I, Erzählende Schriften 28, Frau Beate und ihr Sohn. Novelle, Seite 76

Sohn
und ihr
rau Be
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28. PnPate A
denschaft ist. Und das ist an sich
rischen Errungenschaften der letzten
schon wenig, wenn anders man von
Jahrzehnte bewußt oder unbewußt
einer Dichtung, die nach Stoff und
das meiste preisgegeben habe, um
Stil recht viel beansprucht, mehr ver¬
gewiß in die Nähe der würdigen
langt als die Sensationen einer
alten Herren zu kommen, die ihre
gänzlich unsensationellen, mit starker,
Aberlegenheit nicht durch Können
geschickter Sachlichkeit gepflegten
sondern durch kunstlästerliche Kühle
Sprache. Aus dieser heraus bildet
bezeugen möchten. So ist denn, rein
sich allerdings im Verlaufe des Gan¬
äußerlich, ein ungewollter, pedan¬
zen eine vornehme Geistigkeit, worin
tischer Dilettantismus entstanden als
die seelischen Vorgänge gleichsam ge¬
das seltsame Zeugnis einer von drei¬
prüft werden. Aber wiederum ge¬
mal zu schwerer Bewußtheit über¬
schieht dies trocken, auf eine des
lasteter Begabungschwäche. Durch
Lächelns entbehrende Weise, nur sel¬
ihn leuchtet die immerhin seelisch
ten liegt ein Anflug kühnen, selbst¬
feine Intuition nur selten und matt
vertrauensvollen Denkens, selten ein
hindurch. Der wahrhaft edle Wille,
Schimmer großzügiger Weltauffas¬
an einem bizarren Erlebnis das ewig
sung darüber. Nur Thomas Mann
Labile des Künstlertums in seiner
kann so schreiben, gewiß! aber leider
vollen Tiefe, ganz umfassend und in
konnte Thomas Mann auch einmal
mancherlei Lichte aufzuzeigen, ist
Halbgehaltiges so schreiben. Aber
nicht über die allzu vielstrichige
die Mitteilungen betreffend das
Zeichnung des Einzelfalles zu der
Innenleben Aschenbachs, die Mann
großen Synthese und der lebendigen
der Novelle vorausgehen läßt, wäre
Gestaltung hindurchgedrungen. Wenn
übrigens mancherlei zu sagen. Er
man bedenkt, daß weder das Jahr
hält diesen Vertreter der „am Rande
„19..“, noch die Beunruhigungen
der Erschöpfung“ Arbeitenden, der
„unseres Kontinents“ noch die
„jenseits des Wissens, der auflösen¬
Münchner vornehme Straße, noch
den, hemmenden Erkenntnis“ „mora¬
der Spaziergang, ja daß fast die ge¬
lische Entschlossenheit" betätigt, der
samten dreißig einleitenden biogra¬
„Zucht“ über alles bevorzugt, seinen
phischen Seiten mit dem Haupt¬
Ruhm „verwaltet", „vom Schreib¬
erlebnis der Novelle gar nichts zu
tisch aus repräsentiert“, etwas „Amt¬
tun haben, nicht wieder vorkommen
lich=Erzieherisches“ annimmt und
und noch weniger anschaubar wirk¬
einer „ganzen dankbaren Jugend“
sam werden, so ist der tiefste Wider¬
Führer ist, ich sage: Mann hält die¬
sinn dieses Gebildes gekennzeichnet.
sen Aschenbach offenbar für überaus
Daß Gustav Aschenbach über Triest
wichtig, wertvoll, bedeutsam. Sein
nach Venedig reist, dort im Hotel
biographisches Feuilleton wimmelt
und am Strande einen kleinen pol¬
wenigstens von wohlgesetzten Auer¬
nischen Knaben bemerkt und ohne
kennungen und ist durchzogen von
ein Wort mit ihm zu wechseln eine
einem stummen „Hochachtungvollst!“
heftige Reigung zu ihm faßt, bis er
Mir für mein Teil scheint diese Auf¬
schließlich an dieser Stelle zugrunde
fassung dem Schriftsteller geben zu
geht, dieser innere Vorgang vermischt
wollen, was allenfalls dem Dichter
sich unsicher mit recht „lebens¬
zukommt. Eine seltsame Aberschätzung
wahren" Bildern aus dem Hotel¬
des öffentlichen, sozialen, soziologi¬
leben, der Friseurstube, dem Bahn¬
schen Wertes einzelner Romane und
hof und der Badeanstalt. Aber die
Arbeiten spricht daraus, eine halbe,
Echtheit ist hier hölzern und steif,
entsprechend der „Würde“, nach der zwiespältige Stellung zum „Wissen“
zu streben Gustav Aschenbachs Lei= das denn doch wahrlich nicht erst
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