I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 15

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Der Weg ins Freie, Roman von Arthur Schniler. Berlin,
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kraten, jüdische Schriftueller und heißblütige Damen süchkt uns Schnitzler
— wie so oft schon — auch in diesem seinem neuesten=Roman. Im Mittel¬
punkt steht der jugendliche Freiherr Georg vonzergenthin, der die innige
Neigung der liebenswürdigen Anna Rosne skrupellos hinnimmt, und
nachdem das Verhältnis Folgen gehabt ##n wtes Kind zur Welt gekom¬
men ist, unbeirrt durch schnell vorüttkgehende Gewissensregungen, den
„Weg ins Freie“ sucht und findeteAls Vertreter der Moral gegenüber
dem gutmütigen aber charakter###hwachen Germanen fungiert die Juden¬
schaft: der alte, gesund, aberkückständig empfindende, Dr. Streuber und
der hyper=geistreiche, ewig##flektierende Dichter Heinrich Bermann. Doch
kommt ihre moralische Keberlegenheit nur in schüchternen Bemerkungen
zu Tage, bleibt duxchaus passiv und erhebt sich nie zu energischer Hand¬
lung. Mit dem ganzen Stimmungszauber, der Schnitzler zu Gebote steht,
ist das Liebesverhältnis der beiden geschildert. Die anbrüchige, oberfläch¬
liche, geistreich=witzelnde, blasierte Gesellschaft ist vorzüglich dargestellt.
Durch das Ganze zieht sich das Gespenst der „Judenfrage“, die in Wiener
Kreisen mehr wie anderswo unheimlich drückend empfunden werden mag.
Erqnickliches freilich bietet der Roman demnach nicht. Für Mittel= und
Norddeutsche hat dies zerfließende, allen Rückgrats entbehrende Wiener
Wesen etwas Abstoßendes. Modern geschulte Gemüter, denen in einer
Dichtung das Herzerfreuende, Erhebende nicht zu den notwendigen Be¬
standteilen zählt, werden immerhin in dem Roman des Fesselnden genug
finden.
Georg Böttiche
Telephon 12801.
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O l. österr. bebördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
1
Vertretungen
O in Berlin, Budapest, Chicago, Cbristiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
* Ausschnitt aus:
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E vom: Laipziger Neueste Nachrichtan
Der Weg ins Freie, Roman von Arthur Schultler Berlin,
Romane.
Verlag S. Fischer. — In die Wiener Gesellschaft##nd Aristo¬
1 kraten, jüdische Schriftsteller und heißblütige Damen führt uns Schnitzler
— wie so oft schon — auch in diesem seinem neuesten Roman. Im Mittel¬
punkt steht der jugendliche Freiherr Georg von Wergenthin, der die innige
Neigung der liebenswürdigen Anna Rosner skrupellos hinnimmt, und
nachdem das Verhältnis Folgen gehabt, ein totes Kind zur Welt gekom¬
men ist, unbeirrt durch schnell vorübergehende Gewissensregungen, den
„Weg ins Freie“ sucht und findet. Als Vertreter der Moral gegenüber
dem gutmütigen aber charakterschwachen Germanen fungiert die Juden¬
schaft: der alte, gesund, aber rückständig empfindende, Dr. Streuher und
der hyper=geistreiche, ewig reflektierende Dichter Heinrich Bermann. Doch
kommt ihre moralische Ueberlegenheit nur in schüchternen Bemerkungen
zu Tage, bleibt durchaus passiv und erhebt sich nie zu energischer Hand¬
lung. Mit dem ganzen Stimmungszauber, der Schnitzler zu Gebote steht,
in das Liebesverhältnis der beiden geschildert. Die anbrüchige, oberfläch¬
liche, geistreich=witzelnde, blasierte Gesellschaft ist vorzüglich dargestellt.
Durch das Ganze zieht sich das Gespenst der „Judenfrage“, die in Wiener
Kreisen mehr wie anderswo unheimlich drückend empfunden werden mag.
Eranickliches freilich bietet der Roman demnach nicht. Für Mittel= und
Norddeutsche hat dies zerfliekende, allen Rückgrats entbehrende Wiener
Wesen etwas Abstoßendes. Modern geschulte Gemüter, denen in einer
Dichtung das Herzerfreuende, Erhebende nicht zu den notwendigen Be¬
Georg Bötticher.
standteilen zählt, werden immerhin in dem Roman des Fesselnden geung
finden.
Telephon 12801.
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O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
6
Wien, I., Concordiaplatz 4.
4
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
* Ausschnitt aus:
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„Der Wegins Freie.“ Roman von Artkur E
ler. S. Fischers Verlag, Berlin. Arthur Schni####
oman geschrieben. Daß die zarte Novelle von Frau
Vertha Garlans irrender Liebe sich so nannte, ändert hieran
nichts. Doch man ahnte, daß das erste größere epische Werk
dieses Dichters gleichzeitig der erste künstlerische „Wiener Roman“.
— —
sein werde, um den sich seit langem viele unablässig
mühen und der dennoch erst von Schnitzler geschrieben
werden sollte, nicht nur weil er die Stadt kennt,
sieht und liebt, wie kein
weil
zweiter, sondern
er selbst vielleicht die feinste Erscheinung dieser spezifisch wienerischen
Kultur bedeutet, die man nur zu empfinden vermag, weil die
alten, müdegehetzten Worte von der „lächelnden Grazie“, dem
„weichen Walzerschmerz“ und der „ewigen Gemütlichkeit“ den
Begriff so wenig umfassen, wie die bekannten Schilderungen

von Praterfahrten, Heurigenfesten und Wäschermädelballen. In
Schnizlers Roman nun ist von all dem keine Reve. Er bedarf
keiner Pülcher, keiner Schrammeln, keiner Hofräte, keiner Fiaker¬
kutscher. Er erzählt die Geschichte einer flüchtigen Lieb zwischen
einem jungen aristokralischen Künstler und einem Mädchen aus
gutem Bürgerhause. Daneben treten sechs, acht Menschen ihrer
näheren Umgebung auf ohne irgendwie in die einfachen Ge¬
schehnisse einzugreifen. Aber wie es unter den Skizzen Steinlens
manche gibt, auf denen nichts zu sehen ist, als die Andeutung
zweier Dächer, einen Schlot und etwas Abendrot im
Hintergrunde und die uns doch den ganzen, gewaltigen, er¬
regenden, rätselhaften Begriff
„Paris“ in leuchtender
Kraft erstehen lessen, so wird hier in den Reden und
in dem sehr alltäglichen Tun dieser wenigen Menschen „Wien“
lebendig. Wien — dieser wunderbare, wirre Komplex aus fest¬
gewurzelter Kultur und stumpfer Frivolität, aus sumpfigem Ver¬
fall und lachendem Frohsinn, aus haßerfülltem politischen Gezänk
und warmer Menschlichkeit, aus Walzerklängen, Parfümdüften und
Weihrauchwolken, aus Witz, Unzufriedenheit und Skepsis. Es ist der
Wiener Roman. Man fühli einen Kulturzustand, die Seele einer
Stadt. Doch vielleicht ist dies nur der kleinere Wert
des Buches. Sein stärkster Reiz geht, wie stets bei
Schnitzler, von dem tiefen Lebensgefühl aus, das von
diesen Seiten ausströmt, von der traumschweren, nach¬
denklichen Stimmung, die alles Geschehene umwebt, von den
Ausblicken nach dem wunderbaren Ewigen und Unbegreiflichen
alles Schicksals, die sich hinter der Realität der Dinge öffnen,
ann wohl auch von der Musik dieser weichen, ein wenig
melancholischen Sprache, die dabei streng, treffsicher, von pracht¬
voller Plastik ist und in der stets etwas wie eine verhaltene
Traurigkeit über die Flüchtigkeit aller Schönheit und aller Freude
mitschwingt. Man fühlt das unaufhaltsame Strömen, das Dahin¬
rollen der Stunden und Tage, die ewige Kontinuität des Lebens
und in diesem Gefühl erhält das Einfachste Tiefe und Bedeutung.
Das, was man gemeiniglich Handlung nennt, ist so schlicht und
unwesentlich wie immer nur bei echten Künstlern, die jedes stoff
lichen Interesses entbehren können. Zwei junge Menschen lieben
sich und entgleiten einander wieder. Ein paar andere ringen mit
den Wirrnissen des Lebens. Aus Gesprächen von herrlicher
Lebendigkeit über Rassen= und soziale Fragen ersteht die ganze
nnere Not Oesterreichs. Und in allen Schilderungen von
Menschen und Gesellschaftskreisen eine Anschaulichkeit, eine Bild¬
raft der Sprache und ein menschliches Verstehen, wie es selbst
ei Schnitzler überrascht. Der Weg ins Freie ist neuerdings ein¬
Beg zu höherer Künstlerschaft, wie fast jedes seiner letzten
Perke.
E. G.