ins Fr
box 3/1
23. Der We
a K eie
Nr. 9
Wien, Dienstag
Fremnden-Wlätt.
21. Juli 1908
Seite 13
V/—
—
in eine ängstlich gehütete Atmosphäre des Kunstgenusses oder
Feuilleton.
sie
lassen sich von toleranten Eroberern alle gesellschaftliche
Kränkung wegküssen. Schnitzler sieht und schildert mit scharfen tief¬
gehendem Verständnis. Am freundlichsten kommen noch die Alten bei
„Der Weg ins Freie.**)
ihm weg, die Torheiten und auch den verzweifelten Heroismus der
Artur Schnitzlers neuer Roman ist ein Werk von Bedeutung,
Jungen betrachtet er mit kühlen Augen. Zuweilen ist es, als erzählte
er ist vorzüglich erzählt, der Autor ist ein gründlicher, verständnis¬
er eine ausführliche Krankheitsgeschichte. Namentlich die Gestalt eines
voller Schüler jener Franzosen, die mit und nach Flaubert und
jungen Literaten ist meisterlich, aber mit erschreckender Härte ge¬
Zola den psychologischen Roman gepflegt haben! Der „Weg ins
zeichnet. Ueber die Gesamtschilderung dieser Kreise ist eine leisweh¬
Freie“ erfüllt trefftich die Forderung, die man an das moderne
mütige Stimmung gebreitet; selten nur ein vehementes Geschehen
Epos stellt, er gibt ein weitangelegtes Zeitbild, und Ideen, di
und auch dann erhalten wir nur den Eindruck einer nervösen Exal¬
unsere Generation bewegen, kommen darin zum künstlerischen Ausdruck,
tation. Diese Menschen scheinen ihr lebelang nur mit sich und der
Schauplatz ist Wien und deutlich erkennt man die Vertreter be¬
sorgfältigen, zuweilen auch koketten Beobachtung ihres Ichs be¬
stimmter Gesellschaftsschichten unserer Großstadt, so daß oberflächliche,
schäftigt, eines fehlt ihnen ganz und gar: das Ursprüngliche. Sprechen
daß bapale Leser das wertvolle Buch wie eine Art von Schlüssel¬
sie über das, was sie fürchten oder hoffen, hören wir den Unterton
roman auffassen dürften. Davon ist Schnitzler weit entfernt, ihm
der zersetzenden Reflexion heraus. „So geht es dir Zergliederer
sind eben die Charakteristiken so ausgezeichnet, so lebensvoll gelungen,
deiner Freuden“, möchten wir strafend ihnen zurufen.
daß der Reichtum der Einzelzüge solch Raten und Deuteln ver¬
Sichtlich haben wir es mit begabten, gründlich gebildeten,
anlaßt. Weder die Hauptgestalt, noch die ganze Reihe, die sich um
gemütvollen Menschen zu tun, sicherlich haben wir ein wichtiges
sie und ihr Fühlen und Lieben schlingt, lassen sich als mechanisch
aufnahmefähiges Publikum hier vor uns, um so trüber aber stimmt
hergestellte Photographien nehmen, die Kunst ihrer Darstellung hat
die Schilderung. Denn nur eines wird hier kein Verständnis finden,
den Rohstoff siegreich gemeistert.
die starken, vielleicht robusten Aeußerungen einer kräftigen Ent¬
Ein junger Komponist ist der Held des Romanes, er ist Edel¬
wicklung, wie wir es für unser ganzes öffentliches Leben wünschen.
mann und hat als Knabe die Erziehung einer kosmopolitischen
Eine müde, welke Gesellschaft ist es, deren vornehm kränkliche Züge
Aristokratie erhalten, die Eltern waren begabte, reich unterrichtete,
uns der Autor zeigt und die Voraussetzung ist wohl berechtigt, daß
feinfühlige Menschen. Georg v. Wergenthin ist ein schöner junger
Schnitzler nicht dem Glauben lebt, daß er mit seiner Darstellung
Mensch, in adeligem Sport wohl erfahren, empfänglich für alle ästhetischen
die Wiener Gesellschaft in ihrer Wesenheit erschöpft habe.
Genüsse der vornehmen Gesellschaft. Die Frauenherzen fliegen ihm zu, mit
Seine Gesellschaft ist eine sterbende, ihre Ideale, die sie begeistert,
resignierter Anerkennung wird dies von seinen männlichen Bekannten
sind entgöttert. ihre Helden sind es für uns nicht mehr. Weil sie neue
und Freunden hingenommen. Ihnen allen gilt er als vornehmer
Losungsworte, neue Ziele nicht zu erfassen vermag, sieht sie hoffnungslos
Dilettant, an den vollen Künstler will man nicht recht glauben. Und
in der Zukunft, sie glaubt aber an die holde Lüge vom Gesetz des
um die Geltung ist es ihm zu tun, in einer größeren Schöpfung
Beharrens und meint noch die Gegenwart zu beherrschen, wie deren
will er sein Können offenbaren. Wird er dies fertigbringen, inmitten
Empfinden und Geschmack zu bestimmen. Und weil sie Tag für Tag
dieser seiner Welt, die ihn mit weichen, bequemen Armen umfangen
auch hierin ihrer Selbsttäuschung überführt wird, verschärft sich auch
hält? Wohl fühlt er dies sanft fesselnde Hemmnis, aber schwer ists davon
ihr ablehnendes Urteil über alles junge Leben, das sich aus Licht
loskommen und ins Unbekannte hinein streben, vielleicht in Ent¬
drängt. Das politische, wie das Kunstleben Wiens und Oesterreichs
täuschung und Demütigung! Da er zwischen solchen Entschlüssen
weiß von diesem stillen harten Ringen zu erzählen. Wer die historische
und Zweifeln schwankt, tritt ihm ein prächtiges warmblütiges
Bedeutung der von Schnitzler geschilderten Gesellschaft durch die
Wiener Kind näher, ein Mädchen aus kleinbürgerlicher Familie, das
Heranziehung ihres Gegensatzes so recht ermessen will, der halte neben
seine Gefangskunst in die Gesellschaft gebracht. E annt haben sich
dem „Weg ins Freie“ das Werk eines jungen Poeten, das an dieser
die beiden schon, jetzt schließen sie sich eng und ! mlich zusammen,
Stelle schon seine Würdigung gefunden. An künstlerischer Reife
holdes Liebesleln blüht zwischen ihnen auf, rück, ltlos, ohne irgend
stehen die „Zwölf aus der Steiermark“ hinter dem Buch des
ein leises Fragen schenkt sich Anna dem Geliebten. Und da sie dann
Wiener Autors zurück. Angesichts dieser Anfänge des Steirers
Georg sagt, daß sie ihm ein Kind schenken werde, klingt die
werde ich an die liebe Aeußerung Segantinis erinnert, der
Botschaft feierlich erhebend und die junge Mutter heiligend ihm
über die Wiener Sezessionisten meinte: sie hätten den Mut
ins Herz. Aber es gibt auch Tage, da skeptische Anwandlungen über
ihrer Fehler. Toll, ungeschlacht, freventlich keck sprudelt alles bei
den Weltmann kommen, fremder Frauenreiz lockt ihn von Anna
Bartsch heraus, während wir der vornehmen Darstellungsweise
hinweg, die mit raschem Ahnen den Wegen Georgs nachsinnt. Sie
Schnitzlers allen Respekt zollen müssen. Was uns jedoch aus dem
leidet schweigend und begrüßt den Rückkehrenden mit gro߬
Hymnus auf die grüne Steiermark in jubelnder Frische grüßt, das
mütiger Wärme. Mit neugieriger heißer Liebe erwartet er sein Kind,
ist die Sicherheit gesundheitsstrotzender Jugend. Jugend, die lacht
wird er die Mutter als Lebensgefährtin sich gesellen? Er gelobt es
und weint, liebt und haßt, flucht und segnet, ohne irgend ein Gefühl
sich, um im nächsten Augenblick das Versprechen als Last für seine
von Verantwortlichkeit gegenüber irgend einer Kritik, sondern ganz
künstlerische Entwicklung anzusehen. Alles bedrückt seine Seele, die
aus starkem Daseinsgefühl heraus. Und was in dem Buch ver¬
Wiener Welt, in der er lebt, deren Wirren und Kämpfe und nun
handelt wird, das ist der Lebensinhalt einer neu heraufgekommenen
auch das Ringen zwischen der Pflicht, die ihm die wunschlose Hin¬
Generation. Ste ist auch in Wien vorhanden in höheren und
gabe Annas auferlegt, zwischen der Pflicht, gegen sein Kind und der
niederen Sphären, ihr Denken und Fühlen jedoch lebt fernab von
notwendigen Freiheit seines Schaffens. Bis der schwere Tag für die
der Gesellschaft, in der der Jüngling Georg v. Wergenthin empor¬
Geliebte anbricht und der Arzt ihn nach langen Stunden sein Kind sehen
gewachsen.
läßt, im Tode noch wehmütig schön. Vorüber ist's, seine ganze bis¬
Der junge Freiherr glaubt seinen „Weg ins Freie“ gefunden
herige Welt sinkt vor ihm zurück, auch die Mutter seines Knaben,
zu haben, er zieht in die reichsdeutschen Lande hinaus und in der
er geht hinaus in die Verhäktnisse, wo erziehende Arbeit ihn
idyllischen Stille einer kleinen Residenz wird er künstlerisch schaffen,
fesseln wird.
das Bild der Geliebten wird über ihm walten, gleich einer Muse
Um Georg und Anna herum dreht sich der bunte Reigen
des schlichten österreichischen Lieds. Ob er im Kampf mit der Ver¬
jener Wiener Kreise, die bisher ihre Welt bedeutet. Die gastliche
gangenheit, mit der Erinnerung an die Welt, die er hinter sich
Familie eines Bankiers mit ihren Freunden und Freundinnen,
zurückgelassen, bestehen und ein wirklicher Freier sein wird? Jene
Aerzte, Advokaten, Politiker und Künstler. Bewußt oder unbewußt
Welt zählte so viele Freigelassene und so wenig Freie und wir
stehen sie alle im Bann der antisemitischen Bewegung. Eine jede
merken es nur zu deutlich in unserem öffentlichen Leben, welche
Unbefangenheit ist von ihnen gewichen. Das Leid, der Schimpf, die
laute Sprache die einen führen, während die andern nur selten ihre
Ausnahmsstellung, die ihnen geschehen, hat nicht bloß ihr Urteil ge¬
Stimmen erheben können oder sich in freiwilligem Schweigen be¬
trübt, auch ihr Empfinden wird durch dies Hauptgefühl bestimmt. scheiden müssen
F. Zw.
box 3/1
23. Der We
a K eie
Nr. 9
Wien, Dienstag
Fremnden-Wlätt.
21. Juli 1908
Seite 13
V/—
—
in eine ängstlich gehütete Atmosphäre des Kunstgenusses oder
Feuilleton.
sie
lassen sich von toleranten Eroberern alle gesellschaftliche
Kränkung wegküssen. Schnitzler sieht und schildert mit scharfen tief¬
gehendem Verständnis. Am freundlichsten kommen noch die Alten bei
„Der Weg ins Freie.**)
ihm weg, die Torheiten und auch den verzweifelten Heroismus der
Artur Schnitzlers neuer Roman ist ein Werk von Bedeutung,
Jungen betrachtet er mit kühlen Augen. Zuweilen ist es, als erzählte
er ist vorzüglich erzählt, der Autor ist ein gründlicher, verständnis¬
er eine ausführliche Krankheitsgeschichte. Namentlich die Gestalt eines
voller Schüler jener Franzosen, die mit und nach Flaubert und
jungen Literaten ist meisterlich, aber mit erschreckender Härte ge¬
Zola den psychologischen Roman gepflegt haben! Der „Weg ins
zeichnet. Ueber die Gesamtschilderung dieser Kreise ist eine leisweh¬
Freie“ erfüllt trefftich die Forderung, die man an das moderne
mütige Stimmung gebreitet; selten nur ein vehementes Geschehen
Epos stellt, er gibt ein weitangelegtes Zeitbild, und Ideen, di
und auch dann erhalten wir nur den Eindruck einer nervösen Exal¬
unsere Generation bewegen, kommen darin zum künstlerischen Ausdruck,
tation. Diese Menschen scheinen ihr lebelang nur mit sich und der
Schauplatz ist Wien und deutlich erkennt man die Vertreter be¬
sorgfältigen, zuweilen auch koketten Beobachtung ihres Ichs be¬
stimmter Gesellschaftsschichten unserer Großstadt, so daß oberflächliche,
schäftigt, eines fehlt ihnen ganz und gar: das Ursprüngliche. Sprechen
daß bapale Leser das wertvolle Buch wie eine Art von Schlüssel¬
sie über das, was sie fürchten oder hoffen, hören wir den Unterton
roman auffassen dürften. Davon ist Schnitzler weit entfernt, ihm
der zersetzenden Reflexion heraus. „So geht es dir Zergliederer
sind eben die Charakteristiken so ausgezeichnet, so lebensvoll gelungen,
deiner Freuden“, möchten wir strafend ihnen zurufen.
daß der Reichtum der Einzelzüge solch Raten und Deuteln ver¬
Sichtlich haben wir es mit begabten, gründlich gebildeten,
anlaßt. Weder die Hauptgestalt, noch die ganze Reihe, die sich um
gemütvollen Menschen zu tun, sicherlich haben wir ein wichtiges
sie und ihr Fühlen und Lieben schlingt, lassen sich als mechanisch
aufnahmefähiges Publikum hier vor uns, um so trüber aber stimmt
hergestellte Photographien nehmen, die Kunst ihrer Darstellung hat
die Schilderung. Denn nur eines wird hier kein Verständnis finden,
den Rohstoff siegreich gemeistert.
die starken, vielleicht robusten Aeußerungen einer kräftigen Ent¬
Ein junger Komponist ist der Held des Romanes, er ist Edel¬
wicklung, wie wir es für unser ganzes öffentliches Leben wünschen.
mann und hat als Knabe die Erziehung einer kosmopolitischen
Eine müde, welke Gesellschaft ist es, deren vornehm kränkliche Züge
Aristokratie erhalten, die Eltern waren begabte, reich unterrichtete,
uns der Autor zeigt und die Voraussetzung ist wohl berechtigt, daß
feinfühlige Menschen. Georg v. Wergenthin ist ein schöner junger
Schnitzler nicht dem Glauben lebt, daß er mit seiner Darstellung
Mensch, in adeligem Sport wohl erfahren, empfänglich für alle ästhetischen
die Wiener Gesellschaft in ihrer Wesenheit erschöpft habe.
Genüsse der vornehmen Gesellschaft. Die Frauenherzen fliegen ihm zu, mit
Seine Gesellschaft ist eine sterbende, ihre Ideale, die sie begeistert,
resignierter Anerkennung wird dies von seinen männlichen Bekannten
sind entgöttert. ihre Helden sind es für uns nicht mehr. Weil sie neue
und Freunden hingenommen. Ihnen allen gilt er als vornehmer
Losungsworte, neue Ziele nicht zu erfassen vermag, sieht sie hoffnungslos
Dilettant, an den vollen Künstler will man nicht recht glauben. Und
in der Zukunft, sie glaubt aber an die holde Lüge vom Gesetz des
um die Geltung ist es ihm zu tun, in einer größeren Schöpfung
Beharrens und meint noch die Gegenwart zu beherrschen, wie deren
will er sein Können offenbaren. Wird er dies fertigbringen, inmitten
Empfinden und Geschmack zu bestimmen. Und weil sie Tag für Tag
dieser seiner Welt, die ihn mit weichen, bequemen Armen umfangen
auch hierin ihrer Selbsttäuschung überführt wird, verschärft sich auch
hält? Wohl fühlt er dies sanft fesselnde Hemmnis, aber schwer ists davon
ihr ablehnendes Urteil über alles junge Leben, das sich aus Licht
loskommen und ins Unbekannte hinein streben, vielleicht in Ent¬
drängt. Das politische, wie das Kunstleben Wiens und Oesterreichs
täuschung und Demütigung! Da er zwischen solchen Entschlüssen
weiß von diesem stillen harten Ringen zu erzählen. Wer die historische
und Zweifeln schwankt, tritt ihm ein prächtiges warmblütiges
Bedeutung der von Schnitzler geschilderten Gesellschaft durch die
Wiener Kind näher, ein Mädchen aus kleinbürgerlicher Familie, das
Heranziehung ihres Gegensatzes so recht ermessen will, der halte neben
seine Gefangskunst in die Gesellschaft gebracht. E annt haben sich
dem „Weg ins Freie“ das Werk eines jungen Poeten, das an dieser
die beiden schon, jetzt schließen sie sich eng und ! mlich zusammen,
Stelle schon seine Würdigung gefunden. An künstlerischer Reife
holdes Liebesleln blüht zwischen ihnen auf, rück, ltlos, ohne irgend
stehen die „Zwölf aus der Steiermark“ hinter dem Buch des
ein leises Fragen schenkt sich Anna dem Geliebten. Und da sie dann
Wiener Autors zurück. Angesichts dieser Anfänge des Steirers
Georg sagt, daß sie ihm ein Kind schenken werde, klingt die
werde ich an die liebe Aeußerung Segantinis erinnert, der
Botschaft feierlich erhebend und die junge Mutter heiligend ihm
über die Wiener Sezessionisten meinte: sie hätten den Mut
ins Herz. Aber es gibt auch Tage, da skeptische Anwandlungen über
ihrer Fehler. Toll, ungeschlacht, freventlich keck sprudelt alles bei
den Weltmann kommen, fremder Frauenreiz lockt ihn von Anna
Bartsch heraus, während wir der vornehmen Darstellungsweise
hinweg, die mit raschem Ahnen den Wegen Georgs nachsinnt. Sie
Schnitzlers allen Respekt zollen müssen. Was uns jedoch aus dem
leidet schweigend und begrüßt den Rückkehrenden mit gro߬
Hymnus auf die grüne Steiermark in jubelnder Frische grüßt, das
mütiger Wärme. Mit neugieriger heißer Liebe erwartet er sein Kind,
ist die Sicherheit gesundheitsstrotzender Jugend. Jugend, die lacht
wird er die Mutter als Lebensgefährtin sich gesellen? Er gelobt es
und weint, liebt und haßt, flucht und segnet, ohne irgend ein Gefühl
sich, um im nächsten Augenblick das Versprechen als Last für seine
von Verantwortlichkeit gegenüber irgend einer Kritik, sondern ganz
künstlerische Entwicklung anzusehen. Alles bedrückt seine Seele, die
aus starkem Daseinsgefühl heraus. Und was in dem Buch ver¬
Wiener Welt, in der er lebt, deren Wirren und Kämpfe und nun
handelt wird, das ist der Lebensinhalt einer neu heraufgekommenen
auch das Ringen zwischen der Pflicht, die ihm die wunschlose Hin¬
Generation. Ste ist auch in Wien vorhanden in höheren und
gabe Annas auferlegt, zwischen der Pflicht, gegen sein Kind und der
niederen Sphären, ihr Denken und Fühlen jedoch lebt fernab von
notwendigen Freiheit seines Schaffens. Bis der schwere Tag für die
der Gesellschaft, in der der Jüngling Georg v. Wergenthin empor¬
Geliebte anbricht und der Arzt ihn nach langen Stunden sein Kind sehen
gewachsen.
läßt, im Tode noch wehmütig schön. Vorüber ist's, seine ganze bis¬
Der junge Freiherr glaubt seinen „Weg ins Freie“ gefunden
herige Welt sinkt vor ihm zurück, auch die Mutter seines Knaben,
zu haben, er zieht in die reichsdeutschen Lande hinaus und in der
er geht hinaus in die Verhäktnisse, wo erziehende Arbeit ihn
idyllischen Stille einer kleinen Residenz wird er künstlerisch schaffen,
fesseln wird.
das Bild der Geliebten wird über ihm walten, gleich einer Muse
Um Georg und Anna herum dreht sich der bunte Reigen
des schlichten österreichischen Lieds. Ob er im Kampf mit der Ver¬
jener Wiener Kreise, die bisher ihre Welt bedeutet. Die gastliche
gangenheit, mit der Erinnerung an die Welt, die er hinter sich
Familie eines Bankiers mit ihren Freunden und Freundinnen,
zurückgelassen, bestehen und ein wirklicher Freier sein wird? Jene
Aerzte, Advokaten, Politiker und Künstler. Bewußt oder unbewußt
Welt zählte so viele Freigelassene und so wenig Freie und wir
stehen sie alle im Bann der antisemitischen Bewegung. Eine jede
merken es nur zu deutlich in unserem öffentlichen Leben, welche
Unbefangenheit ist von ihnen gewichen. Das Leid, der Schimpf, die
laute Sprache die einen führen, während die andern nur selten ihre
Ausnahmsstellung, die ihnen geschehen, hat nicht bloß ihr Urteil ge¬
Stimmen erheben können oder sich in freiwilligem Schweigen be¬
trübt, auch ihr Empfinden wird durch dies Hauptgefühl bestimmt. scheiden müssen
F. Zw.