I, Erzählende Schriften 28, Frau Beate und ihr Sohn. Novelle, Seite 13

eenngeneeneenenengeheenegenacen Mreger und von
Man muß es verfolgen, wie das ähnliche Problem sich in so ver¬
Gewollte, Formelhafte. Man kann sich organischere Ausdrucksformen von A. R. Meyers (ei
schiedenen Männern wie Schnitzler und Thomas Mann spiegelt.
Gedanken, Gefühlen, Erlebnissen kaum vorstellen. Sie läßt uns den
in Afrika“, zu de
Schnitzler, der weiche Wiener, macht eine Frau zur Heldin der Novelle,
Roalisten bewundern, der selbst in der Schilderung der letzten Leidenschaft Zeichnungen gab,
Thomas Mann, der dekadente Lübecker, einen Künstler. Schnitzler, der
die Erdbeeren nicht zu erwähnen vergißt, deren Genuß vielleicht den TodAvoll virtuosen Rein
Arzt, gibt ein Erlebnis aus der bürgerlichen Gesellschaft, Thomas Mann
Lebenständelnden,
des Künstlers herbeiführt, und der über das Ganze solch einen wunder¬
das Ende eines Künstlerlebens. Schnitzler erzählt die Geschichte ruhig,
Formenkunststück 1
vollen Schleier, gewebt aus den Ahndungen der letzten Dinge vom Leben
„Via Crucis. D
sachlich, ohne Scheu und ohne Ventuschung, Thomas Mann sucht gewisser¬
und Sterben zu breiten weiß.
Karl Georg Wendziner.
zugleich, urwüchsig
maßen eine Entschuldigung, will einen Schleier vorziehen, indem er nur
und Zinzendorf.
Sozialpolitik.
den Künstler diese letzten Dinge des Erotischen durchleben läßt. Arthur
Würfter unterm K
scheint im Verlag
Schnitzler, der Realist, läßt seine Geschichte an einem See in der Nähe
Prof. Dr. J. Jastrow, Was ist Arbeiterschutz? (Verlag
Buch kostet eine M
von Ischl, dem geliebten Sommeraufenthalt aller Wiener, sich abspielen,
von Dr. Walther Rothschild=Berlin.)

Das schwierige Problem des
Thomas Mann, der Stilist, versetzt seinen Helden in die Märchenstadt
Arbeiterschutzes behandelt der Berliner Nationalökonom Hastrow in
Königlic
einer knappen, übersichtlichen Skizze. Nach einem Ueberblick über die
Venedig. Er, der große Epiker, wirkt durch die Klarheit, Helligkeit, Ruhe
52M
historische Entwicklung des Begriffes „Arbeiterschutz“ gelangt Jastrow zu
des Wortes, der Erzählung, Arthur Schnitzler, der große Dichter, hält
folgender Definition: „Materiell handelt es sich bei ihm um das Arbeits¬
uns durch die Stimmung, die über der Dichtung liegt, im Bane. Bei verhältnis, formell um einen Vertrag. In dieser formalen Beziehung
Schnitzler endlich fühlen wir: dieses Erlebnis gehört der Vergangenheit gebört der Arbeiterschutz in dieselbe Kategorie mit allen Gesetzesaus¬
an, es war; bei Thomas Mann: es liegt in der Zukunft, und es wird nie
nahmen von freiem Vertragsrecht, in denen aus irgend einem Grunde
der Gesetzgeber einen Kontrahenten für schutzbedürftig hält und ihn durch
sein. Von zwei Polen nähern sich zwei Dichter dem gleichen Problem,

Einengung des freien Vertragsrechtes zu schützen sucht, d. h., der Arbeiter¬
jeder erfaßt es auf seine Weise, und beide schenken sie uns große, einzige
schutz ist ein Spezialfall aus dem weiten Gebiete des Vertragsschutzes
Kunstwerke.
überhaupt.“ Diese einzelnen Thesen werden im folgenden weiter aus¬
## Arthur Schnitzlers Novelle „Frau Beate und ihr
geführt und bewiesen.
Sohn“ (Verlag S. Fischer, Berlin) erzählt von zweimal zwei Menschen.
Bibliographie der Sozialivissenschaften. Herausgeber: Prof.
Von dieser Mutter und ihrem Sohne, die jahrelang allein in stiller
Dr. Georg Maß. (Verlag von Julius Springer=Berlin.) — Wir
Mutter= und Sohnesliebe im Andenken des perstorbenen Vaters zusammen¬
leben im papierenen Zeitalter. Wem ist es bei der literarischen Hochflut
noch möglich, sich über jede Einzelerscheinung und ihren Wert zu
leben, bis zwei fremde Menschen ihren Weg kreuzen: eine ältere Frau und orientieren! Einem einzelnen sicherlich nicht. Es war dater ein Er¬
ein halber Knabe. Solange Hugo als Kind neben der Mutter lebt:, feideruls der Zeit, Sammelstellen zu errichten, die den Roystoff ordneu.
blieben alle Versuchungen des Lebens ihr fern, gleichsam als spiegele sich
##r die Wirtschaftswissenschaft sucht die Bibliographie für Sozialwissen¬
in ihr die Reinheit ihres Kindes. Da sie aber plötzlich erkennt, daß dieser
schaften, die die Unterstützung des Reichsamts des Innern genießt, diesen
Knabe ein Mann geworden ist mit all seinen Leidenschaften und heißen
Zweck zu erfüllen. Die Bibliographie erscheint halbmonatlich im Umfang
Wünschen, erwacht auch in der Mutter die schlummernde Sehnsucht des
von etwa 24 Bogen mit eingehendem Register und scheint nach dem vor¬
liegenden Heft eine recht gute Uebersicht über die wichtigeren Neu¬
Blutes. Es ist unendlich fein, wie die innerlich so jung gebliebene Frau
erscheinungen zu geben.
sich all der Liebesstunden mit ihrem Gatten plötzlich wieder erinnert und
wie dieses Gedenken ihr das Blut wilder durch die Adern treibt. Wie
Münchener Romane.
sie den Gatten, den großen Schauspieler, in allen seinen Rollen vor sich
Rebert Heymann nennt seine „Ulie“ einen Münchener Roman.
sicht, wie sie träumt, nicht nur die Geliebte dieses einen Mannes gewesen
Ich protestiere gegen diese Bezeichnung. Das unerträgliche Buch, dessen
zu sein, sondern sich zahllosen, allen den von ihm dargestellten Menschen
Druck und Papier schon den unzweideutigen Duft der Kolportage trägt,
hingegeben zu haben, wie Wirklichkeit und Traum sich in eins schlingen spricht zwar von Münchner Straßen und Plätzen und nennt Munchner
und draußen vor der Tür schon der unbewußt=bemußte Räuber ihres
Menischen (beim richtigen Namen!), spricht vom Pfandleiher Mundi, der
in einem gewissen Stadtteil weiteste Kreise nicht nur zieht, sondern auch
Leibes steht. Hugo, der Primaner wird der Geliebte einer älteren Frau,
an sich zieht. spricht von Kathi Kobus, von Wedekind, nennt Schwarz¬
Frau Beate gleitet in die Arme uines fast gleichaltrigen Freundes ihres
gerber (Weißgerber), Vallier (Balls), läßt im „Simplizissimus“ und im
Sohnes. So stehen sich, ohne von einander zu wissen, die Liebenden
„bunten Vogel“ zechen, erzählt vom Café Luitpold, von der Tonhalle —
gegenüber: in beidett Fällen eine alternde Frau und ein den Knaben¬
und ist doch alles eher. als ein Münchener Roman. Denn all
Menschen und Dinge könnten (wären sie so, wie Heymanu sie schildert)
jahren kaum entwachsener Jüngling. Die Ungleichheit der Jahre wird der
auch in mancher anderen Stadt leben und vor sich gehen. Aber — das
Anfang des Verhängnisses: Fritz, der Geliebte Frau Beates, brüstet sich
ist noch nicht der einzige Grund, weswegen sich Heymanns Roman als
seiner Eroberung. Hugo erfährt von der Tat seiner Mutter. Es gibt für
eine ungenießbare und — letzten Endes — stumpfe Sensationsschwarte
ihn kein Weiterleben mehr. Und auch sie ist am Ende dieses Lebens und
kennzeichnet. Das ganze Ding ist salopp mit dem Stist eines ehrgeizigen
Reporters geschrieben. Im Anfang verzapft der Autor nur Bilder ..
ihres Lebens überhaupt in dem Augenblick, in dem ihr Sohn als ihr
oft nicht recht geschmackvolle Bilder. Nebeneinandergeklebt. Ohne auch
Kind wieder zu ihr zurückkehrt. Das reine Verhältnis zwischen Mutter
nur eines Kinofilms Ent#icklung zu zeigen. Was später kommt, sind
und Sohn ist vernichtet. Das Gewitter scheint vorüber, draußen auf dem
undelikat erzählte Liebesabenteuer, Liebesspielereien der Heldin. Un¬
See wollen sich diese durch die Bande des Blutes so eng verbundenen
delikat deshalb, weil alles so maßlos durchsichtig ist. Man weiß genau,
wer die Heldin ist und wer in jedem Falle ... (und wenn man es nicht
Menschen aussprechen über das Geschehene. Noch aber lodert in ihnen die
weiß, geinst man Vermutung) Pfui Deibel! Wenn sich derartige
Flamme der letzten Nächte. Ihre Sinne verschwimmen, die Gegenwart
Indiskretionen unter dem Deckmantel der Kunst breitlüsteln dann muß
verliert sich vor ihnen, Traumgesichte steigen vor ihnen auf — Mutter und
man dreinschlagen aber kräftig! Mehr ist über das Werk, das Herr
Sohn liegen sich in heißen, wilden Küssen in den Armen. Sie erwachen
[Hans Bondy in Berlin W. verlegt hat, nicht zu sagen. Psycho¬
aus dem Rausch und finden den Tod in den Wellen des Sees.
logisch interessant ist es aber, daß gerade Robert Heymann, der Provinz¬
zeitungen gemeiniglich zu einem potwendigen Följetooon=Romgne zu
Atemlos liest man das Buch zu Ende. Man kennt diese Menschen schon
verhelfen pflegt, daß gerade Heymann soust zu Legitimität und Wohl¬
aus früheren Schnitzlerschen Dichtungen. Neu aber ist die Gruppierung,
erzogenheit perurteilt, derartige Unsauberkeiten drucken ließ. Mau denkt
ist die krasse Zuende=Führung. Scheinbar kunstlos ist diese Novelle auf¬
unwillkürlich an den Kleinstadtphilister, der einmal in die Metropole
gebaut: wenige Menschen, sie alle mit wenigen scharfen Strichen umrissen,
kommt und nun recht feste durchgehen will ... weil's halt boch so
scheene is.
und nur Frau Beate, die Mutter und die Geliebte, in voller Plastik. Die
Frau Franziska, Gräfin v. Reventlow, möge mir verzeihen, daß
äußere Handlung gleicht der inneren, kein harter Ton, kein technisches
ich von Ihrem entzückenden Werken Herrn Dames Aufzeich¬
Kunststück, allen aus letzten menschlichen Dingen beworbrechend und an
nungen" (bei Albert Langen in München) im Anschluß an den
sich einen Widerschein vom Menschlichen — Allzumenschlichen tragend. Die
Schundroman „Ulie“ zu reden wage. Nur der Münchener Boden gidt
Gestalten, wie aus weiter Ferne gesehen und doch von einer letzten Liebe
beiden Büchern etwas gemeinsames. Denn wenn Heymann groß, brutal,
deutlich und plump ist, geben sich die kapriziösen Aufzeichnungen, in denen
des Dichters überflossen. Die Tragödie der Mutter als sorgende Hüterin
Herr Damer seiner Verwunderung über den merkwürdigen Stadtteil
des Sohnes. Die Tragödie der Mutter als einsame, von dem Sohne ver¬
„Wahnmoching“ niedergelegt hat, fein=ironisch, unausdringlich=karikatistisch,
lassene Frau. Die Tragödie der Mutter als Geliebte. Eine feine, stille
lächelnd. Frau v. Reventlow hat das getan, was wiele vor ihr versuchten,
Dichtung von den Menschen auf den einsamen Wegen hai uns Schnitzler
was erst vor wenigen Mongten das belanglose Buch des eleganten
O. A. H. Schmitz anstrebte: Sie schenkte der deutschen Lesewelt eine
geschenkt, und eine wundervolle, in ihrem Leben und Leiden tiefst mensch¬
dichterische Schilderung Schrabings. Herr Dauer kommt in den „sonder¬
liche Frauengestalt, die wir nicht vergessen können.
baren Stadtteil“ hinter dem großen Tore. Straßen zeigen sich ihm wie
Thomas Mann erzählt uns in seiner Novelle „Der Tod in
anderswo auch. Aber die Menschen, die Menschen tragen alle ihr eigenes
Venedig“ (Verlag S. Fischer, Berlin) von dem großen Rausch des
Gesicht. Und das fooppiert Herrn Dame. Er begreift die Leute in ihrem
Künstlers vor seinem Tode. Wir erfahren nur wenig von seinem Sein
sonderbaren Gebahren nicht, in ihrer aufs Geistig=Kulturelle gerichleten
Eigentümlichkeit, in ihrem kindlichen, scohnaiven Aufgehen in Ziele der
vor seiner Reise nach Venedig, nichts von den toten Erlebnissen seines Schönheit. Er: der tabellos erzogene junge Mann aus guter Familie. —
Herzens. Aber in diesem einen Geschehen findet alles seinen letzten Aus¬] Dieser Roman ist eines der köstlichen Bücher, die in dem letzten Vierter¬
ck. Mit Absicht führt uns der Dichter nach Venedig, in diese alte jahre erschienen sind.
Richard Rieß.