I, Erzählende Schriften 28, Frau Beate und ihr Sohn. Novelle, Seite 75

Sohn
und ihr
28. Frau Bea
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derjungwerden des Alternden fehlen
Sohnes, überrascht sie in schwüler
die Unterströme des Bluts, dessen
Nacht, gewinnt keck ihre Gunst, und
Wallen uns auch das Groteske,
damit ist ihr labiles Dasein jedes
Lächerliche wie das Exzessive, Er¬
Halts beraubt; sie erträgt nicht mehr
schreckende begreiflich, ja tief wert
den Alltag, das ruhige Nachdenken
machen könnte. Die ehrenwerte Ar¬
zeigt ihr sich entehrt, herabgezerrt;
beit macht einen müden, sehr deutlich
sie belauscht ein Gespräch der Jun¬
gesagt: einen langweiligen Eindruck.
gen, durch das sie sich tief geschändet
Wollte sich Mann einmal an einem
fühlt. Die geselligen Verpflichtun¬
ihm innerlich gänzlich unzugäng¬
gen, die Ordnung der Tagstunden
lichen Gegenstand probieren, so hätte
tritt zurück vor ihrem innern
dies füglich besser unter Ausschluß
Grauen; in diesem Augenblick öffnet
der Öffentlichkeit geschehen können.
sich ihr von neuem das Innenleben
Schnitzler gibt aus unerschöpflicher
des Sohnes, der, nicht minder von
Intuition oder intuitiver Erfahrung,
seinem „Erlebnis“ aufs tiefste und
sein Werk macht glühen, trotz aller
gramvoll enttäuscht, in junger Ver¬
mildernden Gelassenheit des Vor¬
zweiflung das Lebensende ersehnt.
trags. In einer starken einheitlichen
Da steigt aus letzten Gründen end¬
Stimmung lebt seine Dichtung
lich beiden der Wunsch auf, in einan¬
(„Frau Beate und ihr Sohn"). Die
der die Ruhe und Beglückung zu fin¬
Witwe des großen Schauspielers
den, die sie nach der ersten Tren¬
Ferdinand Heinold lebt mit ihrem
nung vergebens bei Fremden suchten.
halbwüchsigen Sohne in der Som¬
Im gemeinsamen Tode wird sie
merfrische. Ohne abgegrenzte In¬
ihnen, und auf die unheilvolle Ver¬
halte folgen sich die Tage, die Stun¬
wirrung von Mutter und Sohn, Ge¬
den gehen dahin in halbem Traum,
liebtem und Geliebter, fällt so etwas
Einsomkeit, Unsicherheit liegt über
wie ein versöhnendes Licht. — Fern
dem Wesen der schönen, bisher so
aller Entsetzlichkeit vollzieht sich dies
lebenskrüftigen Frau. In der lauen,
fast in Hoheit, in der Sphäre armen,
schwülen Zeit wird sie gewahr, daß
jedwede Teilnahme fordernden
ihr Sohn, dessen reines Kindtum sie
Menschtums, und dies Gefühl zu
hütete und liebte, ihr entgleitet.
geben wird immer ein Ruhm dieser
Überstürzt sucht sie die allbekannte
Dichtung bleiben.
Frau auf, an die sie ihn verloren
Thomas Manns „Tod in Vene¬
hat. Aber es ist zu spät. Angstlich
dig“ beginnt mit einem seltsamen
nun verbirgt sie sich das innerste,
Satz. „Gustav Aschenbach oder von
unzweifelhafte Wissen um die heim¬
Aschenbach, wie seit seinem fünfzig¬
lichen Wege des Jungen, und un¬
sten Geburtstag amtlich sei: Name
sicherer noch als vorher widersteht
lautete, hatte an einem Frühlings¬
sie dem offenen und dem heimlichen
nachmittag des Jahres 19.., das
Werben einer ganzen Anzahl von
unserm Kontinent monatelang eine
Männern. Im Spiel damit über¬
so gefahrdrohende Miene zeigte, von
täubt sie die Sorge und Eifersucht
seiner Wohnung in der Prinzregen¬
des Muttergefühls in sich. Sie mei¬
tenstraße zu München aus allein
det nicht die Gesellschaft, beteiligt
einen weiteren Spaziergang unter¬
sich an Ausflügen und Tees und
nommen.“ So begannen alte Kri¬
entbehrt nur noch halben Sehnens
minalromane, bei deren Lektüre man
die Stunden stiller Einkehr und
gefaßt war, auf je einen notwendi¬
liebevoller Rückschau. Ein ganz jun¬
gen zwanzig überflüssige Sätze zu
ger, heftig und gewaltsam ihrer be¬
bekommen. Und es ist in der Tat,
gehrender Mensch, ein Freund des als ob Mann von den dichte¬
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