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Badearzt
Doktor Graesl
29 — en en enenen e e ete e ene
192
Alfred Nathansky.
einstigen Hochschullehrern der ehemaligen Bummelstudenten erwecken, wenn
ja wenn sie davon erführen und wir nicht die leidige Gewohnheit
hätten, unser Licht unter den Scheffel zu stellen. Von einem solchen ver¬
bummelten Studenten erzählt Rudolf Haas in seinen zwei prächtigen
Bänden „Matthias Triebl“*) und „Triebl, der Wanderer"*). Dieser
Prager Mediziner bummelt, weil er ein Sinnierer ist und so gar keinen
persönlichen Ehrgeiz hat, er kommt bis hart an die Schwelle der Lumperei,
aber nicht über diese hinweg und wird endlich doch fertig, gerade als andere
ihn und er sich selbst schon aufgegeben haben, weil er fühlt: „Noch einen
Schritt weiter und es gibt kein Zurück mehr!" Und so wird aus ihm
ein tüchtiger, stets hilfsbereiter Landarzt und ein unermüdlicher Arbeiter im
Dienste seines Volkes, ein Voller und Ganzer, was Besseres als viele, die
in der regelmäßigen Tretmühle von Studium und Prüfung rechtzeitig ab¬
solviert haben. Und kein Philister. Binden kann und will sich der Triebl
Matz nicht, auch als er in die Jahre gekommen ist, wo es der Normal¬
mensch zu tun pflegt, auch dem prächtigen, herz= und werktüchtigen Weibe
seiner Neigung gegenüber nicht. Als Wanderer zieht er wieder aus dem
eben erreichten Hafen der Geborgenheit, weil sein landfahrendes Herz, in
Stürmen erprobt, noch zu jung ist, um jetzt schon zu rasten. Ein natur¬
naher Pantheismus, der sich in südlichen Landen merkwürdig gut mit dem
katholischen Glauben verträgt, beseelt ihn ebenso wie eine wohl damit
zusammenhängende verständnisvolle Liebe zu den Tieren, die sie und ihn
den Herzen näher bringt. Ist das nicht wieder der typische Oesterreicher,
der von sich so wenig hält wie die anderen von ihm und dem immer erst
der eiseine Muß fünf Minuten vor Torschluß zeigt, was er vermag, wenn
er nur echt antaucht? Das Ewig=Weibliche braucht freilich auch er als
Herzens= und Sinnentrost wie als Stab beim Bummeln und beim Wirken,
das Kind als physische und ideelle Fortsetzung des Ich nicht minder. Was
sind das aber auch für prächtige Geschöpfe, diese zwei Silva, diese Rosl
und vor allem diese Anna! Unprüd, tüchtig, aufopferungsfähig bis zum
Letzten, voll unerschöpflichen Glaubens an den nicht eben bequemen Mann
an ihrer Seite, mit einem Wort, der Typ, den wir schon bei Schnitzler
und Schönherr kennen gelernt haben, der in dieser gleichmäßigen Wieder¬
kehr doch nicht dem Zufall entstammen kann, der eben der österreichische
Frauentypus ist, wie er österreichischen Dichtern immer wieder erscheint
und erscheinen muß, weil er in ihrer Umwelt und in ihren Herzen ver¬
ankert ist.
Von einem polnischen Dichter, der deutsch und polnisch schreibt, von
Tadeusz Rittner ist ein neues Drama erschienen, „Der Garten der Jugend“*!).
Spielt nirgendwo und nirgendwann und konnte doch nur in Oesterreich ge¬
schaffen werden. Nur hier sind jene innerlich grundbraven Männer und
*) Leipzig, L. Staackmann.
*) Wien, Deutsch=österreichischer Verlag.
Frauen zu Hause, deren einzig
Schauspieler, Militärs und St
Stunde abtreten zu können,
bleiben, obwohl ihre Zeit vor
möchten, nicht aus Neid oder
vor
sick
sien
S
as I
r d
nen
er ohn
speziell
rreichischen Wesens
seinem ganzen heute schon rech
hältnismäßig kleine Splitter
gewidmet ist. Weiter als bis
die Wiege des modernen Men
tänigkeit zu lösen und sacht
Folgt die franzische Epoche
und der langen Friedenszeit
Musik ganz erfüllen mußten,
behielt, dann das notwendig
dessen Schilderung Bartsch sei
fiel ... 1848“*). Dann f
über die Gründerzeit den Kä
wühlen. „In den Haindlkin
Erzherzogs Albrecht, des letzt
Alt=Oesterreich, ihren Schatten
Kämpfe zwischen Bürgertum in
einer Familie die Fassetten d
eine fein organisierte Genußn
die Kochkunst einen Ehrenplatz
Mann andächtig schlürfender
meierisch stilisierten Erscheinun
solche Papa Haindl sehen wit
ohne eine Spur gewollter Wü
schreiten. Die Söhne aber ve
Männlichkeit: Der Lebehaind
*) Wien, 1905, C. W. Stern
geschädigt, bei Ullstein un
**) Leipzig, 1908, L. Staack
Badearzt
Doktor Graesl
29 — en en enenen e e ete e ene
192
Alfred Nathansky.
einstigen Hochschullehrern der ehemaligen Bummelstudenten erwecken, wenn
ja wenn sie davon erführen und wir nicht die leidige Gewohnheit
hätten, unser Licht unter den Scheffel zu stellen. Von einem solchen ver¬
bummelten Studenten erzählt Rudolf Haas in seinen zwei prächtigen
Bänden „Matthias Triebl“*) und „Triebl, der Wanderer"*). Dieser
Prager Mediziner bummelt, weil er ein Sinnierer ist und so gar keinen
persönlichen Ehrgeiz hat, er kommt bis hart an die Schwelle der Lumperei,
aber nicht über diese hinweg und wird endlich doch fertig, gerade als andere
ihn und er sich selbst schon aufgegeben haben, weil er fühlt: „Noch einen
Schritt weiter und es gibt kein Zurück mehr!" Und so wird aus ihm
ein tüchtiger, stets hilfsbereiter Landarzt und ein unermüdlicher Arbeiter im
Dienste seines Volkes, ein Voller und Ganzer, was Besseres als viele, die
in der regelmäßigen Tretmühle von Studium und Prüfung rechtzeitig ab¬
solviert haben. Und kein Philister. Binden kann und will sich der Triebl
Matz nicht, auch als er in die Jahre gekommen ist, wo es der Normal¬
mensch zu tun pflegt, auch dem prächtigen, herz= und werktüchtigen Weibe
seiner Neigung gegenüber nicht. Als Wanderer zieht er wieder aus dem
eben erreichten Hafen der Geborgenheit, weil sein landfahrendes Herz, in
Stürmen erprobt, noch zu jung ist, um jetzt schon zu rasten. Ein natur¬
naher Pantheismus, der sich in südlichen Landen merkwürdig gut mit dem
katholischen Glauben verträgt, beseelt ihn ebenso wie eine wohl damit
zusammenhängende verständnisvolle Liebe zu den Tieren, die sie und ihn
den Herzen näher bringt. Ist das nicht wieder der typische Oesterreicher,
der von sich so wenig hält wie die anderen von ihm und dem immer erst
der eiseine Muß fünf Minuten vor Torschluß zeigt, was er vermag, wenn
er nur echt antaucht? Das Ewig=Weibliche braucht freilich auch er als
Herzens= und Sinnentrost wie als Stab beim Bummeln und beim Wirken,
das Kind als physische und ideelle Fortsetzung des Ich nicht minder. Was
sind das aber auch für prächtige Geschöpfe, diese zwei Silva, diese Rosl
und vor allem diese Anna! Unprüd, tüchtig, aufopferungsfähig bis zum
Letzten, voll unerschöpflichen Glaubens an den nicht eben bequemen Mann
an ihrer Seite, mit einem Wort, der Typ, den wir schon bei Schnitzler
und Schönherr kennen gelernt haben, der in dieser gleichmäßigen Wieder¬
kehr doch nicht dem Zufall entstammen kann, der eben der österreichische
Frauentypus ist, wie er österreichischen Dichtern immer wieder erscheint
und erscheinen muß, weil er in ihrer Umwelt und in ihren Herzen ver¬
ankert ist.
Von einem polnischen Dichter, der deutsch und polnisch schreibt, von
Tadeusz Rittner ist ein neues Drama erschienen, „Der Garten der Jugend“*!).
Spielt nirgendwo und nirgendwann und konnte doch nur in Oesterreich ge¬
schaffen werden. Nur hier sind jene innerlich grundbraven Männer und
*) Leipzig, L. Staackmann.
*) Wien, Deutsch=österreichischer Verlag.
Frauen zu Hause, deren einzig
Schauspieler, Militärs und St
Stunde abtreten zu können,
bleiben, obwohl ihre Zeit vor
möchten, nicht aus Neid oder
vor
sick
sien
S
as I
r d
nen
er ohn
speziell
rreichischen Wesens
seinem ganzen heute schon rech
hältnismäßig kleine Splitter
gewidmet ist. Weiter als bis
die Wiege des modernen Men
tänigkeit zu lösen und sacht
Folgt die franzische Epoche
und der langen Friedenszeit
Musik ganz erfüllen mußten,
behielt, dann das notwendig
dessen Schilderung Bartsch sei
fiel ... 1848“*). Dann f
über die Gründerzeit den Kä
wühlen. „In den Haindlkin
Erzherzogs Albrecht, des letzt
Alt=Oesterreich, ihren Schatten
Kämpfe zwischen Bürgertum in
einer Familie die Fassetten d
eine fein organisierte Genußn
die Kochkunst einen Ehrenplatz
Mann andächtig schlürfender
meierisch stilisierten Erscheinun
solche Papa Haindl sehen wit
ohne eine Spur gewollter Wü
schreiten. Die Söhne aber ve
Männlichkeit: Der Lebehaind
*) Wien, 1905, C. W. Stern
geschädigt, bei Ullstein un
**) Leipzig, 1908, L. Staack