24. Die dreifache Narnung
# Ae e e en e e en den aleh un . d an. an an .
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Freibürger Ehronik.
Schnitzler=Abend im Paulu saal¬
Man könnte parador sagen: Die erfreuliche
Anteilnahme des Publikums an litterarischen Din¬
gen und Dichter=Abenden ist unerfreulich. Hate
doch die Ueberfüllung solcher innerlich und
äußerlich intim veranlagter Abende die ver¬
dienstliche Leitung in die Zwangslage versetzt.
sie in den in keiner Weise intim wirkenden Pau¬
lussaal zu verlegen. Einem Vorleser mit großem
kraftvol'em Organ, stark veranschaulichender Mi¬
mik des Sprechens und schauspielerischen Fähig¬
keiten wie sie Arthur Schnitzlers Vorgänger#
Franz Werfel gegeben sind, fügt sich die Akustik¬
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des Saales einigermaßen. Aber alle jene Gaben
haben die Charitinnen, die ja wohl immer noch
an die Wiege von Dichtern gerufen werden,
Herrn Schnitzler nicht in die Wiege gelegt. Er
liest schlicht und recht, ohne zwingende Macht der
Betönung und des Rhythmus und ist namentlich
in keiner Weise dramatischer Leser. Und dabei be¬
stand das Programm des gestrigen Abends zu
aus Einaktern, der bevorzugten Schaffens¬
form des in der Schauwelt der Bühne und des
mondänen Wesens so wohl erfahrenen Wiener
Dichters. Es ist die Welt des erstrebten oder
auch sich von selbst aufdrängenden Scheins, der
mehr oder minder überzeugenden Geste, der an¬
spruchsvollen Nichtigkeit, des bewußten Pathos
und der Tragikomödie, der „Komödie der Worte“
des Lebens. Sie wurde in der den 2. Teil des
Abends füllenden „Große Scene“ mit greifbaret
Anschaulichkeit der Charakterzeichnung geschildert
und wirkte, so weit eine Wiedergabe mit ein
halb Dutzend nicht verteilter, sondern vom glei=#
chen Leser vorgetragener Rollen wirken kann.
Aber zwingt uns diese Welt eine tiefere, haf¬
tendere Anteilnahme ab, verweht sie nicht schon
im frischen Eishauch des Nachhausewegs, bie¬
ten uns diese nichtigen mit dem müden Lächeln
der Ironie abgetanenen Persönlichkeiten irgend
ein Substrat für geistige Weiterverarbeitung?
Höher in allen solchen Beziehungen stand der
Einakter einer Krankenhaus=Scene. „Die letzten
Masken“ mit seinem Niederschlag des Ausein¬
anderpralls unfreiwilliger Komik eines verpuf¬
fenden Pathos mit der Unerbitterlichkeit des
Todes. Aber hier war eine starke Kraftanstren¬
gung bei dem Hörer Bedingung des Genießens,
die Ausschaltung des Unwahrscheinlichkeits=Mo¬
ments derartiger mitternächtlicher Vorgänge in
einem wohlgeordneten allgemeinen Kranken¬
hause.
So blieb als unangefochtener Gewinn des
Abends nur der fesselnde Beitrag zum heute so
t##
reichlich beackerten Gebiet des Unterbewußn####ns,
der Sexualpsychologie (s. Ph. Zeik, Schnitzler als
Psycholog 1913) „Das Tag auch der Rede¬
gonda“ Auf Unwahrscheinlichkeit (der Tagebuch¬
führung, des Tedes von Redegonda) ist auch diese
Novelle aufgebaut, aber der Dichter versetzt uns
ja hier absichtlich in das Reich des heute noch
Unwahrscheinlichen, morgen vielleicht Begründe¬
ten und Feststehenden. Hier in dieser etwas ge¬
waltsam in den Rahmen der Rahmennovelle ge¬
fügten Zwielicht=Schilderung feiert die feine mit
wenigen Strichen arbeitende Charakterisierungs¬
kunst des Verfassers „der „Dämmerseelen“ Tri¬
umphe, hier wirken die balladesken Sprünge der
Fortführung der Handlung, die verschleierten nur
mit einem Satz blitzartig be'euchteten Vorgänge,
und das erotisch=sinnliche Element, die sonst so
oft sinnlich=sentimentale Darstellung des Roman¬
ciers Schnitzler trat in den Hintergrund.
Eine Inhaltsskizzierung der drei gebotenen
Gaben an dieser Stelle wäre eine Unfreundlich¬
keit gegen den Dichter, der doch nicht bloß an¬
gehört, sondern auch gekauft werden möchte. Das,
was er las, liegt, z. T. schon seit längerer Zeit,
gedruckt vor. Der Reiz, noch nicht buchhändlerisch
flügge Erzeugnisse dichterischer Einbildungskraft
21
vorgesetzt zu erhalten, mangelte diesem Dichter¬
abend. Der Beifall nach dem fallbeilartigen
Schluß der „Großen Scene“ war stark.
Dr. v. Graevenitz.
—
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Freibürger Ehronik.
Schnitzler=Abend im Paulu saal¬
Man könnte parador sagen: Die erfreuliche
Anteilnahme des Publikums an litterarischen Din¬
gen und Dichter=Abenden ist unerfreulich. Hate
doch die Ueberfüllung solcher innerlich und
äußerlich intim veranlagter Abende die ver¬
dienstliche Leitung in die Zwangslage versetzt.
sie in den in keiner Weise intim wirkenden Pau¬
lussaal zu verlegen. Einem Vorleser mit großem
kraftvol'em Organ, stark veranschaulichender Mi¬
mik des Sprechens und schauspielerischen Fähig¬
keiten wie sie Arthur Schnitzlers Vorgänger#
Franz Werfel gegeben sind, fügt sich die Akustik¬
8
des Saales einigermaßen. Aber alle jene Gaben
haben die Charitinnen, die ja wohl immer noch
an die Wiege von Dichtern gerufen werden,
Herrn Schnitzler nicht in die Wiege gelegt. Er
liest schlicht und recht, ohne zwingende Macht der
Betönung und des Rhythmus und ist namentlich
in keiner Weise dramatischer Leser. Und dabei be¬
stand das Programm des gestrigen Abends zu
aus Einaktern, der bevorzugten Schaffens¬
form des in der Schauwelt der Bühne und des
mondänen Wesens so wohl erfahrenen Wiener
Dichters. Es ist die Welt des erstrebten oder
auch sich von selbst aufdrängenden Scheins, der
mehr oder minder überzeugenden Geste, der an¬
spruchsvollen Nichtigkeit, des bewußten Pathos
und der Tragikomödie, der „Komödie der Worte“
des Lebens. Sie wurde in der den 2. Teil des
Abends füllenden „Große Scene“ mit greifbaret
Anschaulichkeit der Charakterzeichnung geschildert
und wirkte, so weit eine Wiedergabe mit ein
halb Dutzend nicht verteilter, sondern vom glei=#
chen Leser vorgetragener Rollen wirken kann.
Aber zwingt uns diese Welt eine tiefere, haf¬
tendere Anteilnahme ab, verweht sie nicht schon
im frischen Eishauch des Nachhausewegs, bie¬
ten uns diese nichtigen mit dem müden Lächeln
der Ironie abgetanenen Persönlichkeiten irgend
ein Substrat für geistige Weiterverarbeitung?
Höher in allen solchen Beziehungen stand der
Einakter einer Krankenhaus=Scene. „Die letzten
Masken“ mit seinem Niederschlag des Ausein¬
anderpralls unfreiwilliger Komik eines verpuf¬
fenden Pathos mit der Unerbitterlichkeit des
Todes. Aber hier war eine starke Kraftanstren¬
gung bei dem Hörer Bedingung des Genießens,
die Ausschaltung des Unwahrscheinlichkeits=Mo¬
ments derartiger mitternächtlicher Vorgänge in
einem wohlgeordneten allgemeinen Kranken¬
hause.
So blieb als unangefochtener Gewinn des
Abends nur der fesselnde Beitrag zum heute so
t##
reichlich beackerten Gebiet des Unterbewußn####ns,
der Sexualpsychologie (s. Ph. Zeik, Schnitzler als
Psycholog 1913) „Das Tag auch der Rede¬
gonda“ Auf Unwahrscheinlichkeit (der Tagebuch¬
führung, des Tedes von Redegonda) ist auch diese
Novelle aufgebaut, aber der Dichter versetzt uns
ja hier absichtlich in das Reich des heute noch
Unwahrscheinlichen, morgen vielleicht Begründe¬
ten und Feststehenden. Hier in dieser etwas ge¬
waltsam in den Rahmen der Rahmennovelle ge¬
fügten Zwielicht=Schilderung feiert die feine mit
wenigen Strichen arbeitende Charakterisierungs¬
kunst des Verfassers „der „Dämmerseelen“ Tri¬
umphe, hier wirken die balladesken Sprünge der
Fortführung der Handlung, die verschleierten nur
mit einem Satz blitzartig be'euchteten Vorgänge,
und das erotisch=sinnliche Element, die sonst so
oft sinnlich=sentimentale Darstellung des Roman¬
ciers Schnitzler trat in den Hintergrund.
Eine Inhaltsskizzierung der drei gebotenen
Gaben an dieser Stelle wäre eine Unfreundlich¬
keit gegen den Dichter, der doch nicht bloß an¬
gehört, sondern auch gekauft werden möchte. Das,
was er las, liegt, z. T. schon seit längerer Zeit,
gedruckt vor. Der Reiz, noch nicht buchhändlerisch
flügge Erzeugnisse dichterischer Einbildungskraft
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vorgesetzt zu erhalten, mangelte diesem Dichter¬
abend. Der Beifall nach dem fallbeilartigen
Schluß der „Großen Scene“ war stark.
Dr. v. Graevenitz.
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