimkehr“ entstand.
Für uns nur Grund zu danken, denn diese Novelle
ist wirklich ganz ungewöhnlich gut erzählt. Es ist in
letzter Zeit aber etwas häufig vorgefallen, daß man den
Dichter Schnitzler suchte und seinen Stellvertreter fand.
Berlin
Ernst Heilborn
Cat.„ „ t