I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 131

Freie
in
Der Ne
23. Luune eis box 3/2
Aeenstleiches gewdesen, der das Klöster; was sie eigenilich war!
S. 2
Eremiten denn das wäre nicht österre cherhaft, sondern
etwas, das aber durch und durch, in ihnen ist der alte## tiker, wäre
in Frohsinn und Uebermut, das Essen gilt dort viel, und
Haindl aufgelöst und so die drei Haupttugenden des
Fremdenver
der gute Wein wird auch nicht verachtet. Ein Herrenleben
Oesterreichers symbolisiert. Ruprecht, der Kampfhaindl,
vielen Herz
führen sie, und die Frauen haben wenig zu sagen. Die
repräsentiert den starken Trieb, die Lebendigkeit der Rasse,
Oesterreichs,
Mutter ist eine gute Mehlspeisköchin und hat damit
die Rauflust und Parteilust; Benedikt, der Lebehaindl,
den in den
ihren Beruf erfüllt, die Tochter, die Marilene, stehr still
das ist das Genießertum, die Unbesorgtheit, Lebe¬
jubeln, der
im Hinterzimmer, während die Buben vorne tollen. Und
freudigkeit, das Phäakentum der Wiener mit all dem
„Es ist wi
so bleibt sie im ganzen Buch, still und unscheinbar, und
zärtlichen Nachklang der verlorenen Anmut eines Wozart
Oesterreich.“
sieht den Haindlbuben nur sehnsüchtig nach, wie sie
und Schubert; Johannes, der Geisthaindl, aber stellt
hinaus ins Leben stürmen. Diese drei aber sind die Hoff¬
die Seele Oeterreichs dar, die — als Katholizismus in
nung des alten Haindl, und wie er glaubt, die Erbauer
den breiten Massen verdichtet, künstlerisch im Sinnierertum
(Stratz:
des neuen Oesterreich. Da ist Ruprecht, der Kampf¬
des Grillparzer verewigt — hier die Form einer neuen
haindl, ein Kerl, der immer d'rauf losgeht, explodierend
Frömmigkeit gewinnt. Diese drei symbolisieren die Kräfte
in Begeisterungen, der leibhaftige Uebermut; da ist
des Oesterreichertums, Marilene, das Mädel aber, seine
Zu d
Benedikt, der Lebehaindl, der Genießer der Froh¬
Schwäche, die sich ruhig an die Wand drücken läßt, die
Buich wach
glückliche, der sich frisch aus der Welt das Beste heraus¬
abstirbt und verblüht, während alle anderen die Welt ge¬
zähler, den
greift, und da ist Johannes, der Geisthaindl, der
winnen. So eigen sieht Bartsch das Oesterreichertum, so
ging, hat er
Sinnierer, der Stille, der Seelenvolle. In Herzlichkeit
eigen und einzig will er jedes Ding sehen. Flink baut
den Kaser
und Fröhlichkeit beisammen, wachsen sie stattlich auf, eine
er sich eine Nationalitätentheorie, einen eigenen Rassen¬
worfen, bis
klingende Triangel, und gemeinsam ziehen sie zuerst auch
glauben, im Handumdrehen ist er fertig mit der Weisheit
Stoffen nich
aus, um das neue Oesterreich zu bauen, um den Sumpf,
von Tod und Leben, mit jedem Ding zwischen Himmel
der Bergwel
den Froschzank durchlärmt, zu fruchtbarem Lande umzu¬
und Erde ringt sein starker Rauf= und Spintisiertrieb,
tigen Schau
roden und die blinkende Linie eines Stromes hindurch¬
unbändig ist dieser Eigenwille, sich selbst alles nach
Kein Gebir
zuführen. Erst eine Frau, die sie alle lieben, die der
seinem Wunsch zu deuten.
wie wir
eine nimmt, die dem andern gehört, scheidet ihre
Und ganz eigen und unvergleichbar ist dieses
danken, son
Charaktere, aber diese Menschen werden nicht matt und
Haindl=Buch. Es ist der erste Roman aus dem alt¬
des Städter
zänkisch in ihrem Unglücksgeschick sondern nach oben jagt
neuen Wien, der nicht antiquarisch wirkt, nicht als
Höhen schwi
sie ihre aufgewühlte Glut. Wie an einem Kreuzweg
Vitrine mit altem Zeug, ein Museum von Vormärzlerei
der Grund
laufen ihre Pfade auseinander. Ruprecht, der Kampf¬
und Vatermördertum, sondern all dies Alte atmet lebt,
sein. Stratz
haindl, wird Parlamentarier, zuerst ein Teutone und
quillt und brodelt, weil es eben nicht als Totes und Ab¬
zurückgekehrt
dann, weil ihm dies zu eng scheint für Oesterreich, ein
sterbendes gesehen ist, sondern als Fundament für neuen
Bergsommer
Freisozialist. Der Lebehaindl sucht die neue Kraft des
Bau, als lebendige Kraft, die nur schlummert und nicht
Erzähler, de
Lebens im Geld und noch mehr in der Rasse, die er
schon vernichtet ist. Es ist selbst so ein Österhäusel, voll¬
fröhlich vermehrt, und selbst der Geisthaindl, erweckt von
literarischen
gepackt mit alten lieben Sachen, voll von heiteren
der ehebrecherischen Liebe seiner Schwägerin, wird ein
hatte, dem e
Stimmen und bunter Musik, es ist vor allem endlich ein
Kämpfer für einen neuen Glauben, der äußerlich Katholi¬
lung mehr
Wiener Buch ohne Raunzertum, ein Buch der Liebe.
zismus ist und innerlich ein Freimaurertum der Güte
setzungen, p
Und diese Liebe zu Wien, die bei manchen nur ein ge¬
und des Mitleids. Jeder baut in seinem Sinne das neue
komplizierter
fälliges Requisit ist, dem Bartsch glaubt man sie wirk¬
Oesterreich.
gann in da
lich, man glaubt ihm überhaupt alles im Augenblick,
So sastig, so vollblütig ist das geschildert, wie diese
forschen
selbst seine verstiegensten Theorien, sogar die Unmöglich¬
Bursche vom einsamen Österhäusel niederfahren in di
psyche zu st
keiten. Und wie beim Bergsturz der Heldin aus dem
Welt, daß man ganz vergißt, daß dieser alte Haindl und
die nächste
veilchenblauen Himmel der Birch=Pfeiffer=Romantik plötz¬
diese drei prächtigen Buben gleichzeitig auch Symbole
Feine“,
lich ein Lämmergeier niedersteigt in diese Täler des
sind. Der alte Haindl, das soll der ganze Oesterreicher
Ruh“ und
Lebens, selbst da lächelt man nicht über die Naivetät,
sein, der echte und auch der schlechte. Denn er ist der
diesen Titel
sondern glaubt es dem Begeisterten für einen Augenblick.
alte Oesterreicher, der immer nur zurückblickt, sich zurück¬
mung nach,
Ein heller Becher zum Gruß gegen Oesterreich g
wünscht in das Vergangene und Verlorene, sich immer
möglich gew
schwungen, ein Becher mit schäumendem Most, so ist dieses
hinsehnt ink die verlorene Gemütlichkeit, der alles Neue
Empfindung
Buch. Zuerst stürmt man's im Galopp durch, um es ein
ungeprüft ablehnt, allem Lebendigen und Tätigen abhold
zitternden Kl
zweitesmal stiller und nicht weniger freudig zu lesen.
ist. Und was diesen eigentlich bösartigen Spießer, der
stimmung ei
Und wo sollte man es lesen, wenn nicht in diesem Oester¬
doch dieser Haindl im Grunde ist, so liebenswert macht,
Darum
reich, diesem Wien, das so ekstatisch besungen, wer
ist allein sein Wille zur Verjüngung, die Selbst¬
Freuden au
sollte ihm danken, wenn nicht wir? So ein Buch,
erkenntnis, daß man den unfruchtbaren Oesterreicher in sich
knappen, kraß
würde es in hunderte Hände gegeben, stürmte es hinaus
überwinden muß, den Oesterreicher, der von allem etwas
hat und nichts ganz, der das Leben nur hinnimmt, ins Reich, es wirkte für die Lebenskraft des Habsburger¬
*) Stuttgs
statt es zu erobern. Seine drei Sihne sind dann jeder staates vielleicht mehr als alle Versicherungen der Poli= folger. Brosch.