rau Beate und ihr Sohn
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Karl Rosner
Die Erotik als Schick
oder weiter Ferne aufs neue den Ruf ihrer Sinne hören und werde
wandern müssen — ruhelos, ohne Heimat des Herzens —
Vollert kann als Erzähler nicht mit dem Maße gemessen werden,
auf das der Dichter Arthur Schnitzler ein Anrecht hat. Hier steht ein Be¬
ginnender — dort ein Reifer. An jenen die Meisterforderungen zu stellen,
vor denen ein neuer Schnitzler bestehen soll und will, hieße ungerecht
werden gegen zwei Schaffende, hieße das Werk des jungen Erzählers
erdrücken unter der Zahl der Wünsche. Vollerts „Sonja“ will an sich be¬
trachtet sein. So stellt sich der Roman als die ernste Arbeit eines von
tiefen Lebensproblemen ergriffenen Erzählers dar, der hier mit seiner
auf schlichte und ehrliche Mittel gestellten Kunst das menschliche Verstehen
für einen Frauentyp erschließen will, dessen Triebe sich in den Nahmen
unserer Gesellschaftsform nicht fügen wollen — nicht fügen können. „Sonja“.
ist das tapfere Buch eines jungen Dichters, der hier gute Gesellenarbeit tat
und der uns hoffentlich sein Meisterstück nicht lange schuldig bleiben wird.
Ein Schauspiel erotischen Trieblebens bietet auch Clara Viebig,
wenn sie in ihrem Romane Das Eisen im Feuer“ (Egon Fleischel & Co.,
Berlin) den Weg des Schmiedes Henze zeigt; die Art, wie Clara Viebig
robuste Figuren aus dem Volke und ihre derben Lebenswünsche zu schildern
weiß, ist durch viele ihrer älteren Arbeiten bekannt. Neues zur Erkenntnis der
Spannweite und der Grenzen ihres Könnens bringt dieser Roman nicht bei.
So erübrigt es wohl, den Stufen im Anstiege des Schlossergesellen Henze
berichtend zu folgen — nachzuerzählen, wie es kam, daß er zu Besitz und
Wohlstand, zur schönen reichen Frau des Meisters kam und wie er
dabei doch der Unersättliche blieb, der nach jeder langte, die ihm
gefiel. Clara Viebig hat diesen Helden und sein Schicksal in das
Berlin der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts gestellt, hat ver¬
sucht, ihn mit diesem Bilde zu verweben. Trägheiten der Seele zeigt sie
hier und dort — zu einem lebendigen Symbol der schwerblütig gärenden
Zeit will sie den tatlosen Mann gestalten, dem die rechten Wirkungs¬
möglichkeiten fehlen, die Freude am Schaffen verloren ging. Das ist
ihr nicht gelungen — und auch die Bilder, vie sie etwa von dem revo¬
lutionären Berlin von 1848 gibt, sind matt und lassen nichts von den
tieferen Gewalten spüren, die solche Blasen warfen. Bliebe zu sagen,
daß auch eine von den Schwestern der Frau Beate und der Sonja durch
die Erzählung geht. Eben die Frau des Hofschmiedes, deren Töchterchen
einen Prinzen zum Vater hatte, deren unruhiger Blick nie ohne Begehren
über den kraftvollen Gesellen Hermann Henze gleitet — bis sie den Kerl
nach dem Tode des vergrämten Mannes zum neuen Hofschmied macht —
und dann in der Erfüllung dieses Wunsches das Glück nicht findet —
Ein kluger Beobachter künstlerischen Schaffens hat einmal die
Behauptung ausgesprochen: Jeder Künstler gibt uns im Grunde nur
ein Werk — ein Bild, eine Melodie, ein Buch — und alles andere sind
Varianten und Wandlungen und Knospen des einen Werkes. Es liegt
ein Stück Wahrheit in dem Satze. Clara Viebig hat uns viele schöne Va¬
rianten ihres einen Buches geschenkt — hier gibt sie seinen müden Nach¬
klang, der selber nicht weit trägt und nur daran erinnert, wie stark das
eine Werk einst war.
Karl Rosner.
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Karl Rosner
Die Erotik als Schick
oder weiter Ferne aufs neue den Ruf ihrer Sinne hören und werde
wandern müssen — ruhelos, ohne Heimat des Herzens —
Vollert kann als Erzähler nicht mit dem Maße gemessen werden,
auf das der Dichter Arthur Schnitzler ein Anrecht hat. Hier steht ein Be¬
ginnender — dort ein Reifer. An jenen die Meisterforderungen zu stellen,
vor denen ein neuer Schnitzler bestehen soll und will, hieße ungerecht
werden gegen zwei Schaffende, hieße das Werk des jungen Erzählers
erdrücken unter der Zahl der Wünsche. Vollerts „Sonja“ will an sich be¬
trachtet sein. So stellt sich der Roman als die ernste Arbeit eines von
tiefen Lebensproblemen ergriffenen Erzählers dar, der hier mit seiner
auf schlichte und ehrliche Mittel gestellten Kunst das menschliche Verstehen
für einen Frauentyp erschließen will, dessen Triebe sich in den Nahmen
unserer Gesellschaftsform nicht fügen wollen — nicht fügen können. „Sonja“.
ist das tapfere Buch eines jungen Dichters, der hier gute Gesellenarbeit tat
und der uns hoffentlich sein Meisterstück nicht lange schuldig bleiben wird.
Ein Schauspiel erotischen Trieblebens bietet auch Clara Viebig,
wenn sie in ihrem Romane Das Eisen im Feuer“ (Egon Fleischel & Co.,
Berlin) den Weg des Schmiedes Henze zeigt; die Art, wie Clara Viebig
robuste Figuren aus dem Volke und ihre derben Lebenswünsche zu schildern
weiß, ist durch viele ihrer älteren Arbeiten bekannt. Neues zur Erkenntnis der
Spannweite und der Grenzen ihres Könnens bringt dieser Roman nicht bei.
So erübrigt es wohl, den Stufen im Anstiege des Schlossergesellen Henze
berichtend zu folgen — nachzuerzählen, wie es kam, daß er zu Besitz und
Wohlstand, zur schönen reichen Frau des Meisters kam und wie er
dabei doch der Unersättliche blieb, der nach jeder langte, die ihm
gefiel. Clara Viebig hat diesen Helden und sein Schicksal in das
Berlin der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts gestellt, hat ver¬
sucht, ihn mit diesem Bilde zu verweben. Trägheiten der Seele zeigt sie
hier und dort — zu einem lebendigen Symbol der schwerblütig gärenden
Zeit will sie den tatlosen Mann gestalten, dem die rechten Wirkungs¬
möglichkeiten fehlen, die Freude am Schaffen verloren ging. Das ist
ihr nicht gelungen — und auch die Bilder, vie sie etwa von dem revo¬
lutionären Berlin von 1848 gibt, sind matt und lassen nichts von den
tieferen Gewalten spüren, die solche Blasen warfen. Bliebe zu sagen,
daß auch eine von den Schwestern der Frau Beate und der Sonja durch
die Erzählung geht. Eben die Frau des Hofschmiedes, deren Töchterchen
einen Prinzen zum Vater hatte, deren unruhiger Blick nie ohne Begehren
über den kraftvollen Gesellen Hermann Henze gleitet — bis sie den Kerl
nach dem Tode des vergrämten Mannes zum neuen Hofschmied macht —
und dann in der Erfüllung dieses Wunsches das Glück nicht findet —
Ein kluger Beobachter künstlerischen Schaffens hat einmal die
Behauptung ausgesprochen: Jeder Künstler gibt uns im Grunde nur
ein Werk — ein Bild, eine Melodie, ein Buch — und alles andere sind
Varianten und Wandlungen und Knospen des einen Werkes. Es liegt
ein Stück Wahrheit in dem Satze. Clara Viebig hat uns viele schöne Va¬
rianten ihres einen Buches geschenkt — hier gibt sie seinen müden Nach¬
klang, der selber nicht weit trägt und nur daran erinnert, wie stark das
eine Werk einst war.
Karl Rosner.
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