I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 56

23.
Freie
Der We
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Leeg in eN
seinte Gesangskunst in die Gesellschaft gebracht. Gekannt haben sich 1 dem „Weg ins Freie" das Werk eines jungen Poeten, das an dieser
die beiden schon, jetzt schließen sie sich eng und heimlich zusammen,
Stelle schon seine Würdigung gefunden. An künstlerischer Reife
holdes Liebesleben blüht zwischen ihnen auf, rückhaltlos, ohne irgend
stehen die „Zwölf aus der Steiermark“ hinter dem Buch des
ein leises Fragen schenkt sich Anna dem Geliebten. Und da si dann
Wiener Autors zurück. Angesichts dieser Anfänge des Steirers
Georg sagt, daß sie ihm ein Kind schenken werde, klingt die
werde ich an die liebe Aeußerung Segantinis erinnert, der
Botschaft feierlich erhebend und die junge Muiter heiligend ihm
über die Wiener Sezessionisten meinte: sie hätten den Mut
ins Herz. Aber es gibt auch Tage, da skeptische Anwandlungen über
ihrer Fehler. Toll, ungeschlacht, freventlich keck sprudelt alles bei
den Weltmann kommen, fremder Frauenreiz lockt ihn von Anna
Bartsch heraus, während wir der vornehmen Darstellungsmise
hinweg, die mit raschem Ahnen den Wegen Georgs nachsinnt. Sie
Schnitzlers allen Respekt zollen müssen. Was uns jedoch aus dem
leidet schweigend und begrüßt den Rückkehrenden mit gro߬
Hymnus auf die grüne Steiermark in jubelnder Frische grüßt, das
mütiger Wärme. Mit neugieriger heißer Liebe erwartet er sein Kind,
ist die Sicherheit gesundheitsstrotzender Jugend. Jugend, die lacht
wird er die Minter als Lebensgefährtin sich gesellen? Er gelobt es
und weint, liebt und haßt, flucht und segnet, ohne irgend ein Gefühl
sich, um im nächsten Augenblick das Versprechen als Last für seine
von Verantwortlichkeit gegenüber irgend einer Kritik, sondern ganz
künstlerische Entwicklung anzusehen. Alles bedrückt seine Seele, die
aus starkem Daseinsgefühl heraus. Und was in dem Buch ver¬
Wiener Welt, in der er lebt, deren Wirren und Kämpfe und nun
handelt wird, das ist der Lebensinhalt einer neu heraufgekommenen
auch das Ringen zwischen der Pflicht, die ihm die wunschlose Hin¬
Generation. Sie ist auch in Wien vorhanden in höheren und
gabe Annas auferlegt, zwischen der Pflicht, gegen sein Kind und der
niederen Sphären, ihr Denten und Fühlen jedoch lebt fernab von
notwendigen Freiheit seines Schaffens. Bis der schwere Tag für die
der Gesellschaft, in der der Jüngling Georg v. Wergenthin empor¬
Geliebte anbricht und der Arzt ihn nach langen Stunden sein Kind sehen
gewachsen.
läßt, im Tode noch wehmütig schön. Vorüber ist's, seine ganze bis¬
Der junge Freiherr glaubt seinen „Weg ins Freie“ gefunden
herige Welt sinkt vor ihm zurück, auch die Mutter seines Knaben,
zu haben, er zieht in die reichsdeutschen Lande hinaus und in der
er geht hinaus in die Verhältnisse, wo erziehende Arbeit ihn
idyllischen Stille einer kleinen Residenz wird er künstlerisch schaffen,
fesseln wird.
das Bild der Geliebten wird über ihm walten, gleich einer Muse
Um Georg und Anna herum dreht sich der bunte Reigen
des schlichten österreichischen Lieds. Ob er im Kampf mit der Ver¬
jener Wiener Kreise, die bisher ihre Welt bedeutet. Die gastliche
gangenheit, mit der Erinnerung an die Welt, die er hinter sich
Familie eines Bankiers mit ihren Freunden und Freundinnen,
zuruckgelassen, bestehen und ein wirklicher Freier sein wird? Jene
Aerzte, Advokaten, Politiker und Künstler. Bewußt oder unbewußt
Welt zählte so viele Freigelassene und so wenig Freie und wir
stehen sie alle im Bann der antisemitischen Bewegung. Eine jede
merken es nur zu deutlich in unserem öffentlichen Leben, welche
Unbefangenheit ist von ihnen gewichen. Das Leid, der Schimpf, die
laute Sprache die einen führen, während die andern nur selten ihre
Ausnahmsstellung, die ihnen geschehen, hat nicht bloß ihr Urteil ge¬
Stimmen erheben können oder sich in freiwilligem Schweigen be¬
trübt, auch ihr Empfinden wird durch dies Hauptgefühl bestimmt.
scheiden müssen.
F. Zw.
Die Alten wehren sich ornig oder hüllen sich in die vornehme Toga

überlegener skeptischer Weltweisheit, die Jungen versuchen die ver¬
Sport.
schiedensten Wege, um über die Barre, die ihnen die breite Straße
(Rennen zu Kottingbrunn.) Im Mittelpunkt der rennsportlichen
verlegt, herumzukommen. Die einen, die Reichen, setzen verlegen über
Ereignisse des zweiten Tages zu Kottingbrunn steht das Herren¬
das Hindernis hinweg und tun so, als ob es für sie nicht bestehe,
anderc stürzen sich in das Gewühl des sozialen Kampfes und
Das Rennen wurde im vergangenen Jahre von zehn Pferden bestritten
erträumen sich vom Sieg der sozialdemokratischen Propa¬
und von dem Outsider Pomali unter Leutnant v. Sibrik sehr
ganda alles Heil und — Rache. Die Frauen flüchten sich
leicht vor Loredan gewonnen, während den dritten Platz der hohe Favorit
Miutanbesetzte. Der Totalisateur zahlte für den Sieg Pomalis
„Der Weg ins Freie“. Roman von Artur Schnitzler, Berlin,
118:10. Auch in diesem Jahre kann das Rennen wieder sehr stark be¬
Verlag S. Fischer.
stritten werdev. denn es sind 15 Pferde genannt worden, von denen wohl