I, Erzählende Schriften 28, Frau Beate und ihr Sohn. Novelle, Seite 12

Frau Beate und ihr Sohn
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28. Aadeanandhaaa
tguchehangasr onne Gen.
Ausschnitt aus: Breslauer Zeitung
vom: 22 00R1913
Märchenstadt, in der die Dinge der Welt träumerisch entfremdet scheinen.
Wie ein Märchenprinz tritt vor Gustav Aschenbach der bleiche polnische
Erik Kuehnel
rarische Rundschau.
Knabe hin, des Dichters letzte Leidenschaft und sein Verhängnis. Meister¬ lag von Wilhel¬
Goethes kommt
haft ist es geschildert, wie langsam, aber täglich steigernd der alternde
hat: „Warum
Mann die Schönheit dieser Jugend empfindet. In hundert reizpollen
Graf Herbert vo
Ven Artbur Schnitzlen-und Chomas Mann.
Stellungen wird uns der seltsame Knabe gezeigt, in malerischen Bildern,
im Herzen von
in den Impressionen des Künstlers. Nichts Häßliches, nichts Perverses Dolomiten grüße
Von zwei Unseter Bezten habe ich zu sprechen. Von zwei von den
ragende Weinbei
fünf oder (höchstens) zehn Dichtern unserer Tage, denen wir die Feiertage
leht in dieser Leidenschaft des Künstlers für den Knaben. Sie ist etwas Schlosses sind nic
unseres Lebens verdanken. Alles andere ist im letzten Grunde Unsinn.
fast Unwirkliches, ist das Letzte, Traumhafte, Schönste in diesem Künstler=glockt die Gräfin
leben: Tonio Krögers letztes Erlebnis. Der Dichter gebraucht antike blühende Lehen d
Es ist ganz gleich, ob ich Omptedg lese oder Bloem oder Herzog, ob ich
Formeln und Bilder, zieht immer wieder die gr##bische Mythologie zum den Grafen und
in den Kientopp gehe oder Karten spiele. All das bringt uns zurück,
erwacht, lockt un
keinesfalls weiter. Aber wenn wir den Offenbgrungen Hauptmanns
Vergloiche heran und leitet seine Kapitel mit homerischen Verjoden ein.
Fort
scheinen.
lauschen oder Georges, Keyserlings, Kellermanns, so werden wir unser
Griechisch im edelsten Sinne des Wortes erscheint ihm diese Liebes= ihrer S##
selbst neu bewußt, wir erleben uns neu und neue Welten öffnen sich vor
beziehung: Aschenbach glaubt mit dem Blick auf den Knaben das Schöne das tausenotnn
es sucht. Erst in
unsern Blicken. Die große Kunst läßt uns den Alltag vergessen und gibt
selbst zu begreifen. Nie wird ein Wort zwischen beiden gewechselt: der
ist die Gräfin sc
uns seelische Freiheit.
Künstler will die Ernüchterung nicht, er klammert sich an seine Sehnsucht. Klang exlöst un
Ich spreche nicht gleichzeitig über Arthur Schnitzler und über Thomas
Und es ist besonders fein, daß wir nichts von den Gefühlen des Knaben die schlichte, ein
erfahren: wir sehen seine Blicke, die er erstaunt=fragend, ängstlich=neugierig Freunden stiller,
Mann, weil ihre neuen Werke in kurzem Zwischenraum einander gefolgt
auf den alternden Mann richtet, aber wir wissen nichts von einer Unruhe sie willkommen
sind. Mir scheinen hier letzte Verbindungslinien von einer Dichtung zu
der andern zu leiten, Fäden, die selbstverständlich für die Dichter unbewußt
seines Herzens. Ein Kind steht vor uns in all seinen reinen Freuden
Mit der „Zei
und bleibt in unserer Erinnerung.
waren und aus Zeit und Charakteren erklärt werden müssen. Beide
andeos“, wollen d
Dichter sprechen in ihren jüngsten Novellen von denselben Dingen: vom
Dieses Erlebnis, in griechische Luft gebadet, in Märchenstimmung ge= Meyer und Ansel
Sterben und von dem letzten Leben vor dem Tode. Und beide sagen sie
taucht, muß, um rein zu bleiben, das Letzte im Leben dieses Menschen sen. der literarischen
uns: dieses letzte Erlebnis ist ein Erlebnis der Sinne. Und so klingen
Aschenbach stirbt in Venedig an der Cholera, da er die Trennung von Nummer ein gan
Bucher (am 1. O
beide Dichtungen aus in eine letzte Klage über das heiße Blut in uns, in
dem Knaben nicht ertragen und nicht rechtzeitig geflohen ist. Kurz 1# bei etwas unsiche
eine letzte stumme, die Augen schließende Verneigung vor dem Geschlechts¬
seinem Ende, da ihn der Todesrausch, der über der wüsten, verwahrlosten
ehrlichen Suchens
wesen in uns. Sie sprechen von den Erscheinungen des Lebens: aber
Stadt liegt, ergreift, überfällt ihn für einen Augenblick ein sinnliches Be¬
Samuel Lub
hinter allen zeigen sie das wilde Tier, das nur scheinbar gebändigte, das
Ruest in seiner g
gehren nach dem Geliebten. Chaos überall! Das Ausklingen eines leiden¬
Groteske“.
Zu
immer wieder hervorbricht, Denken und Wollen über den Haufen rennt
schaftlichen Lebenskampfes! Aber zuletzt ein versöhnendes Bild voll Rein¬
is pieux,
und uns vernichtet. Nicht von dem Künstler hören wir mehr, nicht von
heit und Tiefe: der Künstler sinkt am Strande sterbend zusammen, und der
explosiv. pi
der still=vornehmen Witwe des großen Wiener Schauspielers: den Mann
Knabe draußen im Meere winkt ihm ins Verheigungsvolle — Ungeheure.
einer komm
und das Weib in ihrer letzten Nacktheit sehen wir vor uns.
Elstatische Wall
Diese kleine Novello zeigt uns Thomas Mann ohne alles Gesuchte¬
Meyer und von
Man muß es verfolgen, wie das ähnliche Problem sia in so ver¬
Gewollte, Formelhafte. Man kann sich organischere Ausdrucksformen von
A. R. Meyers (e
schiedenen Männern wie Schnitzler und Thomas Mann spiegelt.
Gedanken, Gefühlen, Erlebnissen kaum vorstellen. Sie läßt uns den
in Afrika“, zu 1
Schnitzler, der weiche Wiener, macht eine Frau zur Heldin der Novelle,
Realisten bewundern, der selbst in der Schilderung der letzten Leidenschaft Zeichnungen gab,
Thomas Mann, der dekadente Lübecker, einen Künstler. Schnitzler, der
die Erdbeeren nicht zu erwähnen vergißt, deren Genuß vielleicht den Tod' voll virtuosen Rei
Lebenständelnden
Arzt, gibt ein Erlebnis aus der bürgerlichen Gesellschaft, Thomas Mann
des Künstlers herbeiführt, und der über das Ganze solch einen wunder¬
Formenkunststück
das Ende eines Künstlerlebens. Schnitzler erzählt diese Geschichte ruhig,
vollen Schleier, gewebt aus den Ahndungen der letzten Dinge vom Leben
„Via Crucis.
sachlich, ohne Scheu und ohne Vertuschung, Thomas Mann sucht gewisser¬
und Sterben zu breiten weiß.
Karl Georg Wendyiner.
zugleich, urwück

maßen eine Entschuldigung, will einen Schleier vorziehen, indem er nur
und Zinzendorf
Sozialpolitia.
Würfler untern
den Künstler diese letzten Dinge des Erotischen durchleben läßt. Arthur
scheint im Verlag
Schnitzler, der Realist, läßt seine Geschichte an einem See in der Nähe
Prof. Dr. J. Jastrow, Was ist Arbeiterschutz? (Verlag
Buch
von Dr. Walther Rothschild=Berlin.)
von Ischl, dem geliebten Sommeraufenthalt aller Wiener, sich abspielen,

Das schwierige Problem des
Arbeiterschutzes behandelt der Berliner Nationalökonom Hastrow
Königli
Thomas Mann, der Stilist, versetzt seinen Helden in die Märchenstadt
einer knappen, übersichtlichen Skizze. Nach einem Ueberblick über d
252.
Venedig. Er, der große Epiker, wirkt durch die Klarheit, Helligkeit, Ruhe
historische Entwicklung des Begriffes „Arbeiterschutz“ gelangt Jastrow zu
des Wortes, der Erzählung, Arthur Schnitzler, der große Dichter, hält
folgender Definition: „Materiell handelt es sich bei ihm um das Arbeits¬
uns durch die Stimmung, die über der Dichtung liegt, im Banne. Bei
verhältnis, formell um einen Vertrag. In dieser formalen Beziehung
Schnitzler endlich fühlen wir: dieses Erlebnis gehört der Vergangenheit
gebört der Arbeiterschutz in dieselbe Kategorie mit allen Gesetzes aus¬
nahmen von freiem Vertragsrecht, in denen aus irgend einem Grunde
an, es war; bei Thomas Mann: es liegt in der Zukunft, und es wird nie
der Gesetzgeber einen Kontrahenten für schutzbedürftig hält und ihn durch
sein. Von zwei Polen nöhern sich zwei Dichter dem gleichen Problem,
Einengung des freien Vertragsrechtes zu schützen sucht, d. h., der Arbeiter¬
jeder erfaßt es auf seine Weise, und beide schenken sie uns große, einzige
schutz ist ein Spezialfall aus dem weiten Gebiete des Vertragsschutzes
Kunstwerke.
überhaupt.“ Diese einzelnen Thesen werden im folgenden weiter aus¬
Arthur Schnitzlers Novelle „Frau Beate und ihr
geführt und bewiesen.
Sohn“ (Verlag S. Fischer, Berlin) erzählt von zweimal zwei Menschen.
Bibliographie der Sozialwissenschaften. Herausgeber: Prof.
Von dieser Mutter und ihrem Sohne, die jahrelang allein in stiller
Dr. Georg Maß. (Verlag von Julius Springer=Berlin.) — Wir
leben im papierenen Zeitalter. Wem ist es bei der literarischen Hochflut
Mutter= und Sohnesliebe im Andenken des verstorbenen Vaters zusammen¬
noch möglich, sich über jede Einzelerscheinung und ihren Wert zu
leben, bis zwei fremde Menschen ihren Weg kreuzen: eine ältere Frau und
orientieren! Einem einzelnen sicherlich nicht. Es war baher ein Er¬
ein halber Knabe. Solange Hugo als Kind neben der Mutter lebt:,
fordernis der Zeit, Sammelstellen zu errichten, die den Rohstoff ordnen.
blieben alle Versuchungen des Lebens ihr fern, gleichsam als spiegele sich
Für die Wirtschaftswissenschaft sucht die Bibllographie für Sozialwissen=
in ihr die Reinheit ihres Kindes. Da sie aber plötzlich erkennt, daß dieser
schaften, die die Unterstützung des Reichsamts des Innern genießt, diesen
Knabe ein Mann geworden ist mit all seinen Leidenschaften und heißen
Zweck zu erfüllen. Die Bibliographie erscheint halbmonatlich im Umfang
von etwa 24 Bogen mit eingehendem Register und scheint nach dem vor¬
Wünschen, erwacht auch in der Mutter die schlummernde Sehnsucht des
liegenden Heft eine recht gute Uebersicht über die wichtigeren Neu¬
Blutes. Es ist unendlich sein, wie die innerlich so jung gebliebene Frau
erscheinungen zu geben.
I. L.
sich all der Liebesstunden mit ihrem Gatten plötzlich wieder erinnert und
wie dieses Gedenken ihr das Blut wilder durch die Adern treibt. Wie
Münchener Romane.
sie den Gatten, den großen Schauspieler, in allen seinen Rollen vor sich
Robert Heymann nennt seine „Ulie“ einen Münchener Roman.
sicht, wie sie träumt, nicht nur die Geliebte dieses einen Mannes gewesen] Ich protestiere gegen diese Bezeichnung. Das unerträgliche Buch, dessen
zu sein, sondern sich zahllosen, allen den von ihm dargestellten Menschen! Druck und Papier schon den unzweideutigen Duft der Kolportage trägt,
hingegeben zu haben, wie Wirklichkeit und Traum sich in eins schlingen spricht zwar von Münchner Straßen und Plätzen und nennt Munchner!
und draußen vor der Tür schon der unbewpußt=bewußte Räuber ihres Menschen (beim richtigen Namen!), spricht vom Pfandleiher Mundi, der
in einem gewissen Stadtteil weiteste Kreise nicht uur
ht, sondern auch