I, Erzählende Schriften 28, Frau Beate und ihr Sohn. Novelle, Seite 51

28.
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. . A . en eneneneneneenen —. S Canen
Karl Rosner
Die Erotik als Schicksal
treibt und viele Menschen um sich sieht, die ihr huldigen, kommt sie von
einer langen Reise heim, erhält Briefe und Telegramme, ist glücklich,
weint dann wieder und ist voll Schmerz, findet sich aber am Ende doch
zurecht. Monate später wird Sonja auf dem Schlosse geboren. Neben
den älteren Brüdern wächst sie heran, ist ein störrisches, stolzes und eigen¬
williges Kind, bis sie vor der Schwelle ihrer Mädchenjahre durch die
stöbernden Worte einer alten Frau Einblick in das Dunkel ihrer Herkunft
erhält. Eine grenzenlose Wirrnis entsteht in dem jungen Gemüte, das
seine suchenden Unklarheiten nun einsam trägt. Sie wird in ein Institut
gebracht. Als sie die Sommerferien zuhause verbringt, sind Freunde ihrer
Brüder auf dem Gute, und einer davon, der Maler Weiland, ist soviel um
Frau Agnes —. Nach Tagen schon sieht Sonja voll Entsetzen, wie er die
Mutter in den Armen hält und küßt — wie ihn die Mutter wieder küßt. —
Gemeinsamkeiten in dem Spiel der Linien: Gleich Schnitzlers Hugo
Heinold wird die arme Sonja wissend vor den Sünden der Mutter, und
gleich der Frau Beate findet sich Vollerts Frau Agnes mit dem knaben¬
haften Freunde des Sohnes, dessen Mutter sie sein könnte —.
Noch verworrener wird Sonjas Jugend, da Frau Agnes das Gut
verkauft, um den Söhnen ihr Erbteil geben und selbst den Maler Weiland
heiraten zu können. In Dresden baut Frau Agnes ihr neues Heim, das
bald voll Unfrieden und Tränen ist. Die herangewachsene Sonja soll
in dieses Heim einziehen. Da sie kommt, wollen die gierigen Hände des
jungen Stiefvaters nach ihr greifen; als ein verliebter Geck sie nach dem ersten
Ball an sich lockt, vertraut sie ihm, gibt sie ihm ihre ganze Sehnsucht
nach einem Menschen, der zu ihr gehört. Mit Bitterkeit und Tränen
endet dieses erste Abenteuer mit dem Assessor von Tessin — und wird die
erste große Lüge, die sie bald darauf in die neue Beziehung zu dem jungen
gläubigen Doktor Kempner trägt. Der will sie heiraten, will jedes Opfer
für sie bringen, und sie wird seine Frau, weil sie das Leben im Hause der
Mutter nicht mehr ertragen kann. Tage erst ist sie verheiratet, als sie
in dem Beisammensein mit dem Mann einer Jugendfreundin erregt und
ruhelos denken muß: „Wenn ich jetzt plötzlich auf ihn zuträte und ihm sagte
ich liebe dich, oder etwas Ahnliches — was würde er wohl tun?
Oder wenn ich mich ihm an den Hals würfe . . . .“ Und dieses lockende
Spiel mit erotischen Träumen bleibt, sie fühlt, daß ihre Ehe nicht das
Ziel ihrer Sehnsucht ist. Ihre Träume werden Taten — nach Jahr und
Tag betrügt sie ihren Mann mit seinem Assistenten — und weiß, daß sie
auch den nicht liebt —. Ihr Mann liebt sie trotz allem und will ihr ver¬
zeihen; sie aber kann sich in den Gedanken, die Ehe fortzuleben, nicht
finden, sie zieht zu ihrer inzwischen geschiedenen Mutter und betreibt die
Lösung auch ihrer Ehe. Nach stumpfen Monaten fährt sie nach Berlin,
sie will ihr Leben neu gestalten — aber wieder wird ihr die Erotik zum
Schicksal, nimmt ihr die Zügel aus den Händen. Ein Rumäne, der in
der gleichen Pension abgestiegen ist, wird ihr Geliebter, und als er sie nach
kurzem Rausch verläßt, ist ihr das Zusammentreffen mit dem Jugend¬
bekannten, der sie einstmals als erster küßte, ein rascher Trost. Dann endlich
findet sie den ernsten Mann, der sie liebt, den sie wieder liebt — mit dem sie
glücklich ist —. E kommt die Stunde, in der er sie fragt, ob sie sich an ihn
binden wolle = und es kommt mit dieser Stunde für Sonja das Erkennen,
daß auch dieses Glück ihr entgleiten werde, daß sie irgendwann in naher
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