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Badearzt
P
29. Doktor Graes1
a0 San a Seei Baanarer
—
—deh
unnSatal
angeregte Volksproblem wird einfach beiseite geschoben, und
I wir haben nur noch die Erlebnisse einer Schützenabteilung vor
uns. die ganz episodisch ausklingen. Ein beachtenswertes Talent
hat sich im künstlerischen Aufbau seines Werkes vergriffen.
Im Verlage von S. Fischer in Berlin ist endlich-eine neue Er¬
zählung von Artur Schnitzla#erschienen, Doktor Gräsler,
Badearzt. Mit-leieht#atOffesiede Stilkünstelei, aber mit
wohlbedachter Kunst des Klaren und Einfachen wird uns von
einem reifen Manne erzählt, der, des Junggesellenlebens satt,
sich etwas verspätet nach richtiger Liebe sehnt. Zunächst
verletzt er ein liebenswürdiges Mädchen durch sein scheues
Zögern und. da er sich endlich äußert, stößt ihn die Beleidigte
zurück. Er tröstet sich mit der leichtfertigen Tochter eines
Unterbeamten. Der Zufall fügt es, daß er ein scharlachkrankes
Kind im selben Haus behandelt. Er bringt die Ansteckung zur
Geliebten, und diese stirbt. Schließlich heiratet er die hübsche
und, wie angedeutet wird, auch sehr leicht geartete Mutter des
geretfeten Kindes. Man genießt die Erzählungskunst Schnitzlers,
die in ihrer mühelos anschaulichen, leichten Natürlichkeit der
Lebensbile“ an Heyses plaudernde Grazie erinnert, mit be¬
sonderm Behagen, wenn man an manche gequälte Künsteleien
neuester Mode denkt, bleibt aber am Schluß verstimmt. Es
ist vielleicht eine ironische Spitze beabsichtigt, aber sie ist
dann zu matt herausgearbeitet und so werden die meisten
Leser in der Hauptfigur nur einen sehr oberflächlichen Dutzend¬
menschen sehen, dessen Gebahren nach keiner Richtung Be¬
merkenswertes bietet. Der Inhalt der Erzählung steht in
keinem richtigen Verhältnis zum künstlerischen Aufwand der
Form.
K. v. Perfall.
W
6-OKT191“
Die Zeit, Wien
Weemsiugung de. ###e.
—
I nicht wieder an Bord zurückgekommen war:
findet gereizt und empfindlich zu viel Obwohl
dann die Advokatentochter aus Nancy, mit der
in dem Brief. Wer ihn mißtrauisc) studiert,
Senilaien.
er sich in Saint=Blasien verlobt hatte, die dann
kann wohl zur Not herauslesen, daß d
plötzlich mit ihren Eltern nach Frankreich zurück¬
Schreiberin den Dr. Gräsler lieb hat, obwohl
Artur Schnitzlers neues Buch.
reisen mußte und ihm die Nachricht von ihrer
er ein Pedant ist, eitel, kühl, unentschlossen —
„Dr. Prlier. Bedanrnt. Es wird im Titel
Ankunft sowie jede andere bis zum heutigen
steht das alles eigentlich für: alternd?
der Erzählung der Name eines Maines ge¬
Tage schuldig geblieben war. Irgendwie hatten
Dr. Gräsler, Badearzt, blickt in ein gesundes,
nannt und sein Beruf. Der Arzt Schnitzler
ihm diese Frauen etwas Unerklärliches angetan
tätiges, glückliches Leben — und zögert.E
erzählt uns gern von Aerzten; diesmal hat er
— nun die Schwester Friederite. Später findet
ist, als triebe ihn irgend etwas Unbestimmtes
sich einen Spezialfall ausgesucht, den Badearzt.
er ihre Korrespondenz und sieht voll Staunen,
doch wieder der Wintersaison in Lazarote ent¬
Diesen Doktor Gräsler lernen wir auf der ersten
daß die alte Jungfer ein aufregendes und von
gegen. Er schreibt Sabine einen liebenswürdig
Seite kennen, als er am Strand der fashionablen
Schuld nicht freies Liebesleben geführt hat;
aufschiebenden Brief, fährt in Erbschafts¬
Südlandsinsel Lazarote das Schiff besteigt, die
und der Blinde hatte nichts geahnt. Jetzt steht
##egenheiten rasch in seine Geburtsstadt —
Wintersaison ist zu Ende, man schließt die Kur¬
Dr. Gräsler, Badearzt, da, ohne Heim, ohne
so wie die brafilianische Ingenieurswitwe einst
anstalt, Herr Doktor Gräsler muß nach Thü¬
einen fest verwurzelten Beruf, abgewirtschaftet.
plötzlich abgereist ist und die Notarstochter aus
ringen reisen, zur Sommersaison. Es ist — ein
Es beginnt die Sommersaison in dem hügel¬
Nancy.
bißchen merkwürdig für einen Mann, dieses
waldumgebenen deutschen Badestädtchen. Da
Natürlich muß er sich an ein anderes weib¬
Pendeln von Wintersaison zu Sommersaison,
lernt Dr. Gräsler in einem idyllischen Forst¬
liches Wesen anlehnen. Er findet ein süßes
von Kurhotel zu Kurhotel. Eine Sache für
haus die Tochter einer Patientin kennen —
Mädel; ein typisches süßes Mädel, wie von
Junggesellen. Dr. Gräsler ist Junggesell, ist
das ist so recht eine Fran für ihn, ein gereiftes,
Artur Schnitzler. Er spricht sie, selbstverständlich,
bisher von einer Schwester betreut worden; sie
edles, schönes Mäochen tüchtig ist sie auch, von
auf der Plattform eines Tramwaylbagens an.
hat sich gegen Ende der Wintersaison in dem
der Krankenpfiege sogar versteht sie etwas,
Er wird sie, selbstverständlich, vernichten. Sie ist
bescheidenen hellen Häuschen in der Nachbar¬
wenn Dr. Gräsler sich entschließen kann,
süß und hingebend, Katharina aus dem Hand¬
schaft des Hotels sanft erhängt. Es ist — rück¬
Wintersaison Wintersaison und Lazarote Laza¬
schuhladen. Nicht das schlechteste Käthchen,
sichtslos von einer Schwester, einen leise altern¬
rote sein zu lassen, und wenn er das verwahr¬
könnte trotz allen hohen Sabinen einen Mann
den Bruder plötzlich mit allerlei Wirtschafts¬
loste Sanatorium hier im Ort neu ausbauen
glücklich machen. Ach, er gleitet sanft und sanft
sorgen in der Welt allein zu lassen; aber so
lassen will — Sabinens Vuter wird sich gern
tiefer hinab längs der weiblichen Skala. Da
sind die Weiber. Dr. Gräsler ist vordem als
finanziell beteiligen. Will diese wunderbare
ist unten im ersten Stock eine hübsche Witwe
Schiffsarzt weit herumgekommen und wird
Sabine denn den alternden Arzt? Ach, sie
Sommer, von etwas zweifelhaftem Ruf. Hat ihr
später, auf Seite 28 der Erzählung, Gelegenheit
wirft sich ihm förmlich an den Hals, schreibt
kleines Mädchen ihrem Mann in die Ehe ge¬
erhalten, sich einen ganz stattlichen Katalog von
ihm unaufgefordert, daß sie gern seine Frau
bracht: er var Handlungsreisender und er¬
erlebten Frauen aufzuzählen, die Ingenieurs¬
werden will, daß sie nach mancherlei schmerz¬
freulich oft abwesend. Das kleine Mädchen
witwe aus Rio de Janciro, die den Dampfer
lichen Lebenserfahrungen ihn nun recht herzlich
kriegt den Scharlach; man ruft den Dr. Gräsler
in Lissabon verlassen hatte, angeblich, um
Dr. Gräsler,
leiden kann, obwohl —
— er kömmt; und kommt oft.
irgend etwas in der Stadt einzukausen — und
Badearzt, der wurzellose, durch Reisen und
Und auf einmal gibt sich der Sinkende einen
die trotz ihres bis Hamburg lautenden Billetts! Grand Hotels wohl etwas angefressene Mensch, Ruck. Was, Frau Sommer! Das mit Katharina
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a0 San a Seei Baanarer
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angeregte Volksproblem wird einfach beiseite geschoben, und
I wir haben nur noch die Erlebnisse einer Schützenabteilung vor
uns. die ganz episodisch ausklingen. Ein beachtenswertes Talent
hat sich im künstlerischen Aufbau seines Werkes vergriffen.
Im Verlage von S. Fischer in Berlin ist endlich-eine neue Er¬
zählung von Artur Schnitzla#erschienen, Doktor Gräsler,
Badearzt. Mit-leieht#atOffesiede Stilkünstelei, aber mit
wohlbedachter Kunst des Klaren und Einfachen wird uns von
einem reifen Manne erzählt, der, des Junggesellenlebens satt,
sich etwas verspätet nach richtiger Liebe sehnt. Zunächst
verletzt er ein liebenswürdiges Mädchen durch sein scheues
Zögern und. da er sich endlich äußert, stößt ihn die Beleidigte
zurück. Er tröstet sich mit der leichtfertigen Tochter eines
Unterbeamten. Der Zufall fügt es, daß er ein scharlachkrankes
Kind im selben Haus behandelt. Er bringt die Ansteckung zur
Geliebten, und diese stirbt. Schließlich heiratet er die hübsche
und, wie angedeutet wird, auch sehr leicht geartete Mutter des
geretfeten Kindes. Man genießt die Erzählungskunst Schnitzlers,
die in ihrer mühelos anschaulichen, leichten Natürlichkeit der
Lebensbile“ an Heyses plaudernde Grazie erinnert, mit be¬
sonderm Behagen, wenn man an manche gequälte Künsteleien
neuester Mode denkt, bleibt aber am Schluß verstimmt. Es
ist vielleicht eine ironische Spitze beabsichtigt, aber sie ist
dann zu matt herausgearbeitet und so werden die meisten
Leser in der Hauptfigur nur einen sehr oberflächlichen Dutzend¬
menschen sehen, dessen Gebahren nach keiner Richtung Be¬
merkenswertes bietet. Der Inhalt der Erzählung steht in
keinem richtigen Verhältnis zum künstlerischen Aufwand der
Form.
K. v. Perfall.
W
6-OKT191“
Die Zeit, Wien
Weemsiugung de. ###e.
—
I nicht wieder an Bord zurückgekommen war:
findet gereizt und empfindlich zu viel Obwohl
dann die Advokatentochter aus Nancy, mit der
in dem Brief. Wer ihn mißtrauisc) studiert,
Senilaien.
er sich in Saint=Blasien verlobt hatte, die dann
kann wohl zur Not herauslesen, daß d
plötzlich mit ihren Eltern nach Frankreich zurück¬
Schreiberin den Dr. Gräsler lieb hat, obwohl
Artur Schnitzlers neues Buch.
reisen mußte und ihm die Nachricht von ihrer
er ein Pedant ist, eitel, kühl, unentschlossen —
„Dr. Prlier. Bedanrnt. Es wird im Titel
Ankunft sowie jede andere bis zum heutigen
steht das alles eigentlich für: alternd?
der Erzählung der Name eines Maines ge¬
Tage schuldig geblieben war. Irgendwie hatten
Dr. Gräsler, Badearzt, blickt in ein gesundes,
nannt und sein Beruf. Der Arzt Schnitzler
ihm diese Frauen etwas Unerklärliches angetan
tätiges, glückliches Leben — und zögert.E
erzählt uns gern von Aerzten; diesmal hat er
— nun die Schwester Friederite. Später findet
ist, als triebe ihn irgend etwas Unbestimmtes
sich einen Spezialfall ausgesucht, den Badearzt.
er ihre Korrespondenz und sieht voll Staunen,
doch wieder der Wintersaison in Lazarote ent¬
Diesen Doktor Gräsler lernen wir auf der ersten
daß die alte Jungfer ein aufregendes und von
gegen. Er schreibt Sabine einen liebenswürdig
Seite kennen, als er am Strand der fashionablen
Schuld nicht freies Liebesleben geführt hat;
aufschiebenden Brief, fährt in Erbschafts¬
Südlandsinsel Lazarote das Schiff besteigt, die
und der Blinde hatte nichts geahnt. Jetzt steht
##egenheiten rasch in seine Geburtsstadt —
Wintersaison ist zu Ende, man schließt die Kur¬
Dr. Gräsler, Badearzt, da, ohne Heim, ohne
so wie die brafilianische Ingenieurswitwe einst
anstalt, Herr Doktor Gräsler muß nach Thü¬
einen fest verwurzelten Beruf, abgewirtschaftet.
plötzlich abgereist ist und die Notarstochter aus
ringen reisen, zur Sommersaison. Es ist — ein
Es beginnt die Sommersaison in dem hügel¬
Nancy.
bißchen merkwürdig für einen Mann, dieses
waldumgebenen deutschen Badestädtchen. Da
Natürlich muß er sich an ein anderes weib¬
Pendeln von Wintersaison zu Sommersaison,
lernt Dr. Gräsler in einem idyllischen Forst¬
liches Wesen anlehnen. Er findet ein süßes
von Kurhotel zu Kurhotel. Eine Sache für
haus die Tochter einer Patientin kennen —
Mädel; ein typisches süßes Mädel, wie von
Junggesellen. Dr. Gräsler ist Junggesell, ist
das ist so recht eine Fran für ihn, ein gereiftes,
Artur Schnitzler. Er spricht sie, selbstverständlich,
bisher von einer Schwester betreut worden; sie
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auf der Plattform eines Tramwaylbagens an.
hat sich gegen Ende der Wintersaison in dem
der Krankenpfiege sogar versteht sie etwas,
Er wird sie, selbstverständlich, vernichten. Sie ist
bescheidenen hellen Häuschen in der Nachbar¬
wenn Dr. Gräsler sich entschließen kann,
süß und hingebend, Katharina aus dem Hand¬
schaft des Hotels sanft erhängt. Es ist — rück¬
Wintersaison Wintersaison und Lazarote Laza¬
schuhladen. Nicht das schlechteste Käthchen,
sichtslos von einer Schwester, einen leise altern¬
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könnte trotz allen hohen Sabinen einen Mann
den Bruder plötzlich mit allerlei Wirtschafts¬
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Sabine denn den alternden Arzt? Ach, sie
Sommer, von etwas zweifelhaftem Ruf. Hat ihr
später, auf Seite 28 der Erzählung, Gelegenheit
wirft sich ihm förmlich an den Hals, schreibt
kleines Mädchen ihrem Mann in die Ehe ge¬
erhalten, sich einen ganz stattlichen Katalog von
ihm unaufgefordert, daß sie gern seine Frau
bracht: er var Handlungsreisender und er¬
erlebten Frauen aufzuzählen, die Ingenieurs¬
werden will, daß sie nach mancherlei schmerz¬
freulich oft abwesend. Das kleine Mädchen
witwe aus Rio de Janciro, die den Dampfer
lichen Lebenserfahrungen ihn nun recht herzlich
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— er kömmt; und kommt oft.
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Badearzt, der wurzellose, durch Reisen und
Und auf einmal gibt sich der Sinkende einen
die trotz ihres bis Hamburg lautenden Billetts! Grand Hotels wohl etwas angefressene Mensch, Ruck. Was, Frau Sommer! Das mit Katharina