I, Erzählende Schriften 24, Die dreifache Warnung, Seite 55

dreifache Narnung
Di
24 S
Paul Meff Sortimen!
STüTTGAkf.

Pronik
Arthur Schnitzler
Arthur Schnitzler, der im Rahmen der Kultur¬
abende der Buchhandlung Paul Neff am 9. Jan.
zum erstenmal in Stuttgart (im Konzertsaal der
Liederhalle) reden wird, ist 1862 in Wien geboren
und ist einer jener feinen und so hochkultivierten
Oestreicher, die in der Literatur der letzten 30 Jahre
eine spielerische Erotik mit höchster Formkunst ge¬
staltet haben. Dramen und dramatische Bilder
„Anatol“ und „Liebelei" sind Typen geworden
Novellen und Romane zeigen den seinen Künstler
der eleganten Form, die einem neuen Geschlecht
freilich nicht mehr das Wesentliche ist.
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M
Stoffbeherrschung und gleich ihm auf der obersten
obwohl man sie schon mehrfach totgesagt hat, gab
Stufe technischen Vermögens stehend, kann ein Pro¬
sein Bestes im Vortrag eines Einakters „Die
gramm von solchem Umfang und solchem Gewicht
große Szene“. Ein Griff in das dem etwas
auszuführen sich entschließen, wie wir es vorgestern
weiblich „receptiv“ veranlagten Wiener so nahe¬
liegende Schauspielerleben. Und man muß gestehen,
gespielt bekamen. Das eine wird freilich niemand
bestreiten können. Ihrer Natur nach kein harmoni¬
daß diese kurzen Szenen mehr über das Wesen des
sches, sondern ein melodisches Instrument, darf die
Schauspielers zu sagen wissen, als manches dick¬
Geige es nur ausnahmsweise wagen, sich vom beglei¬
leibige Buch. Ironische, humoristische Streiflichter,
tenden Instrument vollständig loszulösen. Es fehlen
aber doch nicht so durchaus komödienhafter Stil, wie
Hermann Bahr ihn in seinem „Konzert“ zur Be¬
andernfalls dem Hörer die Stütz= und Ruhepunkte
und er bekommt den Eindruck, als ob er zum „In¬
handlung des gleichen Stoffes gewählt hat. Die
der=Luft=schweben“ veranlaßt wäre. Tadellos ist bei
Tragödie des an den ewig in seiner „Rolle“ leben¬
Reuter die Intonation, hier scheinen selbst Zufällig¬
den Künstler gefesselten Weibes wird deutlicher als
heiten ausgeschlossen, der Ton ist vollendete Ruhe,
dort; dem tragischen Ausgang weicht aber auch
von einer Ebenmäßigkeit, welche die Gegensätze fast
Schnitzler aus. Es wird „fortgewurstelt". Vorher¬
gegangen waren die symbolisch=allegorisch=philo¬
zu sehr ausschließt, der Strich von Rhythmus be¬
sophische Skizze „Die dreifache Warnung
herrscht. Das Programm ermöglichte einen Ueber¬
blick über volle zwei Jahrhunderte der Geigenstil¬
gefälliges, an der Oberfläche bleibendes Fabi#l
entwicklung. Da waren Baltzar, Westhoff und Bi¬
und eine echt Schnitzlersche Novelle „Das S
ber so wenig vergessen wie Rust und Locatelli oder
sal des Freiherrn von Leisenbo
Saint Lubin und Paganini, und zwischen ihnen
Das zähe Werben eines sein Leben mit Nichtigkeiten
stand, mächtig wie ein Fels, Johann Sebastian, dessen
füllenden Aristokraten um eine leerem Genuß nach¬
Chaconne das Wunderwerk der solistischen Geigen¬
jagende Theaterprinzessin. Menschen, die gleichsam
literatur ist und bleibt.
A. E.
in den luftleeren Raum hineingestellt sind. „Okkulte“
Fragen werden leicht angetippt, aber man weiß nicht,
ob sie ernst genommen werden. Eine jähe, anek¬
Artur Schnitzler in Stuttgart.
dotenhafte Lösung, die eigentlich keine Lösung ist.
Wir kennen nicht zuletzt dank der offenen Selbst¬
Und über dem Ganzen der Duft der leisen Resig¬
bekenntnisse vieler Wiener Dichter sehr genau die
nation, den nur das in die Länge ziehende Vorlesen
Schwächen des „Wienertums“ im österreichischen
etwas zu sehr verdünnte. Schnitzler muß man
Zweige der deutschen Literatur. Wir wissen aber
selbst lesen, wenn man diesen feinen Stimmungs¬
auch, daß in diesen Schwächen zugleich auch seine
reiz voll empfinden will. — Eine zahlreiche Hörer¬
Vorzüge liegen, und wir lieben die Wiener Dichter
schaft bildete den Beweis dafür, daß die „Kultur¬
gerade um ihrer wienerischen Eigenart willen, die
abende“ der Buchhandlung Neff (Inh. Gutt¬
ihren Werken einen so eigenen Reiz gibt. Verglichen
mann) sich ihren Platz im Stuttgarter literari¬
mit dem reichsdeutschen und auch dem in Böhmen
schen Leben errungen haben. Lebhafter Beifall
und den österreichischen Gebirgsländern bodenständi¬
dankte dem Dichter.
kl.
gen Schrifttum ist die Wiener Dichtung weich,
schmiegsam und geht bewußt dem Ringen mit
„Problemen“ aus dem Wege. Sie greift die Fragen
Der Drei=Masken=Verlag, Berlin N. 24,
wohl auf, aber sie müht sich nicht um eine Ent¬
plant die Herausgabe eines neuen großen Kom¬
mersbuches. Der Verlag legt besonderen Wert
scheidung, sondern wendet sie hin und her, läßt
auf Uebersendung neuer gehaltvoller Liedertexte und
manches bunte Licht auf ihnen glitzern und legt sie
Kompositionen, die im Falle der Veröffentlichung
dann mit einem müden Verzicht aus der Hand.
honoriert werden.
„Alles verstehen, alles verzeihen“ steht auch über
Frau Hermine Körner, die Direktorin des
dem Schaffen Artur Schnitzlers, der am Freitag
Münchener Schauspielhauses und künftige Direktorin
im Konzertsaal der Liederhalle auf Veranlassung der
des Dresdener Albert=Theaters, hat ihre Rechte an
Buchhandlung Neff aus eigenen Werken las. Der
der Münchener Schauspielhaus G. m. b. H.
Wiener Dichter, dessen Dramen auch heute noch
1. März an ihren bisherigen Mitdirektor, Herrn Her¬
zum festen Spielplan der deutschen Bühnen gehören,I bert v. Veltheim, abgetreten.
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