I, Erzählende Schriften 29, Doktor Gräsler, Badearzt, Seite 73

Badearzt
raesler
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29. Doktor
GS CATEE
Fazer Tagesp#nt
6-50118 Graz, Steierman
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1
Von ganz anderer Art wie die beide
Ein Buch, das schon deshalb wunderbar klar gebaut
Neue österreichische Erzähler.
ten Bücher ist Franz Nabls neueste
erscheint, weil es die ungleich strengeren musikalischen
Grab des Lebendigen“. Der
Kritisch betrachtet von Dr. Otto Hödel.
Kompositionsgesetze zur Norm der dichterischen Kom¬
sich mit seinem Roman „Odhof“ mit
position gemacht hat. Es ist dies in der Literatur
I. Friedensromane.
in die erste Reihe österreichischer Erzähl
gewiß ein erster Versuch, originell und fesselnd, deshalb
Doktor Gracsler, Badearzt, Erzählung von
Arthur Schnitzler (S. Fischer, Berlin.) — Sonn¬
nennt seine jüngste Schöpfung „eine #
natürlich zur Nachahmung kaum zu empfehlen. Die
wend des Glücks, die Symphonie eines Lebens, Roman
kleinbürgerlichen Leben“. Dies ist ein
vier Abschnitte des Werkes heißen entsprechend den vier
von Zdenko von Kraft (Bong u. Cie., Berlin). — Das
künstlerischen Feingefühls, denn die A##
Sätzen einer Symphonie Allegro (Buch der Kindheit),
Grab
Lebendigen, Studie aus dem klein¬
mit der Nabl an seinen Stoff herang
Adagio (Buch des Leides), Scherzo (Buch der Reise)
bürgerlichen Leben von Franz Nabl (Egon Fleischel u. Co.,
Berlin).
durchaus eigen und hat mit den landl
und Final (Buch der Weisheit). Die Gestalten des
dichterischer Erzählungskunst fast nichts
Der alte Satz, daß der Waffenlärm die Musen
Buches sind vier Musiker in verschiedenen Lebensberufen,
Buch ist alles eher denn eine Unterhalt
die sich zu gemeinsamen Quartettabenden zusammen¬
schweigen heiße, hat seine Gültigkeit verloren. Je an¬
seine einzelnen Abschnitte gleichen in
finden; ihre Schicksale, die ihrer Kinder und Enkel,
haltender und grausiger der Weltkrieg tobt, desto kräftiger
lichen Folgerichtigkeit eher einem strafrich
wachsen ineinander wie die Themen einer Symphonie,
und üppiger gedeiht die Blume Poesie. Eine stattliche
bündel, als einem Romankapitel. De
erfahren ihre Modulation, Umkehrung, Umrankung und
Reihe österreichischer Erzähler ist jüngst wieder mit Neu¬
seine Personen nicht handeln, er erzähl
sie verschwinden, wenn sie ihre Pflicht erfüllt haben —
erscheinungen friedlichen und kriegerischen Inhaltes auf
besser ausgedrückt — berichtet von ihr
der Tod löscht allen den Schlag des Herzens. Dieses
den Plan getreien. Artur Schnitzler schenkt seinen
und legt deren Motive und damit den
Sterben an Herzschlag bei allen Handelnden, mag wie
Freunden mit seinem letzten Werke Doktor
Handelnden mit jener überzeugend schau
manch andere Duplizität des Geschehens dichterisch etwas
Gracsler, Bad earzt, eine Erzählung, die einer¬
klar, die wir an Schnitzlers Buch ver
drückend empfunden werden, musikalisch jedoch sind Wie¬
seits die charakteristischen Merkmale seines Schaffens,
Krafts Buch sogar als störend emp
derholungen von Themen gestatter. Der Hauptheld,
die weiche Erotik und den melancholischen Unterton,
Das Grab des Lebendigen ist die Fam
dessen Hauptthema eine gesunde Lebensphilosophie ist,
die greifbar plastische Milieuschilderung und zarte
verstorbenen Beamten, in der die ältestel
die ihn mit Gott, Mensch und Natur gut verkehren
Stimmungsmalerei nicht vermissen läßt, anderseits
häßliche Tochter die Herrschaft über M
läßt, wird in diesem symphonischen Buche von der
manchen Schnitzlerschen Feinheiten (der überzeugend
schwister erlangt und alle durch fortgese
Wiege bis zum Grabe geleitet, und wir leben dieses
scharfen Pstchologie der Handelnden, der Einheitlichkeit
verletzende Sticheleien zwingt, jeden B#
Leben, das sich in der gottgesegneten Wachau zwischen
und Folgerichtigkeit der dichterischen Komposition und
Dürrenstein und Krems abspielt, dank der prächtigen
Außenwelt zu vermeiden und nur sich
nicht zuletzt der Tiefe des Problemes) fast völlig ent¬
Das treibende Motiv dieser Handlung
Schilderungskunst Krafts mit tiesem Mitgefühl selbst.
behrt. Die ganze Erzählnig ist nach dem Ge¬
Das Buch ist eine Symphonie, eine österreichische Sym¬
etwa Neid und Mißgunst, sondern die
setze der Rahmentechnik gearbeitet. Das mag manchem
werdende, dem Mädchen ganz unbewußte,
phonic, eine Bruckner=Symphonie, wie diese breit bis
Leser das Gefühl der Befriedigung erwecken, aber ob
angehauchte Liebe zu dem eigenen Broder
zum Überschwang, farbig bis zum Makartblütenstrauß,
damit eben ein künstlerisches Problem seine Lösung
heiter wie Österreichs blauer Himmel, aber gedämpft
lichen, verkrüppelten Menschen. Die Di
gefunden habe, ist eine Frage, die man verneinen muß.
Themas und die notwendigerweise alle
im Schmerz, der nie zur heroischen Geste wird, von
Derlei ungelöste Fragen gibt es in dem jüngsten
einer glänzenden Kontrapunktik philosophischer Gedanken
same Lösung des Provlems zeigen Nabl
Roman Zdenko von Krafts nicht, Dieser Dichter hat
starkes Talent. Beeinträchtigend wirkt ei
(gottlos und doch fromm=gläubig), von süßer Lyrik
mit seinem Erstlingswerk „Adagio consolante“ und
der Lebensmelodie erfüllt. Die Sprache Krafts ist eben¬
schweifigkeit in der Einzelmalerei, si
seinem tiefen Bekenntnisbuch „Der Kreuzweg nach Bay¬
trotz der augenscheinlichen und =schödliche
falls Musik, und eben weil sie so schön ist, fällt der
reuth“ bereits ein starkes Credo an die Musik gesprochen
nis des Verlegers, die die Lektüre zu kei
Gebrauch von zwecklosen Fremdwörtern gelegentlich
und krönt es nun, nachdem er kürzlich einen nicht
doppelt störend auf, was angemerkt werden muß, ohne gestaltet, dennoch auf 576 stattliche eng
gelungenen Ausflug ins Kriegsgebiet mit einem Helgo¬
länderroman gemacht hat, mit der zweibändigen „Sym= in den Geruch eines läppischen Fremdwörterstechers von angewachsen ist.
phonie eines Lebens“ Sonnwend des Glücks. der Art eines Eduard Engel kommen zu wollen.
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