28.
Fa
B
und ihr Sohn
box 4/5
KAu Ate S
Aussehmiee auß:
entermanns Monatchefte, Braun
vom:
G
Emtarhin=Balohnad
Arthur Schnitzler: „Frau Beate und ihr Sohn“ (Berlin, S. Fischer) — „Lotte von Brobergen, Geschichte einer Liebe in Briesen
aus der Werther=Zeit“. Nach Originalen herausgegeben von Margarete Böing (Berlin, Gebr. Paetel) — Chomas Mann: „Der
Cod in Venedig“ (Berlin, S. Sischer) — Heinrich Jederer: „Sisto e Sesto“, eine Erzählung aus den Abruzzen (Heilbronn, Eugen
Salzer) — Hermann Stegemann: „Die Himmelspacher“ (Berlin, Eg. Fleischel & Ko.) — Guglielmo Ferrero: „Die Frauen der
Cäsaren“ (übersetzt von E. Kapff; Stuttgart, Jul. Hoffmann) — Gustav Fregtags Briefe an Albrecht von Stosch, herausgegeben
von Dr. Hans F. Helmolt (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt) — Jelix Philippi: „Alt-Berlin“, Erinnerungen aus der Jugendzeit
(Berlin, Mittler & Sohn) — Paul Heuse: „Jugenderinnerungen und Bekenntnisse“, zweiter Band (Stuttgart, Cotta)
Deine größere Verführung gibt es für den seelische Bedrängnis anfällt; und sie selbst, die
Jpsychologischen Noman= und Novellenschrift= Mutter, steht diesem neuen Wesen ihres Hugo
steller als die Versuchung, die Probleme seiner
scheu und ratlos gegenüber. Wohl sieht sie in
Kunst immer noch feiner, immer noch diffiziler
der heißen, zügellosen Art, wie sich der Bub
und aparter zu nehmen. Es geht ihm wie dem
dem ersten Rausche seiner jungen Leidenschaft
Bergkletterer, der mit jedem überwundenen
zu einer reifen, erfahrenen, mit allen Reizen
Zacken seine Kräfte wunderbar wachsen fühlt der großen Welt ausgestatteten Frau hingibt,
und nun mit dem Weiterklimmen und =steigen das gesetzlose Blut ihres Mannes erwachen, aber
nicht früher ein Ende findet, als bis er auf einer diese düstere, geheimnisvolle Leidenschaft war es
Höhe, einem isolierten Punkte angekommen ist, gerade, die zwischen ihr und jenem Wandlungs¬
von wo es kein Zurück, keinen Zusammenhalt reichen, nie Befriedigten, nie ganz Behausten
mit der breiten, ebenen Erde mehr gibt. In immer wieder eine letzte Schranke aufrichtete.
diesem Falle ist, fürchte ich, Arthur Schnitz= Sie will den Jungen halten, seine duftende
ler gegenwärtig. Schon in seinen ersten Er¬
Jugend bewahren vor dem Ekel, der diesem irre¬
zählungen war eine Neigung zur psochologischen
gegangenen Rausch der Sinne notgedrungen fol¬
Spintisiererei zu beobachten, die über die Gebote
gen muß, und wählt dafür in der tapferen Angst
einer feinen und tiefen Seelenkunde hinausging,
ihres Mutterherzens gleich das äußerste Mittel,
und sein medizinischer Beruf, der bei ihm mehr
das es gibt: sie bittet die Frau, in deren Banden
als ein Handwerk ist, hat diese Neigung nur
der Sohn liegt, persönlich, ihn freizulassen, ihn
noch verstärkt. Anaustreibbar scheint diesem Be¬
ihr wiederzugeben. Das Mittel versagt, wie
rufe ein Suchen und Haschen nach interessanten,
nicht anders zu erwarten. Und — wendet sich
einzigartigen Fällen eingeimpft zu sein. Rein
mit seinem vergifteten Stachel gegen sie selbst.
artistisch betrachtet, bedeutet das vielleicht nur
Hat sie sich bisher gegen die werbenden Galan¬
noch einen höheren Grad des Ruhmes und der
terien und Zärtlichkeiten der Männer ihrer Be¬
Vollendung zumal für den Novellendichter, den
kanntschaft mit Kühle, mit der abwehrenden Er¬
die Spezies selbst auf solche Stoffwahl hinweist.
innerung an ihren Gemahl zu panzern vermocht,
Aber es liegt darin zugleich auch die Gefahr
so fällt sie jetzt, durch das in ihr widerhallende
der übertriebenen Isolierung, der Einkapselung,
Erlebnis mit ihrem Einzigen im Innersten auf¬
aus der heraus kein Weg mehr zu der All¬
gewühlt, desto widerstandsloser den Versuchun¬
gemeinheit des Empfindens zurückführt.
gen des Blutes zum Opfer. Doch nicht einer von
In seiner Erzählung „Frau Beate und
den reifen, erfahrenen Männern, die sie offen
ihr Sohne hat der Wiener diese äußerste
oder geheim umwerben, ist es, dem sie erliegt,
Grenze der künstlerischen Absonderung erreicht,
sondern — so will es der Eigensinn des Dichters
wenn nicht schon überschritten. Was er da er¬
offenbar der =Parallelität der Fällee zuliebe —
zählt oder vielmehr analysiert, ist ein spezieller
ein Freund und Altersgenosse ihres Sohnes, ein
Krantheitsfall, dem es nicht gelingt, eine charak¬
achtzehnjähriger Gymnasiast gleich ihm.
teristische oder gar allgemein menschliche Beheut¬
Hier stutzen wir. Verträgt sich wirhlich Mütter¬
samkeit vorzutäuschen, wie es doch wohl beab¬
lichkeit, Frauenzartheit und selbstlose Hingabe,
sichtigt war. Auch wenn wir dies „Allgemein¬
wie Schnitzler sie an dieser Vierzigjährigen schil¬
menschliche auf das weiche, überfeinerte Wiener
dert, in ein und demselben Herzen mit solcher
Milieu lokalisieren, in dem die Geschichte spielt
sinnlichen, bloß zinnlichen Auflösung, wie sie nun
und wurzelt. Frau Beate Heinold, die Witwe
über diese Frau kommt? Ist es denkbar, daß
des vielgefeierten Schauspielers, glaubte schon
nicht schon früher, weit früher der Ekel vor die¬
seil Jahren nur noch ein Glück und Lebensziel
sem wochenlang Nacht für Nacht währenden
zu kennen: den seelischen Zusammenhalt mit
Verhältnis sie würgt, bevor sie noch in einer
ihrem siebzehnjährigen Sohn, der eben anfängt,
peinlichen Lauscherszene aus dem Munde des
die ersten selbständigen Schritte in das gefähr¬
Begünstigten selbst erfährt, daß sie ihm nicht
liche, von Versuchungen und Gefahren umlauerte
mehr als ein Instrument der Lust und der jungen¬
Leben hinaus zu tun. Der sonst so kindlich Ver¬
haften Renommage? Wir glauben der feinen,
trauensselige gibt sich auf einmal fremd und ver¬
behutsamen Kunst eines Schnitzler vieles, aber
schlossen, da ihn — sie fühlt, sie weiß es in
dieses glauben wir ihm nicht, um so weniger, als
ihrem stets wachen Mutterherzen — die erste er es gerade an diesem Punkte, wo die äußerste
überzeugungskraft dichterischer Seelenkunst hätte menkünfte mit neuer Glut, neuer Sehn
neuen Schmerzen genährt wurde, immen
so edelschönen Briefen ausströmen ließe
aufgeboten werden müssen, an Sorgfalt und Ge¬
wissenhaftigkeit hat fehlen lassen.
vie Frau Beate außergewöhnlich wenn auch die des Offiziers nicht auf
wir lesen doch auch sie
Fa
B
und ihr Sohn
box 4/5
KAu Ate S
Aussehmiee auß:
entermanns Monatchefte, Braun
vom:
G
Emtarhin=Balohnad
Arthur Schnitzler: „Frau Beate und ihr Sohn“ (Berlin, S. Fischer) — „Lotte von Brobergen, Geschichte einer Liebe in Briesen
aus der Werther=Zeit“. Nach Originalen herausgegeben von Margarete Böing (Berlin, Gebr. Paetel) — Chomas Mann: „Der
Cod in Venedig“ (Berlin, S. Sischer) — Heinrich Jederer: „Sisto e Sesto“, eine Erzählung aus den Abruzzen (Heilbronn, Eugen
Salzer) — Hermann Stegemann: „Die Himmelspacher“ (Berlin, Eg. Fleischel & Ko.) — Guglielmo Ferrero: „Die Frauen der
Cäsaren“ (übersetzt von E. Kapff; Stuttgart, Jul. Hoffmann) — Gustav Fregtags Briefe an Albrecht von Stosch, herausgegeben
von Dr. Hans F. Helmolt (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt) — Jelix Philippi: „Alt-Berlin“, Erinnerungen aus der Jugendzeit
(Berlin, Mittler & Sohn) — Paul Heuse: „Jugenderinnerungen und Bekenntnisse“, zweiter Band (Stuttgart, Cotta)
Deine größere Verführung gibt es für den seelische Bedrängnis anfällt; und sie selbst, die
Jpsychologischen Noman= und Novellenschrift= Mutter, steht diesem neuen Wesen ihres Hugo
steller als die Versuchung, die Probleme seiner
scheu und ratlos gegenüber. Wohl sieht sie in
Kunst immer noch feiner, immer noch diffiziler
der heißen, zügellosen Art, wie sich der Bub
und aparter zu nehmen. Es geht ihm wie dem
dem ersten Rausche seiner jungen Leidenschaft
Bergkletterer, der mit jedem überwundenen
zu einer reifen, erfahrenen, mit allen Reizen
Zacken seine Kräfte wunderbar wachsen fühlt der großen Welt ausgestatteten Frau hingibt,
und nun mit dem Weiterklimmen und =steigen das gesetzlose Blut ihres Mannes erwachen, aber
nicht früher ein Ende findet, als bis er auf einer diese düstere, geheimnisvolle Leidenschaft war es
Höhe, einem isolierten Punkte angekommen ist, gerade, die zwischen ihr und jenem Wandlungs¬
von wo es kein Zurück, keinen Zusammenhalt reichen, nie Befriedigten, nie ganz Behausten
mit der breiten, ebenen Erde mehr gibt. In immer wieder eine letzte Schranke aufrichtete.
diesem Falle ist, fürchte ich, Arthur Schnitz= Sie will den Jungen halten, seine duftende
ler gegenwärtig. Schon in seinen ersten Er¬
Jugend bewahren vor dem Ekel, der diesem irre¬
zählungen war eine Neigung zur psochologischen
gegangenen Rausch der Sinne notgedrungen fol¬
Spintisiererei zu beobachten, die über die Gebote
gen muß, und wählt dafür in der tapferen Angst
einer feinen und tiefen Seelenkunde hinausging,
ihres Mutterherzens gleich das äußerste Mittel,
und sein medizinischer Beruf, der bei ihm mehr
das es gibt: sie bittet die Frau, in deren Banden
als ein Handwerk ist, hat diese Neigung nur
der Sohn liegt, persönlich, ihn freizulassen, ihn
noch verstärkt. Anaustreibbar scheint diesem Be¬
ihr wiederzugeben. Das Mittel versagt, wie
rufe ein Suchen und Haschen nach interessanten,
nicht anders zu erwarten. Und — wendet sich
einzigartigen Fällen eingeimpft zu sein. Rein
mit seinem vergifteten Stachel gegen sie selbst.
artistisch betrachtet, bedeutet das vielleicht nur
Hat sie sich bisher gegen die werbenden Galan¬
noch einen höheren Grad des Ruhmes und der
terien und Zärtlichkeiten der Männer ihrer Be¬
Vollendung zumal für den Novellendichter, den
kanntschaft mit Kühle, mit der abwehrenden Er¬
die Spezies selbst auf solche Stoffwahl hinweist.
innerung an ihren Gemahl zu panzern vermocht,
Aber es liegt darin zugleich auch die Gefahr
so fällt sie jetzt, durch das in ihr widerhallende
der übertriebenen Isolierung, der Einkapselung,
Erlebnis mit ihrem Einzigen im Innersten auf¬
aus der heraus kein Weg mehr zu der All¬
gewühlt, desto widerstandsloser den Versuchun¬
gemeinheit des Empfindens zurückführt.
gen des Blutes zum Opfer. Doch nicht einer von
In seiner Erzählung „Frau Beate und
den reifen, erfahrenen Männern, die sie offen
ihr Sohne hat der Wiener diese äußerste
oder geheim umwerben, ist es, dem sie erliegt,
Grenze der künstlerischen Absonderung erreicht,
sondern — so will es der Eigensinn des Dichters
wenn nicht schon überschritten. Was er da er¬
offenbar der =Parallelität der Fällee zuliebe —
zählt oder vielmehr analysiert, ist ein spezieller
ein Freund und Altersgenosse ihres Sohnes, ein
Krantheitsfall, dem es nicht gelingt, eine charak¬
achtzehnjähriger Gymnasiast gleich ihm.
teristische oder gar allgemein menschliche Beheut¬
Hier stutzen wir. Verträgt sich wirhlich Mütter¬
samkeit vorzutäuschen, wie es doch wohl beab¬
lichkeit, Frauenzartheit und selbstlose Hingabe,
sichtigt war. Auch wenn wir dies „Allgemein¬
wie Schnitzler sie an dieser Vierzigjährigen schil¬
menschliche auf das weiche, überfeinerte Wiener
dert, in ein und demselben Herzen mit solcher
Milieu lokalisieren, in dem die Geschichte spielt
sinnlichen, bloß zinnlichen Auflösung, wie sie nun
und wurzelt. Frau Beate Heinold, die Witwe
über diese Frau kommt? Ist es denkbar, daß
des vielgefeierten Schauspielers, glaubte schon
nicht schon früher, weit früher der Ekel vor die¬
seil Jahren nur noch ein Glück und Lebensziel
sem wochenlang Nacht für Nacht währenden
zu kennen: den seelischen Zusammenhalt mit
Verhältnis sie würgt, bevor sie noch in einer
ihrem siebzehnjährigen Sohn, der eben anfängt,
peinlichen Lauscherszene aus dem Munde des
die ersten selbständigen Schritte in das gefähr¬
Begünstigten selbst erfährt, daß sie ihm nicht
liche, von Versuchungen und Gefahren umlauerte
mehr als ein Instrument der Lust und der jungen¬
Leben hinaus zu tun. Der sonst so kindlich Ver¬
haften Renommage? Wir glauben der feinen,
trauensselige gibt sich auf einmal fremd und ver¬
behutsamen Kunst eines Schnitzler vieles, aber
schlossen, da ihn — sie fühlt, sie weiß es in
dieses glauben wir ihm nicht, um so weniger, als
ihrem stets wachen Mutterherzen — die erste er es gerade an diesem Punkte, wo die äußerste
überzeugungskraft dichterischer Seelenkunst hätte menkünfte mit neuer Glut, neuer Sehn
neuen Schmerzen genährt wurde, immen
so edelschönen Briefen ausströmen ließe
aufgeboten werden müssen, an Sorgfalt und Ge¬
wissenhaftigkeit hat fehlen lassen.
vie Frau Beate außergewöhnlich wenn auch die des Offiziers nicht auf
wir lesen doch auch sie