I, Erzählende Schriften 30, Casanovas Heimfahrt, Seite 17

Casanovas Heimfahrt
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30.
Cus einran
, Duele finden statt. Der Mercaite dei
—.—
tul Keehleire... — — — —
segreti aber lächelt nur geheimnisvoll, bis auch
Expressionismus und den Kunstformen der deut¬
seine Stunde schlägt. Diese indiskrete Chronik hat
schen Literatur reden, wo es zu erkennen gilt, daß
nämlich ein Priester geschrieben, der vieles wissen
der deutsche Zusammenbruch sich schon längst in
konnte; nicht durch des Priesters Willen, karn sie
dem die Macht besitzenden Teil der deutschen. Li¬
durch seltsame Umstände in des Krämers Hand.
teratur angekündigt hat. Es ist eine Literatur des
Es ist klar, daß die ganze Stadt einhellig des Krä¬
Zusammenbruchs: eine düstere und traurige und
F
Sinnlichkelt. Er vergnügt sich mit einem
mers Geheimnis zu ergründen strebt. Vom Tage,
nicht sehr würdevolle Literatur.
schönen Mädchen, Prinzessin oder Modistin,
da das Geheimnis offen liegt, ist auch seine Rille
„Der Geheimniskrämer“ von Raoul
ausgespielt. Der Furchtbare ist gestürzt. Auera¬
u
und denkt zugleich an seine Schrift, die
Auernheimer.
heimer hat der Geschichte dieses boshaften, bitte¬
Voltaire vernichten soll.
ren Menschen alle disponibeln Humore aufgesetzt.
Auernheimer hat vor Jahren eine Novelle
Durch Schnitzlers Buch geht der Atem
Hätte er an der peinlichen Chronik nicht auch dan
„Laurenz Hallers Praterfahrt“ geschrieben, die
der Dichtung. Ein lebendiger Geist und ein
Menschliche teil haben lassen und vieles mit scho
vielleicht die sinnfälligste Charakterstudie des Wie¬
K
empfindender Mensch hat es geschrieben.
nender Diskretion erzählt, so würde die Novelle
nertums ist: Ein kleines Kunstwerk. Man wundert
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Man fühlt, die Wehmut eigener Erkenntnis
nicht als ein Teil der ewiggleichen Komödie des
sich eigentlich, daß dieser sorgfältige und geschmack¬
hat es zu schreiben mitgeholfen. Marcolina
Lebens wirken. In Anmut erzählen, mit heiterer
volle Novellist nicht bekannter ist. Er erzählt leb¬
Stirne — und wie die alten Italiener — lächelnd,
ist seltsam liebesfähig und liebenswert.
hafter, auch routinierter als die meisten seiner
dies wollte Auernheimer, nicht mehr. Aber es ist
C
Trotz ihrer stark betonten Beschäftigung
Kollegen; wenige dürften wie er so ausdauernd
genug.
am französischen Roman alles Lernbare gelernt
mit Wissenschaften, Mathematik und Phi¬
Die Novelle ist bei S. Fischer (Berlin) er¬
und dem eigenen dienstbar gemacht haben. Seine
losophie, ist sie weiß und leicht — schön.
schienen.
neue Novelle erfüllt das novellistische Gesetz ge¬
Und dieses Bild ist das Hauptverdienst die¬
„Casanovas Heimfahrt“ von Arthür
radezu in erstaunlicher Weise. Sie hat nämlich
ses Buches. Trotzdem wir uns den Stoff
einen „Falken“, an dem nicht nur Heyse, sondern
vollkommen assimiliert haben, ist das
auch Keller seine Freude hätte. Der Geheimnis¬
Gie lscheenen.
Kunstwerk noch immer virulent, der for¬
krämer bringt eine ganze Kleinstadt in namenlose
jahre, als Casanova längst nicht mehr von der
male Ausdruck von tiefer Kraft, dem In¬
Pein, indem er auf den Papieren, aus denen der
Abenteuerlust der Jugend, sondern von der Ruhe¬
haltsadäquat. Casanova kehrt als seltsamer
Krämer seine Düten dreht, das Sündenregister der
losigkeit des nahenden Alters durch die Welt ge¬
ganzen Stadt aufwirbelt. Es ist, als ob der Mann jagt wurde,“ packte ihn so heftig das Heimweh
Greis, fast immer Greis nur im Spiegel, nach
Venedig zurück. Vor seiner Heimfahrt, auf

dem Gute seines Freundes, dessen Gattin
und Tochter er besessen hat, bei Mantua
liebt er als Mann zum letzten Male. Was
kommen wird, ist Greisenliebe. Er fühlt
sich noch als Jüngling, da er Marcolina um¬
armen will. Ebenbürtig fühlt er sich seinem
Nebenbuhler und Ebenbilde von dreißig
Jahren vorher: Lorenzi. Und wundervoll
ist die Szene in Marcolinens Zimmer, da
er, an ihrer Brust eingeschlafen, sein Leben
träumt, erwachend, den Zug des Ekels in
ihren Zügen sieht und nun weiß, daß er
Leben nur noch träumen kann, weil es vor¬
über ist. Im letzten Aufflackern seiner Kraft,


nackt und schlank, ersticht er im Duell im
morgendlichen Garten Lorenzi.
e#von Edgar Allan Poe neikommneenen
„Casanovas Heimfahrt“! Ist es nicht
von Schnitzlers „Dämmerseelen“. On est
Schnitzlers Heimfahrt auch? Hätte es nicht
toujours le fils de quelqu' un. Dieser aber
Wedekinds Heimfahrt, Strindbergs Geburt
bridgt ein höchst orginelles Temperament
werden können?
it, eine ungewöhnliche Darstellungskraft
Dieses Buch ist schön und tief, duftig und
und ein starkes menschliches Mitleid für
stark; es klingt wie ein Scherzo und ist ein
unglückliche Durchschnittsmenschen, die
Andante.
durch ein unbegreifliches Schicksal, dem sie
Ein Dichter hat es geschrieben.
auf phantastische Art verfallen, durchrüttelt
Hans Gerhard Schoflz.
und vernichtet werden. Dies Buch ist mehr
als nur eine Talentprobe.
DAS „LANDHAUS“ UND SEINE
Anspruchsvoller gibt sich schon Martin
BUCHER.
Mitten im Kriege hat die feine Hand einer Roehl in seinem Novellenband: „Das
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