I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 130

Frei
in
box 3/2
23. Der Ne
SEg HAA
. In Rom wurde jetzt so viel gebaut! Ganze Viertel entstan= stieg und eine plötzlich aufdämmernde Ahnung sie sormt.
jetzt gehorchen.“
zärtlichen Gewalt österreichischer Landschaft wie in Musik 1866, der mit Venedig ein Fetzen Fleisch aus dem Herzen
verklärte und alle Trauer des Seelischen helleren Wider= gerissen wurde und die noch emmer den großen Traum
kurblatt.) #
klang finden ließ in der heiteren Melodie der Wiener vom neuen Oesterreich träumt. Man muß nur in den
Lebensdinge. Und dann kam plötzlich, wie eine Fanfare militärischen Studien des Bartsch über das Jahr 1809
nölkinder.“##7
hereinschmetternd und aufsprüheno wie eine Rakete in den Jubel über Tirol lesen oder den Stolz, daß der
fan Zweig.
dutzende Leuchtkugeln, dies Reiterbuch dies Drauflos= preußische Husar Schill österreichischem Blute entstammte,
gängerbuch des Rudolf Hans Bartsch, „Zwölf aus; daß der letzte Ruf des in den Tod Gehetzten nicht seinem
hr, das Wiener Jahr 1908,
der Steiermark“. Fünf Romane, so verschieden
König galt, nicht dem König von Preußen, sondern dem
wollten wir ihm nicht laut
voneinander wie möglich, jeder schön in seinem Sinn,
Feldherrn Karl, dem Erzherzog von Oesterreich. Das ist
nicht nur darum, weil viel
noch einer, der in dem allen A, E, I. (
hat uns das reiche Jahr 1908 aus Wien gebracht, fünf
U nicht
n, festtäglich die Straßen sich
mehr das höhnische „Austria Erit In Orbe Ultima“
Bücher, so trächtig von künstlerischer Kraft, daß ich alles,
alle Glocken von fern und
was in diesem Jahr in Reichsdeutschland geschaffen war,
lesen will, sondern den altneuen stolzen Hoffnungsspruch.
sondern auch weil der künst¬
willig dafür gebe. Fünf starke, vollsaftige Bücher, die in
Und so ein alter Oesterreicher, der sich nicht hat bit¬
i bessere Frucht getrieben als
jedem Buchschrank in Wien, in Oesterreich stehen sollten,
besiegen lassen anno 1866, der nicht mitwill in diese
und milden Herbst. Ein Jahr
sowi man Kostproben eines guten Jahrganges in
neue Welt und zurück flüchtet ins Langvertraute und
gerade der Roman, der Wiener
Kellern und Spinden beisammen bewahrt.
Urheimliche, weil er im neuen Oesterreich sein Oesterreich
Literatur — die, sagen wir
nicht mehr findet, so einer ist der alte Haindl. Ein
st, als je seit Grillparzers
Aber dieser Rudolf Hans Bartsch ist einer, der in
Bürger vom Grund, der liebe alte Murrkopf mit dem
Könnens gefehlt. Wien galt
seinen Jugendjahren nicht geschrieben, sondern ge
Radetzky=Schnurrbart, der dem Moritz v. Schwind ähn¬
tischen Erfolge draußen im
schwiegen, gelernt, gespart und erlebt hat, der jetzt so voll
lich sieht und sich gerne altväterisch trägt wie die Leute
erste Werkstatt der Ziseleure,
ist von dichterischem Drang, daß es ihn jagt von Werk
aus der verlorenen Zeit. Aber der Haindl ist nicht nur
ister des Arrangements, der
zu Werk, daß es moussierend wie Sekt herausschäumt.
Oesterreicher, er ist auch. Wiener. Ein alter Wiener.=Und
erse so zu schmieden wußten,
Und noch ehe dieses gute Wiener Jahr Valet gesagt
mag darum das neue Wien nicht mehr. „Denn“ —, wie
klangen und wie mit hellen hat, hat er rasch schon dem ersten Roman einen zweiten
schön sagt das der Bartsch. — „in Wien geboren zu
flitzten. Als die Stadt galt nachgeworfen, den Roman der „Haindlkinder"*)
sein und dort groß und alt zu werden, ist mehr als in
ktrefflich gemeistert wird, wo einen unbändigen, glühenden Hymnus auf Oesterreich,
anderen Städten ein beständiges Verwundetsein. Das
die Novelle Meisterschaft der klingt wie der Sturmmarsch einer Militärkapelle. In
alte Wien hatte etwas unsagbar Ländliches, und der
fur und nicht Kraft erfordert, die Wiener Landschaft hatten sich bisher schon manche
alte Wiener war eigentlich niemals durch und durch
ergeistigt. Dieses gute Jahr verliebt (am wenigsten freilich die Wiener). In Schnitzlers
Städter. Nun verbaut ihm die Großstadt seine heiteren,
Zurückhaltung und nicht
Roman fließt wie ein melodischer Bach das Lied der
hellen Straßen, in denen selbst die Wintersonne bis auf
nicht Armut, feinstes Grenz¬
Landschaft zwischen den Erlebnissen der Menschen, und
das Pflaster herabschien, mit hohen Häusern. Sie ver¬
heit war, wenn unsere Künstler
wo das Schicksal herbe werden will, läßt er es sanfter
baut ihm die Gärten, die ehedem hinter jeglichem
wuchtige Form der Aussprache,
und gütiger scheinen in der zärtlichen Wehmut. der Wein¬
Häuschen rauschten, und sie reißt ihm diese geliebten,
hr Schnitler hat endlich
hügel und sanfien Gelände. Lucka wiederum hat Schön¬
ländlichen Häuschen weg. Durch die neuen Straßen aber
den der von Jahr zu Jahr
brunn und die Berge so geschildert, daß man sie nie
eilen Menschen, die nicht; mehr das stille Altwiener
ehrer so lange schon wartete
mehr vergißt, und hat dem Wiener Walzer ein Kapitel ge¬
Lächeln über dem Antlitz haben. Es ist ein beständiges
ins Freie“ vieler Sehn¬
schrieben, das selbst hinschwingt in zärtlichem Takt. Diese
tiefes Weh.“ Und so zieht er fort, der alte Haindl. Nicht
el gewiesen, hat all das, was
aber und alle Früheren haben nur Wien geliebt, jene
weit freilich, denn weithin ließe es ihn ja nicht. Aber
würgte und mit verhaltenem
merkwürdige Seele von Wien, deren Geheimnis Servaes
außerhalb der Kasernenhäuser, mitten in die Felder
in lassen und verheißungsvolle
in seinem Buche zu ergründen suchte. Bartsch aber liebt
hinein, so daß er über das Weingebirge sein Wien noch
tremde aus Franken, der nun
das ganze Oesterreich. Jene liebten Oesterreich um dieses
immer sehen kann, baut er sich ein Häusel, baut sich sein
pir so gern ganz den Unseren
Wiens willen, Bartsch liebt Wien, weil es ihm am
Oesterreich. Denn er nimmt nur altväterisches Zeug
assermann, hat in diesem
stärksten sein Oesterreich verkörpert. Das ist nur zu ver¬
hinein, schmückt es nur mit Wiener Hausrat aus, den
r“ geschrieben, dieses wunder¬
stehen, weil er Soldat war. Denn nur im Militär lebt
er in kleinen Orten und staubigen Tandelläden erwirbt,
deutschen Literatur nie mehr
bei uns die Vision dieses in zwanzig Farbflächen zer¬
und die Oefen muß ihm irgend ein verlorener steirischer
en. Diesen beiden, schon Be¬
spaltenen, vom ewigen Widerstreit zerrissenen Oester¬
Provinzhafner anfertigen, weil ihm in Wien gar keiner
singere gesellt. Franz Karl
reich noch lebendig, noch als Einheit. Nur die
unmodern genug ist. Und dort, in dieser Trutzburg der
n „Jakobus und die
Armee empfindet es immer noch als die Macht
alten Zeit will er seine junge Brut, die Haindlkinder,
oll Wehmut erzählt und damit und Großmacht, ihr allein scheint alles noch einfärbig
aufziehen, daß sie einmal flügge werden könnten und
und schön, auf dem goldener und einheitlich wie die Uniform, wie die Ordnung, die
auf dem alten, vergessenen ein neues schönes Oesterreich
Kellers sonnigem Blick hin= nach obenhin ehrfürchtig in eine einzige Fürstenhand
aufbauen.
r, Emil Lucka, den man mündet. Das Militär ist vielleicht die einzige Welt in Oester¬
Dort, nicht in Wien also, und doch mehr in seinem
en kannte, hat in seinem er¬ reich, die sich noch nicht ausgesöhnt hat mit dem Jahr
Herzen, als wohnten sie am Ring oder Graben, dort
und Leben“ ein schwarz¬
hausen die Haindls, im Österhäusel. Hausen nicht wie
Verlag von Staakmann, Leipzig, 1908.
acht, indem er es mit all der
D# nn 19 301