I, Erzählende Schriften 29, Doktor Gräsler, Badearzt, Seite 57

Badearzt
Graesler
29. Doktor
box 4/8
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Nr. 137.
Freitag, den 16. März 1917.
Berliner Tageblatt.
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eeenoeen een enc che ehriec) Ferdise. Ohie Rentsich ulf die
eneen eene rgen e Prschn. Ae Penhutd. Pel im gleichen Ge¬
Ratzeburg, Dr. Wa
meindebezirk auch wohlhabende Leute wohnen? Oder wie denkt man
in dieser Zeit sonst doppelt gebotene Sparsamkeit auftretende
marck=Gymn
Mehr= und Neuausgaben sozialer Art.
sich die Lösung? Die östlichen Vororte haben sich gehütet, bestimmte
ministeri
Kommt die Reichskohlensteuer — und sie wird ja wohl
Vorschläge über den von ihnen gewünschten Lastenausgleich zu
kommen! — so müssen unsere Gas= und Elektrizitätswerke von der im
machen. Meine Herren, nicht auf dem Gebiete des Lastenausgleichs
Kle
liegen in erster Reihe die in Groß=Berlin sicherlich vorhandenen
Gesetzentwurf vorgesehenen Möglichkeit der Abwälzung auf die
halt
Kaise
kommunalen Schwierigkeiten, sondern auf dem Gebiete der Ver¬
Abnehmer alsbald Gebrauch machen. Die Stadt wird nach meiner
bürg
Schätzung insgesamt nicht weniger als
waltung schlechthin! Vergeblich fragt der Groß=Berliner, warum es
dem
in Groß=Berlin
6½ Millionen Mark Kohlensteuer
ge
P90
Dutzende von prunkhaften Rathäusern
an das Reich abzuführen haben, eine Summe, die einen
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mit zugehörigen ungeheuren Beamtenapparaten gibt, die in zahl¬
großen Teil unserer Werksüberschüsse überhaupt verschlingen
Krie
losen Streitigkeiten und Prozessen gegeneinanderarbeiten. Warum
würde, wollten wir sie aus eigener Tasche decken. Die Einnahmen der
Am 27
werden in der einen Gemeinde diese, in der anderen jene Steuern
Gesellscha
Straßenbahnen werden nach dem Voranschlag für 1917 die Aus¬
erhoben? Warum bestehen hier private, dort kommunale Wasser=,
Roten Halbr
gaben gerade decken. Wir geben uns hiermit zufrieden. Die Stadt
Gas= und Elektrizitätswerke, Straßenbahnen usw.? Warum be¬
der musikalischen Le
Male allen Inhalts bar. Er begab sich auf die Straße, ohne
„Ah, hat sich d
zu wissen, was er mit sich anfangen, ohne zu wissen, wohin
Doktor Gräsler, Badearzt
schwer tref
er sich wenden sollte. Er haßte die Menschen, die Stadt, die
Grund
Welt, seinen Beruf, der am Ende doch zu nichts anderem gut
spri
Erzählung
gewesen war als gerade dem Geschöpf den Tod zu bringen,
Er
[29. Fortsetzung.]
von
[Nachdruck verboten.)
das bestimmt schien, seinen alternden Jahren ein letztes Glück zu
geben. Was blieb ihm nun auf Erden noch übrig? Daß er
Arthur Schnitzler.
tot,
in der Lage war, seinen Beruf hinzuwerfen, und, wenn es
hit
Gräsler beugte sich über die Kranke, streichelte ihr Wangen
ihm beliebte, nie wieder mit irgendeiem menschlichen Wesen
und Haare, küßte sie auf die Stirn, versicherte sie, daß sie in
mehr ein Wort wechseln mußte, erschien ihm der einzige Trost,
ebe
ein paar Tagen wieder gesund sein werde und daß sie dann
der einzige Gewinn seines Daseins. Die Straßen waren
drü
gleich zu ihm zurück müsse; daß er sie überhaupt nie wieder
feucht, auf den Wiesen des Stadtgartens, in dem er sich wie zu¬
und
von sich fortlassen und überallhin mitnehmen werde, wo sein
fällig sand, lag ein weißlicher Nebel. Er sah zum Himmel auf,
seit
Schicksal ihn hinführe; daß es ihn ja mit aller Macht wieder
an dem zerrissene Wolken trieben. Er fühlte sich müde werden,
wa
hergetrieben habe und daß sie sein Kind sei und seine Geliebte
nicht nur von dem ziellosen Hin und Her, sondern auch von
und seine Frau, und daß er sie liebe, liebe, wie noch nie ein
seiner eigenen Gesellschaft, die ihm mit einem Male unerträg¬
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Wesen geliebt worden sei. Aber während er sie noch befriedigt
lich wurde. Ganz unmöglich erschien es ihm, nach Hause zu
sic
lächeln sah, merkte er schon, daß alle seine Worte den Weg ins
gehen, und in den Räumen, wo er mit Katharina zlücklich
es
Tiefste ihrer Seele nicht mehr fanden, daß sie nur mehr als
gewesen, eine hoffnungslose einsame Nacht zu verbringen. Er
schwankende Schatten erfaßte, was ringsum sich bewegte, daß
ertrug es nicht, sich immer wieder mit den gleichen durftigen
sd
er am Beginn von Tagen stand, in denen jede Stunde erfüllt
Worten sein Schicksal vorzuerzählen, ohne daß von irgendwoher
sto
rlach
sein sollte von der grauenhaften Angst um etwas Geliebtes,
Antwort, Trost und Teilnahme kam, und ward sich der Not¬
schi
das einem unsichtbar nahenden Feind verfallen ist; und daß
wendigkeit bewußt, wenn er nicht im Freien zu schluchzen, zu
„Du bi
chuld
er sich zu einem verzweifelten Ringen rüsten mußte, —
das er
schreien, dem Himmel zu fluchen anfangen wollte, noch in dieser
Kopf, stand wieder
doch schon in diesem Augenblick als nutzlos erkannte.
Stunde einen Menschen aufzusuchen, dem er sich mitteilen
den Armen wie ve
konnte. Da sein alter Freund Böhlinger der einzige war, der
linger lehnte sich zu
XVII.
hierfür in Betracht kam, so machte er sich auf den Weg zu ihm.
wär's,“ sagte er,
Nach drei Tagen und drei Nächten, die Gräsler beinahe un¬
Er hatte Angst ihn nicht zu Hause anzutreffen, doch war das
vielleicht ein wenig
unterbrochen am Bett der Kranken wachte, ohne daß sie noch
Glück ihm günstig, und der Rechtsanwalt saß, als Gräsler bei
Und Dr. Gräsl
einmal zu völligem Bewußtsein gekommen wäre, an einem
ihm eintrat, vor seinem aktenbedeckten Schreibtisch, im tür¬
fließender, wenn al
trüben Novemberabend schwand ihre fiebernde Seele dahin,
kischen Schlafrock, von Rauchqualm umgeben.
Monate zu erzähle
und nach weiteren zwei Tagen, in denen Gräsler durch die
er stehen, in einer
„Du bist schon wieder hier?“ empfing er ihn. „Was gibt's
Ordnung all der traurigen Geschäfte, die sich an das Unglück
gelehnt; er erzählte
denn? Eine ungewohnte Stunde. Er blickte auf die Wand¬
anschlossen, vollauf in Anspruch genommen war, wurde sie
uhr, die zehn Uhr wies.
sprach er; von seins
begraben. Gräsler ging hinter dem Sarg her, ohne mehr als
neuen Jugend: —
„Entschuldige,“ sagte Gräsler heiser, „ich störe dich hoffent¬
das Notwendige mit ihren Verwandten zu sprechen, die ihm in
wie sie am Ende
lich nicht.“
„Was fällt dir ein? Willst du nicht Platz
all der gemeinsamen Trauer völlig fern geblieben waren. Er
hatte er die Empfil
nehmen? Eine Zigarre gefällig?“
stand starr am Grabe, als der Sarg versenkt wurde, und dann,
Sabine, und er wä
ohne sich von den andern nur zu verabschieden, verließ er den
„Danke,“ sagte Gräsler, „ich kann jetzt nicht rauchen. Ich
weilen warf Böhl
Friedhof und fuhr in seine Woynung. Bis zum Abend lag er
habe nämlich noch nicht zu Nacht gegessen.“ Böhlinger be¬
Frage dazwischen.
auf dem Diwan seines Arbeitszimmers in dumpfem Schlaf.
trachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen. „So, so, sagte
in ihrem Zusamme
Es war dunkel, als er sich erhob. Er war allein, so allein,
er, „es handelt sich wohl um eine wichtige Sache. Nun, wie
an ihn mit den Wi
dachte er, wie er es noch nie gewesen, nicht nach seiner Eltern,
steht es denn mit dem Sanatorium?“
zurückgekommen mn
nicht nach seiner Schwester Tod. Sein Leben war mit einem
„Mit dem Sanatorium ist es nichts.“