I, Erzählende Schriften 24, Die dreifache Warnung, Seite 56

dreifache Narnung
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24. Die
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Arthur Schnitzler in Stuttgart der seine „große Szene“ spielt um eine vergangene
Liebelei als platonische Schwärmerei hinzustellen
T. Stuttgart 10. Jan. Schnitzler ist immerl und seinen Gegner tatsächlich zu überzeugen ver¬
schon ein seltener Gast in Deutschland gewesen, nun steht; die Frau, die zu ihm zurückkehrt und wieder,
koimt er, im Alter, nach Stuttgart, tritt, viel wie schon einmal, zwischen Abscheu und Zuneigung
ernster und würdiger als man ihn sich vorgestellt,
zu diesem pathetischen Lügner schwankt; den
vor sein zahlreiches, erwartungsvolles Publikum
Theaterdirektor mit der Manuskriptenrolle, das
und liest, eine Erzählung, eine Novelle, einen Ein¬
Fräulein, das zur Prüfung kommt. Alle diese Ge¬
akter. Er liest die kleine nachdenkliche Erzählung stalten gewinnen Leben, werden zur Szene. Die
von der „dreifachen Warnung“ und der erste Ein= Steigerung der Vortragsfolge war gut, man ver¬
druck, den man von Schnitzler als Persönlichkeit ließ den Saal mit lebhaften Eindrücken, von denen
wie als Vorleser gewinnt, ist eine Ueberraschung. der letzte der stärkste war, der am meisten mit
Man hatte sich den Dichter der „Liebelei“ des
Namen und Vorstellung Schnitzlers verknüpfte.
„Anatol“, etwas anders vorgestellt, unbedingt Auch als Persönlichkeit kam er jenem Schnitzler
wienerischer, einschmeichelnder, berückender — und näher, den man sich bisher vorgestellt, der etwas
da steht ein würdiger Herr, ein Gelehrter mehr vom Arzt und Gelehrten abgelegt hatte, der mit
denn ein Schriftsteller, nicht eigentlich alt erschei= dem Buch in der Hand auf der Bühne stehend, wie
nend, nur etwas herbstlich, umgeben von der leisensals Regisseur seines eigenen Werkes andere mit¬
Melancholie des Alters. Aber garnichts Wieneri¬
reißend die „Große Szene“ liest.
sches ist an ihm, nur ganz selten erinnert seine
Sprache an den Dialekt seiner Heimat. Er spricht
Württembergisches Landestheater
nicht laut, aber mit angenehmer Stimme, manchmal
etwas rasch, ohne alles Pathos, aber voll lebendigen
Salome
Ausdruck. Zuweilen blicken seine Augen rasch durch
O. K. Stuttgart 10. Jan. Als Gast auf An¬
scharfe Brillengläser über das Publikum — er
stellung stellte sich gestern Gertrud Geyersbach
fühlte, wie durch Unruhe oder Ablenkung für kurze
von der Staatsoper in Wien in der Rolle der
Zeit der Kontakt mit seinen Hörern unterbrochen Salome vor. Fräulein oder Frau Geyersbach war
war — dann liest er unbeirrt weiter. „Diedrei lauch an der Wiesbadener Oper engagiert. Sie gab
fache Warnung“ ist gut als Einleitung, aber uns ein Rätsel auf: war diese Herodiastochter, so
ohne besondere Wirkung, sie müßte nicht unbedingt wie sie dargestellt wurde, beabsichtigt? Ein Um¬
von Schnitzler sein. Aber die Novelle „Das hiegen der Linie beinahe möchte man sagen ins
Schicksal des Freiherrn von Leisen=Naive? Wenn ja, dann wurde die künstlerische
bohg“ ist von ihm. Von Anfang bis Ende echter Absicht freilich nur stückweise erreicht; diese Salome
Schnitzler. Elegant geschrieben, voll graziösen ließ, trotz gelungenen Einzelzügen, im ganzen und
Humors, knapp, farbig, Wiener Milieu, mit dem vor allem in den Höhepunkten kalt. Die stimm¬
Duft der eleganten Welt — das tragikomische Schick=llichen Qualitäten sind es, was uns für den Gast
sal eines ewig enttäuschten und ewig auf Erfüllung einnahm. Und auf Grund dessen würden wir eine
hoffenden Liebhabers. Noch mehr offenbart sich der weitere Bekanntschaft der Sängerin in anderen
echte Schnitzler in dem Einakter „Große Partien begrüßen. Umbesetzungen: Frau Mottl¬
Szene aus dem Band „Komödie der Worte“.[Faßbender als Herodias: ungemein fesselnd
Er liest das Stück sehr eindrucksvoll. Man siebt die in der Darstellung, aber ein anderer Typ als wir
handelnden Personen: den Schauspieler, der Schau= ihn hier gewohnt sind (die ganze Aufführung be¬
wpieler ist und bleibt, auf der Bühne und im Leben, lgreiflicherweise ein Sammelplatz aller möglichen
Paul-Neff Sortimen!
STüTTGART. MN