I, Erzählende Schriften 28, Frau Beate und ihr Sohn. Novelle, Seite 47

und ihr Sohn
Frau Beate
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droben im Norden vor Heimweh sterben möchte nach der ein¬
chtungsweise als wichtig
Peite des Blicks im Vor¬
samen Station am Meer, die er in Selbständigkeit und Selbst¬
egen jenen andern ist,
herrlichkeit und gleichwohl im treusten Dienste um Kolonisie¬
gebote steht, der nie um
rung zur schmucksten in ganz Ostafrika gemacht hat. In die
Ueberfülle unterliegt.
bringt er vom Urlaub — weil sich's so gehört — eine deutsche
Frau mit, seine Frau, die neue Frau Wachtmeister. Und er
elle läßt sich, fast wie
hat sein Verhängnis mitgebracht. Aber er spürt es vorerst nicht;
Datums, leicht auf eine
denn alle sind glücklich auf der Station, daß sie ihn wieder
in dem Sohn den ver¬
haben, und er ist glücklich, daß er sie alle wieder hat, den Ser¬
mit in den Tod ziehend,
geanten, den Gefreiten, die Hunde, die ihn ansprangen, den
nicht anders lieben darf
krüppligen Hottentotten und Dina, das schwarze kleine Mäd¬
über dem gemeinsamen
chen, die nur arbeitete, so lange er der Herr war, weil sie in
hn nur rein in die Arme
ihm den unentbehrlichen Herren liebte. Da war er nun heim¬
ichwegwerfen im Tode
gekehrt aus der Heimat:
hnitzler so ziemlich am
.. die Nacht kam mit dem Reiben und Klatschen und
kterisch oft aufhält und
Schlagen der See am Strande; und mit dem fließenden Mond¬

lisie andere Kreise sich
licht in der weißen Wüste, das, so närrisch es klingt, selbst ein
Stumpfsinniger fühlt und hört; und mit dem Pfauenschreien
lle nichts zu tun, und
und dem Keckern der ranzenden Schakale in der Ferne; und
Landrichter, Studenten
dem Knurren und Träumen der ruhenden Stationshunde;
alles in ihrem Handeln
und dem gemächlichen Blasen und Mahlen und langsamen
frische alle um den See
Aufstampfen der Pferde und Maultiere im Stalle.
sich in diese ganze Ge¬
Der Holsteiner aber lag wach im Bett und war glücklich.
Notwendigkeit mitten
Er hat ganz recht, der Holsteiner; das ist so heimatlich geschil¬
spielen diese leichten
dert, so aus des Holsteiners Herzen und Gehör und allen
sche Ende kaum wert zu
Sinnen herans, daß wir ihn verstehen, wenn er dort hinaus und
er ist, Schnitzler wird es
nicht nach dem hölzernen Weibe hinhorcht, die er sich mitge¬
nig Sentimentalität, ein
bracht hat, weil sich's so gehört.
wenig undeutsche Süße:
Aber sie verstand ihr Handwerk nicht. Und also zerstörte
ht, der Kraft genug hat,
sie. Zwar hielt der Wachtmeister sein Lächeln fest im Gesicht;
schmack den Sieg davon¬
aber mit immer größerer Mühe. Ganz weh waren ihm die
Muskeln, ganz verzerrt wurden ihm die Züge. Sie wollte ihm
von Ha#
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unentbehrlich werden; also mußte die schaffende Dina, die laut¬
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los alles wie ein flinkes Erdwesen in Haus und Hof bestellte,
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hinaus. Die Frau versuchte ihre Uebermacht gegen die Wilde.
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Aber mit Elementen ist nicht zu spassen:
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Seitdem Dina spürte, daß in des Wachtmeisters Haus
lich selbst gesch
selbst
nicht alles zusammenstimmte, begann sie den Wachtmeister an
originell in H
und
seinem Weibe zu rächen. Fragt eine Frau, ob ein Dienstbote
das kann ohne nachweisbare Unachtsamkeiten oder Unarten.
en Licht, sprac
nicht
Und während sie ihm die vorzüglichste Dienerin war, war sie
redlichen, dem tapfern
seinem Weibe eine Qual.
chränkung des echten Er¬
Und dann wird auch der Wachtmeister unfroh, seit er
tausendsuch das Maul
drangsaliert wird von ihr, die ihr Handwerk dort draußen nicht
nichts hinter dem Buch.
verstand. Und er reitet nicht mehr gern hinaus; und er läßt
er, der in der Heimat
den störrischen Gaul, der ihm zum Einreiten gebracht wird,
drei Tage im Stall stehen. Dann sattelt er ihn. Mit ver¬
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stümmelter Hand, vom Brand schon erfaßt, kehrt er heim. Und
Dina muß ihm den Liebesdienst tun, einen glatten Stumpf zu
schaffen. Mit der Axt. Aber sie rächt sich, die Wilde, an der
Frau. Sie läuft ihren Instinkten nach; und die sagen: „Kann
der Baas für mich fechten ohne Hand? Kann der Haas.
schießen ohne Hand? Kann der Baas mir Kost geben ohne
Hand? Nein, der Baas kann das nicht tun.“ Und da sie
keinem andern untertan sein will, nicht dem Sergeanten und
nicht dem Gefreiten, läuft sie samt dem buekligen Bruder da¬
von. Die Patrouille, die den Wachtmeister draußen gesuht
hatte, kam unterdessen heim. Und der Wachtmeister mit seinem
Stumpf empfing sie allein in dem nun wie verödeten Sta¬
tionshof.
Mürrisch bediente sich der Sergeant und der Gefreite in
ihrem Zimmer selbst. Zur Unterhaltung hatte keiner Lust.
Als sie nach dem Essen und bei der Pfeife aber auftauten,
schlug plötzlich der Sergeant mit der Faust auf den Tisch.
„Wissen Sie wohl, was er mir zuerst gesagt hat? Nicht: ich
bin zum Krüppel geworden, und für mich is nu alles Essig.
Ne, sondern: Sergeant, die Dina ist fort. — Mensch, sagen
Sie nich, daß Sie das verstehen. Sagen Sie das nicht. Denn
ich schwör's Ihnen, er hat mit ihr nischt zu tun gehabt und
hat nischt von ihr gewollt. Und —, wenn Sie das jemand
sagen, daß er gesagt hat, was er gesagt hat, dann, Mensch.
dann schlage ich Ihnen alle Knochen entzwei. Awer ich, ich
hab's jemand sagen müssen, und da sind nur Sie da.
Der Gefreite schwieg.
Das sind prachtvolle Momente groß erfaßter Menschlichkeit,
abgesehen davon, daß es ein prachtvoller Novellenschluß ist.
Ich gestehe, daß die hier wiedergegebene Novelle die wertvollste
des Buches ist; aber es mögen andere sein, die aus größerer
Kenntnis des ostafrikanischen Lebens andere Lieblinge ent¬
decken.
Dies sind nun drei Bücher aus — ich weiß nicht wie
vielen! Sie sind, wennschon verschieden in ihrem Wert, die
einzigen Erherungen aus einer unendlichen Fläche. Diese
Fläche mag eine Hochebene sein; es mag wahr sein, daß es
viele gute Bücher, viele gute Erzähler gibt. Ich glaube es
nicht. Wir dürfen das von unserer Kunst ebenso wenig er¬
warten, wie von andern. Und ebenso wie wir wissen, ja alle
Welt weiß, daß es zu einer Zeit nie mehr als eine an den
Fingern abzuzählende Künstlerschaft von guten Malern, von
guten Bildhauern, Architekten und Musikern gibt, was ihrer¬
seits die Maler, die Bildhauer, die Architekten, die Musiker
nicht Wort haben wollen, so sollten wir eingestehen, daß wir
nur wenige Künstler unter denen haben, die man Dichter
nennt oder die sich Dichter nennen.