Frei
ins
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23. Der Ne
Derneg ins Meie
bare, Titel: „Der Weg ins Freie“ auf das Judenproblem be= tiven, nur aus Erzeugnissen türkischer Industrie bestehen solle.
zogen werden. Denn Schnitzler kennt doch für keinen Juden einen
Aber die hohe Kommission der heiligen Eisenbahn hat sich schlie߬
Weg ins Freie. Sein Heinrich Beermann sagt doch gerade, als
lich doch in der Praxis genötigt gesehen, zu Ausnahmen ihre Zu¬
der Freiherr v. Wergenthin zu ihm bemerkt, daß er ein ärgerer
flucht zu nehmen; neben türkischen Ingenieuren sind jetzt vorwiegend
Antisemit sei als die meisten Christen, die er kenne: „...
deutsche am Werte, den Bau zu leiten, die Lokomotiven wurden
kann man doch nicht Antisemitismus nennen. Aber es gibt schon
schließlich aus Belgien bezogen und das rollende Material aus
Juden, die ich wirklich hasse, als Juden hasse. Das sind die, die
einem andern europäischen Staate. Das, was anfangs für den
vor andern und manchmal auch nor sich selber tun, als wenn sie
Plan die größte Gefahr zu bedeuten schien, der religiöse Fanatismus
nicht dazu gehörten. Die sich in wohlfeiler und triecherischer Weise
der Mohammedaner, erwies sich bald als dessen stärkste Stütze, und
bei ihren Feinden und Verächtern anzubiedern suchen und sich auf
die Opferwilligkeit der Gläubigen hat sich ein imposantes Denkmal
diese Art von dem ewigen Fluch loszukaufen glauben, der auf
geschaffen in der Tatsache, daß die jetzt vollendete Hälfte der 1800
ihnen lastet, oder von dem, was sie eben als Fluch empfinden.
oder 1900 Kilometer langen Strecke einzig aus freiwilligen Gaben
Das sind übrigens beinahe immer solche Juden, die im Gefühl
der Religiösen bestritten wurde. Die eröffnete Subskription ergab
ihrer eigenen höchst persönlichen Schäbigkeit herumgehen und da¬
gleich am Anfang überraschende Resultate und außer dem Sultan,
für unbewußt oder bewußt ihre Rasse verantwortlich machen
der als erster drei Millionen Franks zeichnete, dem Schah von
möchten. Natürlich hilfts ihnen nicht das geringste. Was hat
Persien, der eine Million stifiete, und dem Khedive von Aegypten,
den Juden überhaupt jemals geholfen. Den guten und den
der die gleiche Summe zeichnete und dazu noch Material versprach,
schlimmen.“
brachten die überall schnell sich bildenden Komitees in kurzer Zeit
In der Tat mag es auch für die ganz überwiegende Mehr¬
Millionen zusammen, mit denen sofort zum Bau geschritten werden
zahl der Juden, denen doch ein Ahasverschicksal auferlegt ist,
konnte. Später freilich flossen die Gaben spärlicher und zu allerlei
keinen Weg ins Freie geben. Es gibt ihn doch nur für diejenigen,
Ermunterungen mußte der Sultan seine Zuflucht nehmen. Ja vom
die eben ernstlich und rückhaltlos gewillt sind, sich als Juden
Jahre 1893 ab mußte man schließlich eine kleine Stempelsteuer ein¬
vollkommen aufzugeben. Für diese ist denn die ganze Heilswahr¬
führen, die dem Bahnbau zugute kommen soll, und der Padischah
heit des Christentums geradezu wie zugeschnitten. Der Heiland
gründete sogar einen Orden, dessen verschiedene Klassen je nach
hat doch gerade durch seinen Opfertod dargetan, wie man durch
Höhe der gestifteten Beiträge den Spendern größerer Summen ver¬
sein Sterben für die Ewigkeit lebendig werden könne. Zwei Aus¬
liehen wurden. Aber wie hoch die Hindernisse sich auch türmten,
sprüche im Evangelium (neben unzähligen anderen) lauten, als
der Gedanke blieb unerschüttert und die Arbeiten ruhten keinen
wären sie zu den in das unselige Ahasverschicksal verstrickten Juden
Augenblick. Mit der ganzen Energie seiner tatkräftigen Persönlich¬
gesprochen: „Wer sein Leben findet, der wird's vorlieren, und
keit hat Izzet=Pascha, der zweite Sekretär des Sultans das Unter¬
wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden.“
nehmen gefördert, das ihm zur Lebensaufgabe geworden ist. Schon
Und in dem Gespräche mit Nikodemus aus dem Evangelio Jo¬
im Jahre 1904 konnten unter großen Feierlichkeiten die ersten
hannis: „Wahrlich, wahrlich, ich sage Dir: Es sei denn, daß
450 Kilometer eröffnet werden; und heute arbeiten die unermüd¬
jemand von neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes
lichen Ingenieure bereits mitten in Arabien zwischen Maan und
nicht sehen.“ Aber, daß diese Aussprüche auch von den Israeliten
Medina. Das Hochland jenseits des Jordans ist längst vom
verstanden werden, setzt doch voraus, daß diese Israeliten auch
Schienenstrang überwunden und über die einsamen Steppen, in
wirklich eriösungsbedürftig empfinden. Und das dürften nur ganz
denen nur räuberische Beduinenhorden umherziehen, vorüber an den
verschwindend wenige unter ihnen tun, also nur Ausnahmen,
Ruinen altrömischer oder byzantinischer Niederlassungen, das hei¬
welche die Regel bestätigen. So wird es also zutreffen, daß es
lige Land der Christen hinter sich lassend, strebt die Noute hinein
für die Juden nie einen Weg ins Freie geben kann.
ins Herz der arabischen Halbinsel. Die größten Schwierigkeiten
freilich erwarten die Bahn im letzten Abschnitt der Steecke, zwischen
Nun könnte die Darstellung dieser tragischen Tatsache gar
Medina und Mekka. Aber trotzdem ist kaum daran zu zweifeln,
wohl eine echte Tragödie ergeben. Aber Arthur Schnitzler ist ihr
daß im Jahre 1913 die erste Lokomotive triumphierend vor den
keineswegs gewachsen. Indem er den rein und klar, anmutig und
Toren der heiligen Stadt halten wird. Dann werden auch die
ergreifend erzählten Liebesroman zwischen dem jungen Freiherrn
großen Hedschas=Züge ein anderes Bild gewähren, als die langen
und der Wiener Bürgerstochter Anna Rosner mit dem Juden¬
Karawanen von Gläubigen, die jetzt alljährlich von Damaskus aus
problem belastete, kam er notwendigerweise zu Schaden. Das
die Reise zur heiligen Kaaba antreten. Die Zehntausende, die
deutsche und vielleicht auch schon das jüdische Publikum wird
jetzt in ihren weißen weiten Pilgermänteln, die Füße nur mit
wohl bald wie der Freiherr Georg v. Wergenthin aus diesem
Sandalen bekleidet, nach Mekka ziehen, gehen nicht allein großen
Noman von den ewigen, wehleidigen Erörterungen über das
Entbehrungen, sondern auch furchtbaren Gefahren entgegen. Man
Judenschicksal „enerviert“ sein. So wird dieser Roman wohl in
weiß, wie fast immer verheerende Seuchen sich diesen Massenkara¬
keiner Beziehung für Arthur Schnitzler ein „Weg ins Freie“ sein.
wanen anheften, wie die Cholera und die Pest unter den Gläubigen
R. J.
wüten; man kennt die kühnen Araberstämme, die es als ihr gutes
Recht betrachten, den Pilgern als Tribut für den freien Durchzug
ihren letzten Besitz abzufordern, und wen das Schicksal einmal in
den Wüsten Arabiens die großen Karawanenstraßen der Pilger hat
Die heilige Eisenbahn.
kreuzen lassen, der denkt noch mit Schaudern zurück an die grausigen
Ueber die Hedschas=Bahn, den gewaltigen Schienenstrang, der
Wegweiser, die die Bahn der Pilgerzüge hinterlassen haben, mensch¬
von Damaskus ausgehend und die öden sonnenglühenden Weiten
liche Skelette, die Ueberreste jener Unglücklichen, die von Krank¬
der arabischen Wüste durchquerend über Medina und Mekka führen
heiten gebrochen oder von Erschöpfung überwältigt auf dem Wege
soll, gibt Vico Mantegazza, der in Konstantinopel Gelegenheit
niedersinken und elend dahinsterben, ohne das Ziel ihrer Wünsche
gehabt hat, den energischen Vorkämpfer dieses rein muselmanischen
gesehen zu haben. Die Beduinen haben auch rasch erkannt, welche
Anternehmens, Izzet Pascha, zu sprechen, in der Lettura eine inter¬
Gefahr die heilige Bahn für sie bedeutet und die Pioniere des
essante Schilderung. Nicht mit Unrecht betrachtet man eine glück¬
Bahnbaues haben schon manchen blutigen Strauß mit den braunen
liche Vollendung dieses kühnen Planes als eine Ruhmestat der
Söhnen der Wüste auszufechten gehabt, die immer wieder versuchen,
mohammedanischen Welt, die noch späteren Zeiten den Namen
das verhaßte Schienenwerk zu vernichten. Schon jetzi ist man ge¬
Abdul Hamide überliefern soll, denn diese Bahn wird nach ihrer
nötigt gewesen, größere Truppenmengen zur Bedeckung der Bahn
Vollendung zweifellos eine vollkommene Umwälzung in den arabi¬
nach Arabien zu werfen. Und gerade diese Truppeniransporte er¬
schen Städten hervorrufen und den gewaltigen Pilgerzügen, die all¬
hellen die große politische Bedeutsamkeit der heiligen Bahn, die
jährlich Monate damit verbringen, unter furchtbaren Anstrengungen
neben ihrem religiösen Endzweck und neben der kulturellen Um¬
und Entbehrungen den heiligen Stätten des Islams zuzustreben,
wälzung, die ihr wird folgen müssen, noch einen besonderen mili¬
ein völlig neues Gepräge geben. Zwar schreibt Mohammed im
tärischen Wert hat. Nicht umsonst betrachten die Engländer mit
Koran ausdrücklich vor, daß die Pilgerschaft zu Fuß oder auf Ka¬
einigem Mißtrauen die ganze unorientalische Energie, mit der dieses
melen nach Mekka gehen müsse, aber die religiösen Bedenken der
Werk betrieben wird, das die militärische Machtstellung der Türkei
Dogmatiker hat man verhältnismäßig leicht zum Schweigen ge¬
in Arabien, gegenüber Aegypten, mit einem Schlage verdoppelt und
bracht mit dem Hinweis auf den rein mohammedanischen Charakter
eine neue Situation schafft.
dieser Bahn. Denn ursprünglich, als der Sultan den großen Ge¬
danken zuerst verkündete, betonte man als einen unerschütterlichen
Grundsatz, daß die ganze Bahn nur von Gläubigen gebaut werden
solle und daß auch ihr Material, Schienen, Wagen und Lokomo=
ins
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23. Der Ne
Derneg ins Meie
bare, Titel: „Der Weg ins Freie“ auf das Judenproblem be= tiven, nur aus Erzeugnissen türkischer Industrie bestehen solle.
zogen werden. Denn Schnitzler kennt doch für keinen Juden einen
Aber die hohe Kommission der heiligen Eisenbahn hat sich schlie߬
Weg ins Freie. Sein Heinrich Beermann sagt doch gerade, als
lich doch in der Praxis genötigt gesehen, zu Ausnahmen ihre Zu¬
der Freiherr v. Wergenthin zu ihm bemerkt, daß er ein ärgerer
flucht zu nehmen; neben türkischen Ingenieuren sind jetzt vorwiegend
Antisemit sei als die meisten Christen, die er kenne: „...
deutsche am Werte, den Bau zu leiten, die Lokomotiven wurden
kann man doch nicht Antisemitismus nennen. Aber es gibt schon
schließlich aus Belgien bezogen und das rollende Material aus
Juden, die ich wirklich hasse, als Juden hasse. Das sind die, die
einem andern europäischen Staate. Das, was anfangs für den
vor andern und manchmal auch nor sich selber tun, als wenn sie
Plan die größte Gefahr zu bedeuten schien, der religiöse Fanatismus
nicht dazu gehörten. Die sich in wohlfeiler und triecherischer Weise
der Mohammedaner, erwies sich bald als dessen stärkste Stütze, und
bei ihren Feinden und Verächtern anzubiedern suchen und sich auf
die Opferwilligkeit der Gläubigen hat sich ein imposantes Denkmal
diese Art von dem ewigen Fluch loszukaufen glauben, der auf
geschaffen in der Tatsache, daß die jetzt vollendete Hälfte der 1800
ihnen lastet, oder von dem, was sie eben als Fluch empfinden.
oder 1900 Kilometer langen Strecke einzig aus freiwilligen Gaben
Das sind übrigens beinahe immer solche Juden, die im Gefühl
der Religiösen bestritten wurde. Die eröffnete Subskription ergab
ihrer eigenen höchst persönlichen Schäbigkeit herumgehen und da¬
gleich am Anfang überraschende Resultate und außer dem Sultan,
für unbewußt oder bewußt ihre Rasse verantwortlich machen
der als erster drei Millionen Franks zeichnete, dem Schah von
möchten. Natürlich hilfts ihnen nicht das geringste. Was hat
Persien, der eine Million stifiete, und dem Khedive von Aegypten,
den Juden überhaupt jemals geholfen. Den guten und den
der die gleiche Summe zeichnete und dazu noch Material versprach,
schlimmen.“
brachten die überall schnell sich bildenden Komitees in kurzer Zeit
In der Tat mag es auch für die ganz überwiegende Mehr¬
Millionen zusammen, mit denen sofort zum Bau geschritten werden
zahl der Juden, denen doch ein Ahasverschicksal auferlegt ist,
konnte. Später freilich flossen die Gaben spärlicher und zu allerlei
keinen Weg ins Freie geben. Es gibt ihn doch nur für diejenigen,
Ermunterungen mußte der Sultan seine Zuflucht nehmen. Ja vom
die eben ernstlich und rückhaltlos gewillt sind, sich als Juden
Jahre 1893 ab mußte man schließlich eine kleine Stempelsteuer ein¬
vollkommen aufzugeben. Für diese ist denn die ganze Heilswahr¬
führen, die dem Bahnbau zugute kommen soll, und der Padischah
heit des Christentums geradezu wie zugeschnitten. Der Heiland
gründete sogar einen Orden, dessen verschiedene Klassen je nach
hat doch gerade durch seinen Opfertod dargetan, wie man durch
Höhe der gestifteten Beiträge den Spendern größerer Summen ver¬
sein Sterben für die Ewigkeit lebendig werden könne. Zwei Aus¬
liehen wurden. Aber wie hoch die Hindernisse sich auch türmten,
sprüche im Evangelium (neben unzähligen anderen) lauten, als
der Gedanke blieb unerschüttert und die Arbeiten ruhten keinen
wären sie zu den in das unselige Ahasverschicksal verstrickten Juden
Augenblick. Mit der ganzen Energie seiner tatkräftigen Persönlich¬
gesprochen: „Wer sein Leben findet, der wird's vorlieren, und
keit hat Izzet=Pascha, der zweite Sekretär des Sultans das Unter¬
wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden.“
nehmen gefördert, das ihm zur Lebensaufgabe geworden ist. Schon
Und in dem Gespräche mit Nikodemus aus dem Evangelio Jo¬
im Jahre 1904 konnten unter großen Feierlichkeiten die ersten
hannis: „Wahrlich, wahrlich, ich sage Dir: Es sei denn, daß
450 Kilometer eröffnet werden; und heute arbeiten die unermüd¬
jemand von neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes
lichen Ingenieure bereits mitten in Arabien zwischen Maan und
nicht sehen.“ Aber, daß diese Aussprüche auch von den Israeliten
Medina. Das Hochland jenseits des Jordans ist längst vom
verstanden werden, setzt doch voraus, daß diese Israeliten auch
Schienenstrang überwunden und über die einsamen Steppen, in
wirklich eriösungsbedürftig empfinden. Und das dürften nur ganz
denen nur räuberische Beduinenhorden umherziehen, vorüber an den
verschwindend wenige unter ihnen tun, also nur Ausnahmen,
Ruinen altrömischer oder byzantinischer Niederlassungen, das hei¬
welche die Regel bestätigen. So wird es also zutreffen, daß es
lige Land der Christen hinter sich lassend, strebt die Noute hinein
für die Juden nie einen Weg ins Freie geben kann.
ins Herz der arabischen Halbinsel. Die größten Schwierigkeiten
freilich erwarten die Bahn im letzten Abschnitt der Steecke, zwischen
Nun könnte die Darstellung dieser tragischen Tatsache gar
Medina und Mekka. Aber trotzdem ist kaum daran zu zweifeln,
wohl eine echte Tragödie ergeben. Aber Arthur Schnitzler ist ihr
daß im Jahre 1913 die erste Lokomotive triumphierend vor den
keineswegs gewachsen. Indem er den rein und klar, anmutig und
Toren der heiligen Stadt halten wird. Dann werden auch die
ergreifend erzählten Liebesroman zwischen dem jungen Freiherrn
großen Hedschas=Züge ein anderes Bild gewähren, als die langen
und der Wiener Bürgerstochter Anna Rosner mit dem Juden¬
Karawanen von Gläubigen, die jetzt alljährlich von Damaskus aus
problem belastete, kam er notwendigerweise zu Schaden. Das
die Reise zur heiligen Kaaba antreten. Die Zehntausende, die
deutsche und vielleicht auch schon das jüdische Publikum wird
jetzt in ihren weißen weiten Pilgermänteln, die Füße nur mit
wohl bald wie der Freiherr Georg v. Wergenthin aus diesem
Sandalen bekleidet, nach Mekka ziehen, gehen nicht allein großen
Noman von den ewigen, wehleidigen Erörterungen über das
Entbehrungen, sondern auch furchtbaren Gefahren entgegen. Man
Judenschicksal „enerviert“ sein. So wird dieser Roman wohl in
weiß, wie fast immer verheerende Seuchen sich diesen Massenkara¬
keiner Beziehung für Arthur Schnitzler ein „Weg ins Freie“ sein.
wanen anheften, wie die Cholera und die Pest unter den Gläubigen
R. J.
wüten; man kennt die kühnen Araberstämme, die es als ihr gutes
Recht betrachten, den Pilgern als Tribut für den freien Durchzug
ihren letzten Besitz abzufordern, und wen das Schicksal einmal in
den Wüsten Arabiens die großen Karawanenstraßen der Pilger hat
Die heilige Eisenbahn.
kreuzen lassen, der denkt noch mit Schaudern zurück an die grausigen
Ueber die Hedschas=Bahn, den gewaltigen Schienenstrang, der
Wegweiser, die die Bahn der Pilgerzüge hinterlassen haben, mensch¬
von Damaskus ausgehend und die öden sonnenglühenden Weiten
liche Skelette, die Ueberreste jener Unglücklichen, die von Krank¬
der arabischen Wüste durchquerend über Medina und Mekka führen
heiten gebrochen oder von Erschöpfung überwältigt auf dem Wege
soll, gibt Vico Mantegazza, der in Konstantinopel Gelegenheit
niedersinken und elend dahinsterben, ohne das Ziel ihrer Wünsche
gehabt hat, den energischen Vorkämpfer dieses rein muselmanischen
gesehen zu haben. Die Beduinen haben auch rasch erkannt, welche
Anternehmens, Izzet Pascha, zu sprechen, in der Lettura eine inter¬
Gefahr die heilige Bahn für sie bedeutet und die Pioniere des
essante Schilderung. Nicht mit Unrecht betrachtet man eine glück¬
Bahnbaues haben schon manchen blutigen Strauß mit den braunen
liche Vollendung dieses kühnen Planes als eine Ruhmestat der
Söhnen der Wüste auszufechten gehabt, die immer wieder versuchen,
mohammedanischen Welt, die noch späteren Zeiten den Namen
das verhaßte Schienenwerk zu vernichten. Schon jetzi ist man ge¬
Abdul Hamide überliefern soll, denn diese Bahn wird nach ihrer
nötigt gewesen, größere Truppenmengen zur Bedeckung der Bahn
Vollendung zweifellos eine vollkommene Umwälzung in den arabi¬
nach Arabien zu werfen. Und gerade diese Truppeniransporte er¬
schen Städten hervorrufen und den gewaltigen Pilgerzügen, die all¬
hellen die große politische Bedeutsamkeit der heiligen Bahn, die
jährlich Monate damit verbringen, unter furchtbaren Anstrengungen
neben ihrem religiösen Endzweck und neben der kulturellen Um¬
und Entbehrungen den heiligen Stätten des Islams zuzustreben,
wälzung, die ihr wird folgen müssen, noch einen besonderen mili¬
ein völlig neues Gepräge geben. Zwar schreibt Mohammed im
tärischen Wert hat. Nicht umsonst betrachten die Engländer mit
Koran ausdrücklich vor, daß die Pilgerschaft zu Fuß oder auf Ka¬
einigem Mißtrauen die ganze unorientalische Energie, mit der dieses
melen nach Mekka gehen müsse, aber die religiösen Bedenken der
Werk betrieben wird, das die militärische Machtstellung der Türkei
Dogmatiker hat man verhältnismäßig leicht zum Schweigen ge¬
in Arabien, gegenüber Aegypten, mit einem Schlage verdoppelt und
bracht mit dem Hinweis auf den rein mohammedanischen Charakter
eine neue Situation schafft.
dieser Bahn. Denn ursprünglich, als der Sultan den großen Ge¬
danken zuerst verkündete, betonte man als einen unerschütterlichen
Grundsatz, daß die ganze Bahn nur von Gläubigen gebaut werden
solle und daß auch ihr Material, Schienen, Wagen und Lokomo=