I, Erzählende Schriften 28, Frau Beate und ihr Sohn. Novelle, Seite 4

rau Beate
und ihr Sohn
23. K. Sennenennc.

(Quellenangabe ohne Dewähr.)
ischnitt aug BRAZGR TAGBLATE
1- J0N. 1915
n:
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1
A. H.
Frau Beute und ihr Sohn. Novelle von
Artur Schnitzler. Verlag S. Fischer, Berlin.
Kühn und kans mutet Schnitzlers Erzählkunst in
seinen letzten novellistischen Werken an. Schon in den
„Masken und Wundern“ hat er an heille Stoffe gerührt
und hier in dieser anderthalbhundert Seiten langen No¬
velle ist es eine Frau im „gefährlichen Alter“, deren
zweites Liebesleben er mit peinlicher Intimität sommer¬
schwül und schicksalshart malt. Die Witwe eines be¬
rühmten Schauspielers verliert sich an einen grünen
Jungen, den Studienfreund ihres einzigen Sohnes, der
in den lockenden Armen einer kokottenhaften Schau¬
spielerin seine frische Jugend vergendet. Die bemein¬
same Schande — der prahlsüchtige „Freund“ piaudert
in ekler Weise seine nächtlichen Liebesabenteuer aus —
vereint MMutter und Sohn, bei einer Kahnfahrt in schwei¬
gender Nacht kommt es zur Aussprache, zum Sichfinden
und „im verführerischen Vorgefühl der ewigen Nacht
gaben sie die vergehenden Lippen einander hin.
Beate war es, als küßte sie in dieser Stunde einen, den
sie nie gekannt hatte und der ihr Gatte gewesen war,
zum erstenmal.“ Und Frau Beate zieht ihren Sohn mit
ins Wellengrab. Es bedurfte der raffinierten Gestäl¬
tungskraft des psychologischen Routiniers, um den inzest¬
artigen Stoff hart an den Klippen der Widerlichkeit vor¬
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bizubringen.
Aussez-..
Aaus Mähren und Schlesien
vom:

Abenbin
Literatur.
Artunkuilen-Grau Beate und ihr Sohn. Novelle.
(Verlägvon S. Fischer, 2
rei 2 M. 50 Pf.) Das
neuesie Werk Artur Schnitzlers gehört der Gattung an, in der
der Dichter bereits mehrfach sein hervorragendes Können bewährt
hat. Wir erinnern nur an die ergreisende Novelle „Sterben“, die
Engefähr am Ausgangspunkte seiner literarischen Laufbahn steht.
Um so interessanter ist es zu beobachten, wie sehr sich Schnitzlers
erzählende Kunst in diesem neuesten Werke verfeinert hat. Die
Form ist nunmehr ganz reif geworden, Aufbau und Komposition
haben einen hohen Grad von Vollkommenheit erreicht. Wundervoll
abgeklärt ist die mit Folgerichtigkeit festgehalt ne epische Dar¬
stellung, ruhig gleitet die Erzählung dahin, um uns dadurch nur
um so gewaltiger zu packen, um so sicherer zu fesseln. Auch dies.
mal, wie so oft, behandelt Schnitzler, der feine Kenner der weib¬
lichen Psyche, ein Problem aus dem Leben der Frau. Die zwei
Komponenten, in die schon Weininger den Begriff Weid zerfallen
läßt: Mutter und Dirne, diese beiden Hauptseiten der weidlichen
Natur, die einander so schroff entgegengesetzt sind, legt der Dichter
an der Hauptgestalt seiner Novelle, an Frau Beate, poetisch dar.
Frau Beate, ein noch lebenslustiges, blühendes Weib wendet
nach dem Tode des Gatten ihre ganze Liebe dem herrlich heran¬
wachsenden Sohne zu. Sowie in das Leben des Jünglings die
Liebe triti, flammt auch im Herzen Beatens das Feuer auf, das
so lange nur geglommen. In einer schwülen Sommernacht gibt
sie sich einem Altersgenossen ihres Sohnes. Sie wird die Geliebte
eines nur Thalbreifen Mannes. Bestrickt von den Fesseln ihrer
Einnlichkeit verliert sie die Führung über ihren Sohn, der sich
run auch zügellos den weichen Freuden einer reinfleischlichen
Liebe ergibt. Mit schauerlicher Notwendigkeit bricht nun die Kata¬
strophe herein. Der Sohn, dessen kindlich unberührtes Gemüt in
der Multer eiwas Heiliges erblickt hat, sieht in dem Augenblicke,
in dem er von ihrer Schwäche erfährt, sein Ideal zerstört, ver¬
ichtet. So ist ihm, der wohl auch unter der Depression der ersten
Liebeserlebnisse leidet, der Tod eine Erlösung. Gemeinsam mit
ihm stirbt Frau Beate, die von der stolzen Höhe der Mutterschaft
herabgestürzt ist in ### Niederung des fleischlichen Genusses. Mit
gewältiger Kraft erzahlt uns Schnitzler diese seltsame Geschichte,
in der er sich wieder als Meister sobtilster Seelenbeobachtung
zeigt. Die Tragik Frau Beatens darf man freilich nicht vom
Standpunkt der gemeinen Moral aus beurteilen. Denn danach
wäre ihre Schuld nicht so groß, gewiß nicht todeswürdig. Aber
vor den höheren Gesetzen der Mutterpflicht, die bedingungslose
Selbstentäußerung erfordern, ist Beate schwer schuldig geworden.
Und daß uns der Dichter davon restlos überzeugt, das mußgman
##hm als höchstes Verdienst alrechnen.
Vershard Kellermann: „Der Tunnei“ #
box 4/5
sinniger stolzen, tingen Frau .
Herz lange Jahre verounkelt. Doch der große innere
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Wert meines Lebens bist du geworden ..
hat in
Artur Schnitzler: Frau Beate und ihr
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Sohn, Novelle. — S. Fischer, Verlag, Berlin.
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In seiner Erzählung „Frau Beate und ihr Sohn“ ge¬
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staltet Schnitzler aus dem weichen, verfeinerten Wiener Milieu,
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aus dem er alle Konflikte seiner Werke holt, ein Schicksal, das,
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ein Urtypus menschlicher Konflikte, in einer reinen Tragik
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emporwächst Er zeichnet eine Mutter und ihren erwachsenen
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Sohn. Frau Beate lebt mit ihrem immer noch reichen und
Hand¬
K. 8.0
jungen Blut in Witwentreue dem Andenken ihres Mannes.
welchen
K. 16.5
Dieses Gefühl umspannt auch ihren Sohn, als das nur
Blätter
der Mutter zugewandte und zugehörige Kind, bis sie eines
Tages sieht, daß er seinen eigenen Weg zum Abenteuer
Dr. Karl
und zu den Frauen zu gehen beginnt. Anfangs sucht
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den Sohn zu halten, aber das Erstaunen über die
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203.25,
tiefe, ihr unzugängliche Wandlung in seiner Seele bringt
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165.75,
auch in ihr Leben und Blut eine Veränderung. Auch in ihr,
Berlin.
stetig. 2
der Mutter, erwacht die Jugend, sie unterliegt, sie gibt sich
jeher
einem Freunde ihres Sohnes hin. Die Klarheit und Wach¬
zum
9. Jur
heit ihrer Natur schwindet, sie überläßt den Sohn seinen Ge¬
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lüsten und sich den ihren. Ihr Leben trübt sich bis zur
mehr
matt, so
Rettungslosigkeit, als sie ihren jungen Liebhaber mit seinem
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Siege renommieren hört. Und nun erfährt auch der Sohn auf
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üble Weise, was seine Mutter treibt. Er ist sassungslos, er
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kann es nicht verstehen, er fühlt sich ganz nur als das Kind
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und die Frau nur als die Mutter, er vermag das Leben nicht
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wollen,
mehr zu ertragen. Nach einer unheimlichen, tief verirrten
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Stunde auf dem nächtlichen See nimmt ihn Beate mit sich in
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den Tod. Die Liebe zum gleichaltrigen Freunde des Sohnes
K. 9 55
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9.41
ist ein Inrost: das, und nicht ein Konflikt bloß bürgerlicher
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Art, ist per Sinn der Novelle, die Schnitzlers tiefe Seelen# österreic.
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analyse auf immer kühneren Wegen zeigt. (720.
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Das deutsche Douf. Von Robert Miel k#. C„Auflagé ((Statione
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Mit 51 Abbildungen. („Aus Natur und Geisteswelt.“ Samm¬
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lung wissenschaftlich=gemeinverständlicher Darstellungen aus
K 8.70
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allen Gebieten des Wissens. 192. Bändchen.) — Verlag von
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B. G. Teubner in Leipzi- und Berlin.
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zweiter, vermehrter Auflage
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vorliegenden Bändchens geht v#. den Ansängen der vörflichen
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Siedelungen in Deutschland aus und zeigt, wie sich mit dem
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vom:
Frau Beate und ihr Sohn. Novelle von Arthur
Ichit#l###Preis gebunden 4 K 20 h. In „Frau Beate
und ihr Sohn“ gestaltet Schnitzler ein Schicksal, das ein Ur¬
typus menschlicher Konflikte, in eine reine Tragik empor¬
wächst. Er zeichnet eine Mutter und ihren erwachsenen Sohn.
Frau Beate ist Witwe und lebt mit ihrem immer noch rei¬
chen und jungen Blut in Witwentreue dem Andenken ihres
Mannes. Aber noch einmal erwacht die Jugend in ihr,
sie unterliegt, sie gibt sich einem Freunde ihres Sohnes hin.
Der Sohn erfährt es, er ist fassungslos, er kann es nicht
verstehen, er fühlt sich ganz nur als das Kind und die Frau
nur als die Mutter; er vermag das Leben nicht mehr zu er¬
tragen. Beate nimmt ihn mit sich in den Tod, nach einer
unheimlichen, tief verirrten Stunde auf dem nächtlichen
See. Die Liebe zum gleichaltrigen Freunde ihres Sohnes
ist ein Inzest, das ist der Sinn der Novelle, die Schnitzlers
tiefe Seelenanalyse auf immer kühneren Wegen zeigt.
*) Die mit“ bezeichneten Bücher sind in der Buch= und
Papierhandlung Leon König, Ringplatz 6 erhältlick.