I, Erzählende Schriften 28, Frau Beate und ihr Sohn. Novelle, Seite 30

Frau Beate
und ihr Sohn
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28. een enn en e en e e e en e e e e e.
Frau Beate und ihr Sohn. Novelle von Arthur Schnitzler. Ver¬
lag S. Fischer, Berlin 155 S.
und 3 =K 50
4.50
Im Lebenswerk des österreichischen Tichters=bedenter seine
jüngste Dichtung künstlerisch keinen Merkstein, aber sie bezeichnet
sehr deutlich und schön die erreichte Höhe des Könnens. Eine
fließende, äußerlich konventionell angelegte und doch überall wie
heimlich neu von innen her belebte Sprache teilt alles Junerliche
in ruhiger Erzählung mit, ohne sich alls gefügig nach Tempo
und Ton dem Inhalt anzupassen. Dieser Von einer feinsinnigen
Unterhaltung mildert gleichsam die Geschehnisse mit seinem vor¬
nehmen Gleichmut. Eine Landschaft erscheint zwischen den Ge¬
schehnissen, eine Atemluft durchzieht ne, die selbst das Un¬
erwartetste begreiflich erscheinen lassen in ihrer lässigen Schwüle
und ihrer weichen Mittelmößigkeit. Es ist ein wahres Wunder,
wie dentlich dieser See, diese Hotelterrasse, die waldigen Ufer¬
höhen, diese Bootfahrten und Mandolinabende alle dem Leser
werden; wiewohl die Darstellungzihnen fast nie die volle Auf¬
merksamkeit zulenkt, sondern ihn immer im Banne der Gestalten
hält. Auf Frau Beate, die Witshe eines bedeutenden Schauspielers
und Mutter eines halberwachtenen Sohnes, ist alles eingestellt.
Ihr ist der meiste Raum gewidmet, mit ihren Augen werden
die Menschen und die Umstände gesehen, denen kein von ihrem
—0 —
abgelöstes dichterisches Eigenleben zukommt. Ihr brüchiges
Innenleben, das mit äußerlicher Haltung, und einer gewissen
Ausschnitt aus: Kritische Rundschau,
erfahrenen Lebensklugheit eine tiefe Schwäche und Haltlosigkeit
verbindet, ihre weichmütige Lebensauffassung, die zwischen
mattem, aber herbem Aburteilen und sinnlich=sehnlichem Be¬
11912 1910 München.
gehren schwankt, diese beiden bestimmen fast Satz für Satz das
vom:
—. Wiberscheint.
Werk. Im Halblicht dieses menschlich sympathischen, geistig
bedeutungslosen Daseins taucht eine bunte Sommerfrischen¬
F. St.
gesellschaft auf. Nicht wenige Herren stehen in mehr oder minder
Arthur Schnitzler, Frau Beate und ihr
unausgesprochenen erotischen Beziehungen zu Frau Beate, treten
mit werbenden Blicken, Gebärden, Worten an sie, die schöne,
Sohn.
innerlich nachgiebige, äußerlich abgesonderte Frau heran. Es
Berlin, S. Fischer. 155 Seiten. Geh. M. 2.50, geb.
geschieht so natürlich, wird so begreiflich, daß ein junges
M. 3.50.
Menschenkind, ein Freund des Sohnes, der in ihrem Hause
wohnt, endlich in. schwüler Nacht ihren Widerstand überwindet.
Mit etwas akademisch gewordener Sprache und
Nicht einmal der Zauber fällt vonsihr dabei ab, der eine selüist
für bedeutendere Männer besitzenswerte Frau umkleidet. Doch
einem großen Aufgebot von Intellektualismus er¬
die bittertte Enttäuschung eröffnet nun einen furchtbaren Aus¬
zählt uns Schnitzler eine Novelle aus einer oester¬
gang. nachdem Frau Beate entdeckt hat, daß sie in der Lebens¬
entwicklung des Jungen nur ein leicht beiseite geworfenes Werk¬
reichischen Sommerfrische. Die Witwe eines beliebten
zeug ist wie eine elegante Demimondäne es gleichzeitig in der¬
und berühmten Schauspielers lebt nur für den vor
selben Sommerfrische für ihren Sohn geworden ist. Durch die
vier Jahren verstorbenen innigst geliebten Getten
allzu leichten Schleier der „Diskretion“ dringen die Geheimnisse
rasch, Mutter und Sohn erfahren gegenseitig von ihren Ent¬
und für ihren Sohn Hugo. Ihr Muttergefühl sucht
tauschungen, binter dem Sichwegwerfen taucht plötzlich das tief¬
den Siebzehnjährigen vergebens vor einer „überreifen“.
geheime Motib ihres unüberwindlichen Begehrens auf, der
Inzestwille. Und er verwirklicht sich im gemeinsamen Tode.
Verführerin zu bewahren. Frau Beate selbst glei¬
Etwas wie ein versöbnendes Licht fällt so auf die unheilvolle
tet — wie infiziert durch die erotische Atmosphäre
Verwirrung von Mutter und Sohn, Geliebtem und Geliebter.
des Sommerortes — aus ihrer kühlen Selbstsicher¬
Mir ist kein Lebender bekannt, der so sicher und frei, so jen¬
seit aller inneren und äußeren Schwierigkeiten diese düsteren
heit heraus zuerst in die Arme „möglicher“, schlie߬
Schicksale hätte geben können wie Schnitzler. Der vollkommene
lich in die eines wirklichen Geliebten. Fritzl, ein
Sieg des Seelengestalters über die irrsäligen inneren Entwick¬
lungen besiegt leicht und gewiß die Bedeuten, die sich etwa gegen
Altersgenosse Hugos, läßt sich durch einen abgefeim¬
die breite Darstellung dieser Themen erhebesmöchten; ohne Un¬
ten Kameraden das Geständnis seiner Beziehungen
ruhe, nur ergriffen vom Lebensgehaltssuch=der haltlosen Schick¬
zu Beate entwinden. So erfährt es der Sohn im
sale betrachtet man endlich das erfüllte eschick, das sich lückenlos
vor dem inneren Ange darbot.
S.
Hause seiner Freundin. Frau Beate und ihr Sohn
lösen sich von den übrigen Menschen los und finden
Margarete Nikolaus: Sonnenkind. Verlag von Ludwig Ungelenk.
Dresden, 1913.
im Sterben ein letztes, tiefstes, gegenseitiges Verstehen.
Ein Buch für Dresden und die Dresdner und dabei
— Merkwürdige Menschen, wie Schattenrisse auf
ein rechtes, schönes Weihnachtsbuch, das allen willkommen sein
einen metaphysisch=erotischen Grund projiziert! Oder
wird, die in der Hast der Tage sich in stiller Beschaulichkeit
etwas vorvlaudern lassen wollen aus der Zeit, „da der Gro߬
wie Figuren einer außergewöhnlichen Schach¬
vater die Großmutter nahm". Eine heimliche, längst versunkene
partie, die niemals selbst, sondern nur durch ihre Be¬
Welt steigt wieder vor uns auf mit Menschen von rührender
Reinheit des Empfindens, scheuer Güte und zarter, stiller Treus.
ziehungen und Stellungen im Spiel interessieren.
Menschen ohne echte Menschlichkeit!
K. K. „
Teseiuer Anreige- Seuntae-Eelage 25.000./1942