I, Erzählende Schriften 28, Frau Beate und ihr Sohn. Novelle, Seite 15

Frau Beate und ihr Sohn
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28. M and Tn
Wuchenung-er
Ausschnitt aus#ssburger Post
376 S. 1913
vom:

Kenntnis der vielgestaltigen Lebensäußerungen der Ville lumière licher romantischer Iron
Paris. Kunst und Politik, Theater und Literatur, Sozialismus dorff mit einem moden
Neue Bücher.
und Patriotismus, wie sie gemacht werden und von wem sie ge= Ende geführten Leben
Bernhard Kellermann: Der Tunnel; René Schickele: Schreie auf dem
in dem besondern Fall
macht werden, das alles wird in einem anspruchslos sich gebenden,
Boulevard. — Das Glügk; Arthur Schnitzler: Frau Beale und ihr Sohn.
schaft in Paris, in groß
leicht hinfließenden Plauderton, den aber doch ab und an stark
der jetzt 34jährige
Frau Beate un
hingesetzte bissige, ironische und zärtliche Akzente unterbrechen, mit
C. P. Vernhard Kellermälf—
heißt das neueste Wer
hat eine Entwicklung durchgemacht, die ihn von der seinen
unnachahmlicher Kunst erzählt. Die Kritik des Kenners überzeugt,
wo das enthusiastische Lob des Bewunderers um jeden Preis ab¬
delnd etikettierte Kuns
Ozarten romantischen Geschichte einer Sehnsucht (Yester u 9 Li) über
das Grandios=Idyllische seines Meer=Epos mitten in das Gebiet
stößt oder lächerlich wirkt. Man muß diese Schreie auf dem
aufwartet und den An
Boulevard — die in der kunstvollen Komposition Schickeles den
freudige Ueberraschung
des modernen Zeitgeistes führte, dem siebeinde Arbeit an den
Rhythmus einer wundervollen Weltstadt wiedergeben, als die
Wundern der Technik und der Naturwissenschaften interessanter
einer entweihten Mut#
Aeußerungen eines lebensstarken, offenbarungsreichen Orgarismus
liche Witwe eines bede
: größer und erhabener dünkt, als noch so gefühlvoll und kunstreich
rung und trauernd=ver
schätzen und lieben ... Diese Schreie haben etwas vom Rhythmus
ineinander und auseinander gefädelte Liebesgeschichten. Auf Be¬
der Marscillaise! Der Politiker wird seine helle Freude haben
herrschung der Massen, der leblosen und der lebenden, ist die Rich¬
fortiebt, dem Ebenbild
an der prachtvollen Charakteristik: „Ein Mann spricht zum Volk:
tung der Zeit gestellt. Die gewaltige Symphonie der Massenarbeit
an der Schwelle der M
Jaurés.“ Die Feuerseele dieses gewaltigen Agitators glüht aus
führerischen Abenteuer
— beherrscht von dem Führergeist des genialen captain of industry
den wenigen ihm gewidmeten Sätzen, daß sich schier die Buchseiten
— klingt aus dem neuesten Werk Kellermanns, das Der Tunnel
mit zörtlicher Eifersuch
bräunen. Nicht besser und knapper läßt sich die Gestalt des Ex¬
(S. Fischer, Berlin, 1913) geheißen ist. Ein Tunnel unter dem
Knaben zum Leben der
präsidenten Roosevelt charakterisieren, als mit dem kurzen Sätz¬
Ozean, der Europa von Amerika scheidei: der Gedanke ist auch
dererwachen in den
chen: „Er hält die Gemeinplätzigkeit für einen Beruf, sie ist seine
in der an technischen Errungenschaften so reichen Neuzeit von
Sommernacht, in der
schwindelig machender Größe. Aber die dichterische Konzeption Philosophie.“ Knappheit mit dramatischer Geschlossenheit ver¬
mächtig werden und
einigt die Schilderung des Streiks der französischen Eisenbahner
ist mit so realen Einzelkenntnissen aus dem Gebiet der Technik
eines Jungen — des
vom Oktober 1910. Interessant sind die messerscharfen Plaudereien
und Finanzwelt ausgestattet, daß sie tatsachenhaft wirkt. Die
die jugendliche Frau be
über das Pariser Theater, wenn man auch dem vernichtenden
Gestalt des self made man Ingen##irs Mac Allan ist von plastischer
Aus dem Rausch erwa
Urteil über Rostands Chantecler nicht in jeder Beziehung bei¬
Größe und napoleonischer Wucht. Sein Lebenswerk, der Tunnel
weihten Atmosphäre re
pflichten wird. Schickele hat in diesem Buch eine sehr glückliche
unter dem Ozean, verzehrt die Kräfte seiner riesenhaften Natur
stehen sich als schuldbe
Mischung von Politik und Feuilleton gegeben und gewissermaßen
in fünfundzwanzigjährigem Kampf gegen die Elementargeister der
Erniedrigung wissen,
Erde. Das Schicksal von Millionen wird in den Wirbel der Arbeit
den vorbildlichen Typ des Korrespondentenstils aufgestellt, wobei
Gebirgssee bekennen
ihm seine journalistische Erfahrung, seine dichterische Gestaltungs¬
gerissen, das Einzeldasein verfliegt wie ein Atom vor dem fieber¬
Abenteuerin, die ihn
haften Atem dieses Molochs der =Arbeit. Banken krachen zu¬
kraft und — was das Stoffliche betrifft, — seine elsässische Ab¬
Mutter erfahren — ih
sammen, die Börsen an den Hauptplätzen der Erde werden er¬
stammung in gleicher Weise zustatten kam. Die Schreie auf dem
In schreckensvoller Al
Du? Dort haben sie 2
schüttert, das Heim des #ialen Ingenieurs geht in Trümmer, wie
Boulevard sind eine vortreffliche Lektüre, nicht zuletzt auch für seine
Zucken lief durch seinen
aft dringt durch alle Widerstände
Landsleute, denen er in der „Widmung“ seines Buchs eine er¬
sein Familienglück.
auf den Grund des Bo##
der Tochter eines amerika¬
greifende Mahnung gibt:
die Idee seines Werks# #¬
näher zu sich heran, drä
nischen Milliardärs zu glücklichem Ende führt. Der erste Zug von
Die vielen, die noch immer in Gebiete gehn, wo Frankreich Krieg
aus der Tiefe ihrer Sei
Amerika nach Europa, den Mac Allan selber durch den Tunnel
führt, sollten zu Hause bleiben. Es lohnt sich nicht mehr. Der Ruhm
beiden war es, als trieb
wird dadurch nicht schöner, daß man ihn im Kampf für die Interessen
unter dem Ozean führt, langt mit 12 Minuten Verspätung am
weiter in wachsender
irgendwelcher Diamanten=, Eisen= oder Kohlonkonsortien erringt. Wendet
Ziel an — in vierundzwanzig Stunden. Kellermann hat in
Traum ohne Ziel. Nait
eure kostbare Energie, euren Mut, eure Klugheit unserer eigenen Ange¬
diesem Werk ein Epos der Arbeit geschaffen, das aus dem Geist
wieder an Land? Durft
legenheit zu. Wendet das elsässische Abenteuer nach
Der Himmel barg für si
der modernen Zeit geboren ist, und aus dem man das Charakteri¬
Aber vergessen
Deutschland. Es ist sein natürlicher Weg:.
verführerischen Vorgefüh
stische dieser Zeit, wäre nach 10000 Jahren unsere heutige Zivi¬
wir nicht, daß die Marseillaise eine allgemeine menschliche Angelegenheit
Lippen einander hin.
lisation etwa in Staub und Asche versunken, rekonstruieren könnte
ist, zu deren Vertretung in Deutschland wir Beruf und Auftrag haben.
die Augen; die ihren a
René Schickele hat in seinem neuen Buch, Schreie auf
Es lebe Deutschland.
mer aufsteigenden graue
dem Boulevard (Paul Cassirer, erlin, 1913) eine glän¬
ihre Lider drängten, tra
Die Stimme dieses elsässischen Propheten dringt aus Berlin zu
zende Reihe interessanter französischer „Charakteristiken“ im Fresko¬
verlöschenden Welt.
uns herüber. Wenn seine Landsleute sie so wenig achten wie die
stil hingezeichnet, Charakteristiken, die den Atem der Lebenswahr¬
Diese den Schluß d
Werke des Dichters Schickele, so ist damit leider wenig geholfen.
heit ausströmen und gesehen sind durch ein starkes Temperament
so schön und gr ß,
Vielleicht tut man ihn zuletzt auch noch als verpreißten „Schwoben“
hindurch. Es ist ein rauhes, oft etwas gewalttätiges Temperament:
Neben die Prosa Thor
ab!
von dem sentimentalen Oelglanz, den so oft elsässische Rührsamkeit
ebenbürtig die Sprach
Im Verlag von Axel Juncker=Berlin hat Schickele eine feine
über die Bilder französischer Dinge und Menschen ausgießt, ist hier
Es sind zwei Werke,
kleine Geschichte Das Glück betitelt, erscheinen lassen, die das
nicht die Spur zu finden. Dafür aber eine packende Kunst der
Charakteristik, die sich stützt auf eine ganz intim=perjönlich wirkende! Erlebnis eines tumben, teutschen Gärtnergesellen in Paris mit köst= stolz sein darf.