I, Erzählende Schriften 30, Casanovas Heimfahrt, Seite 52

asanovas Heimfahrt
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Rundschau.
stattung werden uns hier unaufdringlich und
gehabt, ein konservatives Blatt mit einer
doch sprechend die zahlreichen geistigen Ge¬
reien Sprache zu führen“.“ Seine Beschäf¬
meinsamkeiten zwischen dem deutschen Öster¬
tigung mit der Presse reicht schon in die
reich und der Schweiz aufgedeckt. Der
Tage zurück, als er noch Gesandter in Berlin
Schweizer Dichter Robert Faesi spricht in
war. Schon damals hatte er auf die Not¬
eindringender Analyse über Rainer Maria
wendigkeit eines gut redigierten Blattes hin¬
Rilke, der Schweizer Literarhistoriker Jonas
gewiesen und auch später — es war im
Fränkel über J. V. Widmann, in dessen
Jahre 1811 — meinte er, ein gut geschrie¬
Adern ja das leichtere Blut wienerischer
benes Zeitungsblatt se' unstreitig das ein¬
Eltern floß. Aber auch des spezifisch Öster¬
fachste Organ, durch welches die öffentliche
reichischen ist genug in dem schmucken Büch¬
Verwaltung es vermöge, die Nationalbildung
lein, das eine gute Übersicht über die Ziele
zu heben, eingewurzelte Vorurteile zu ver¬
des jungen Verlages bietet; vor allem Her¬
nichten, irrige Volksbegriffe zu berichtigen,
mann Bahrs neueste „Entdeckung": Adalbert
und unvermerkt, selbst ohne den geringsten
Stifter, auf die wir uns nach der Kostprobe
Anschein von Planmäßigkeit, auf die Ge¬
ebenso freuen wie auf das Burgtheaterbuch
müter des Volkes zu wirken, dieses für
der verehrten Wilbrandt=Baudius, das eben¬
seine Zwecke empfänglich zu machen. Bis
falls im Amalthea=Veriag erscheinen wird.
ungefähr 1815 zeigte Metternich ein gewisses
Dieselbe völkerverbindende Mission er¬
Wohlwollen der Presse gegenüber; er wies
füllt in Zürich das Verlagshaus Rascher,
wiederholt auf die Notwendigkeit hin, die
das die wahrhaft befreiende Tat der „Euro¬
inländischen Blätter zu verbessern, fähige
päischen Bücher“ uns schon während des
und verständige Männer zur Redaktion auf¬
Krieges geschenkt hat. In diesen „Euro¬
zufinden, sie durch Aussicht auf Ehre und
päischen Büchern“ ist des deutschen Dichters
Gewinn anzulocken,## einem Worte, eine
Leonhard Frank bereite weltberühmter No¬
Reform des österreichischen Zeitungswesens
vellenound: „Der Mensch ist gut“ erschienen,
anzubahnen, die sich nicht nur auf den Inhalt,
der den Schluß unserer Betrachtung bilden
sondern auch auf den Stil erstrecken sollte;
soll, da ich kaum ein Werk wüßte, das man
er wußte auch den keineswegs preßfreund¬
nach der Lektüre dieses erschütternden Buches
lichen Kaiser Franz, der vor dem gedruckten
noch zur Hand nehmen könnte. Was Henri
Wort stets eine Abscheu empfand, zu be¬
Barbusse für Frankreich, ist Leonhard Frank
wegen, den Leiter der Zensurstelle zu beauf¬
für Deutschland: der Gestalter des pazifisti¬
tragen, er möge erwägen, wie die inländischen
schen und demokratischen Gedankens, den er
Zeitungen auf einen höheren Grad der Voll¬
aus den verzweifelnden Seelen der Väter,
kommenheit zu bringen und dergestalt zu
Mütter, Witwen, Bräute zu unerhört plasti¬
heben seien, daß einerseits im Geiste der
schem Leben erweckt. Die Technik dieses
Regierung gewirkt, anderseits das Bedürf¬
epischen Geschehens wiederholt sich regel¬
nis verschiedener Stände befriedigt werde.
mäßig: ein einzelner entfacht die Masse,
Selbst die Zensur Hofstelle hatte in der ersten
und dann erhebt sich ein wahrhafter Kreuzzug
Zeit des neunzehnten Jahrhunderts wieder¬
der Idee, ein dithyrambischer Hymnus und
holt darauf hingewiesen, daß die öffentliche
über die ganze Erde hallender Protest gegen
Meinung des Auslandes wie des Inlandes
das entsetzliche Geschehen des Krieges. Das
in bezug auf Staatsverwaltung, Kultur und
stolze Wort „Der Mensch ist gut“ — ein
Literatur der Monarchie immer zweideutiger
Trotzwort gegen die imperialistischen Macht¬
werde. Die Ausfälle in den ausländischen
haber aller Nationen — schwebt als Motto
Blättern brachten damals diese Behörde zu
unsichtbar über den fürchterlichen Ereignissen,
dem Entschlusse, selbst ein Organ zu gründen,
die zu erschütternd sind, um kalten Blutes
mitzder Aufgabe, nicht nur die Anschuldigungen
nacherzählt zu werden. Sie haben Tausende
zufentkräften, sondern auch die österreichischen
von Lesern aus der stumpfen Gleichgültig¬
Staatsangehörigen über die Staatseinrich¬
keit in eisigem Erschrecken emporgejagt und
ungen aufzuklären, die Vaterlandsliebe
werden ein dauerndes Dokument des großen
durch Vaterlandskunde zu fördern. Diesem
Weltunglücks sein. Dr. Max Pirker.
Grundsatze gemäß entstanden 1808 die
„Vaterländischen Blätter“ deren Redaktion
Eine literarische Gründung Metter¬
dem Hoffekretär Armbruster übertragen
nichs.
wurde, der schon als vorderösterreichischer
„Ich selbst“ — bemerkte einmal Fürst
Polizeibeamter befriedigende Proben seiner
Metternich — „habe wohl zwanzigmal ge¬
publizistischen Fähigkeit gegeben hatte. Nach
sagt: „Wäre ich nicht im Kabinett, sondern
Wien übersetzt, beiraute man ihn mit dem
ausgetreten aus dem Staatsdienste, so hätte
Referate über das Zeitungswesen und ver¬
ich mich wohl geeignet und auch Lust dazu
wendete ihn al: Korrefpondenten auswär¬