I, Erzählende Schriften 30, Casanovas Heimfahrt, Seite 19

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30. Casanovas Heimfahrt

HeTmral
das Wort, das ihm von allen das furchtbarfte ist, da es sein; So ist zugleich die
es selbst nicht mehr genau — Amalien eines Morgens in
endgültiges Urteil spricht: Alter Mann.“
einer Kirche erblickte. Nun aber begegnet der alternde Aben¬
Nicht ein Abenteuer unte
Diese Handlung wird in einer ungemein edlen Sprache
teurer im Landhause Olivos dessen Nichte, der ebenso
erzählen, nicht eine #
vorgetragen, die niemals ihre schöne Gelassenheit unterbricht,
liebenswürdigen wie gelehrten Marcolina. Und an diesem
Casanova selbst gleich schin
sondern das leidenschaftliche Geschehen sanft verklingen läßt
höchst anmutigen Geschöpf wird zum ersteumal die erfahrene
reiht, sondern ein seelische
wie ferne Glocken in der Abendröte. Freilich ist uns dieser
Kunst des Abenteurers zuschanden. Das blendende Feuer¬
ins allgemein Menschliche
alternde Casanova — ein Casanova, der die eigene innere
werk seiner Verführung, das er vor ihr verpufft — zischende
wird das schöne Wort i
Zerfallenheit durchschaut und vor ihr erschrickt — zuerst
Raketen und ganze Sonnen von bengalischem Licht — hat
Maler, dessen Meisterschaft
ein wenig fremd. Man kann sich ihn nun einmal nicht
über ihre lächelnde Unbefangenheit keinerlei Macht. Hier
Vorwurf auf die Leinwan#
anders als siegreich denken. Der Prinz von Ligne, der ihm
offenbart sich ihm eine so durchaus weibliche Geistigkeit, die
müsse der Künstler durch
doch um Jahrzehnte später begegnete, fand ihn keineswegs
nicht nur in Wortgefechten aller Art zu bestehen vermag,
aus dem Bilde zu uns an
nicht abgeklärt oder abgefunden. „Es wäre noch immer ein
sondern auch die Werbung Casanovas, die allen anderen
wir in „Casanovas Heimf
sehr schöner Mann,“ so lautet sein Urteil — „wenn er nicht
Frauen wohl gemäß sein mochte, recht plump, beinahe ein¬
sonderen dichterischen We
häßlich wäre. Er ist groß, wie ein Herkules gebaut, und
fältig erscheinen läßt. Zur Vollendung seiner Qual muß
höchst persönliches Eige
seine Ausdrucksweise hat etwas vom schwerfälligen Harlekin
Casanova überdies mit dem Spürsinn des Eifersüchtigen
Casanovas, wie es uns
und vom Figaro; dadurch wirkt er sehr scherzhaft.“ Artur
schnell dahinter kommen, daß Marcolina keineswegs allen
süßen, kummervollen Sch
Schnitzler zeigt uns Casanova als eine tragische Figur.
Liebeswerbungen unzugänglich ist, sondern daß sie mit jener
sind hier die Tränen sehr
Mitten durch den edlen Vortrag des Dichters hört man
bezaubernden Leidenschaftlichkeit, die sonst ihm die Frauen
Unbedenklichkeit ein klug
freilich bisweilen den Abenteurer selbst die wunderbaren Er¬
in die Arme trieb, sich dem Leutnant Lorenzi ergeben hat,
Lebens: Herbstabend voll
lebnisse seiner Jugend mit welscher Lebhaftigkeit durch¬
einem Taugenichts ohne jeden moralischen Halt, doch so
guten Olivo ist voll mit
einandersprudeln: von der seltsamen Unbekannten, die
vortrefflich in seinen äußeren Gaben, wie Casanova es nur
Casanova steht vor uns,
wochenlang mit ihm als Offizier verkleidet herumgereist
je selbst in seiner Jugend war. Ein Zufall fügt es nun,
Seine Karten sind aufgedec
und eines Morgens plötzlich von seiner Seite verschwunden
daß der Leutnant Lorenzi durch einen nicht ganz sauberen
arm, so ausgeplündert vor
Geldhandel dem Abenteurer auf Gnade und Ungnade ver¬
war; von der lieblich unschuldigen Manon Balletti, der
unendlich Rührendes. Ger
fallen ist, und Casanova gerät auf die teuflische Eingebung,
einzigen, die er beinahe geheiraret hätte, von jener schlechten
sals läßt die leichte Handl
Lorenzi nur unter der Bedingung aus der Schlinge zu lassen,
Sängerin in Warschau, die er ausgepfiffen, worauf er sich
wenn Casanova nach seinen
daß er ihm für eine Nacht den Weg in das Gemach Marco¬
mit ihrem Geliebten, dem Krongeneral Branitzky, hatte
endlich das heißgeliebte
linas freigebe. Der schimpfliche Betrug gelingt; den blauen
duellieren und aus Warschau fliehen müssen; von der bösen
seiner Jugend, und es ist
Reitermantel Lorenzis um die Schultern geschlungen,
Charpillon, die ihn in London so jämmerlich zum Narren
worden als einst, kalt un
schleicht sich Casanova in die Umarmung der geliebten Frau.
gehalten; von einer nächtlichen Sturmfahrt durch die
Erleben verschwistern sich.
Was er aber beim ersten Morgengrauen in Murcolinas ent¬
Aber auch
Lagunen, die ihm fast das Leben gekostet.
unter die Bleidächer ein,
setztem Blick lesen muß, ist nicht, „was er tausendmal lieber
alles, was er selbst erzählt, brivat er hier ohne jede Zwei¬
die Freiheit. Gebeugt und
darin gelesen: Dieb — Wüstling — Schurke —; er liest
deutigkeit vor, so daß man eher den Bericht „eines gefühl¬
nun selbst klägliche Späh
nur dies eine —, das ihn schmachvoller zu Boden schlägt als
vollen Narren der Liebe, als den eines gefährlich wilden
itten — ##
ulle anderen Beschimpfungen vermocht häu# Verführers und Abenteurers zu hören vermeint“.verdienen, das bittere V##