I, Erzählende Schriften 23, Der Weg ins Freie. Roman (Die Entrüsteten), Seite 175

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ahnt, daß sie tatsächlich doch viel Schweres wenig echt wie die Begeisterung. Nur die
mit sich selbst durchzuringen und abzumachen Schadenfreude und der Haß gegen das Ta¬
hat. Arthur Schnitzler läßt uns da im Stich. lent, die sind echt bei uns.“ So stellt die
Er sagt nichts. Er deutet kaum an. Seine felix Austria Schnitzlers erste Not dar, und
verräterische Eigenheit, allen Konflikten, den ich sagte schon, daß der „Weg ins Freie“
geräuschvollen nicht nur, sondern doch auch wohl nicht rein zufällig auch ein Weg ins
den tiefen und starken, möglichst aus dem Deutsche Reich wäre. Seine zweite ihn
Wege zu gehn, spielt ihm hier einen bösen
noch viel stärker bedrückende Not knüpft sich
Streich. Er wird sich verteidigen und wird
für ihn, den Jude# n das Judentum.
einwenden, er hätte mit künstlerischer Ab¬
Klug und fein,
nd wahr redet er
sicht alles vom Manne aus gesehen. Aber
darüber, dreht de
problem nach allen
diese künstlerische Absicht ist hier ein grober
Seiten, kann
rgen, daß es alle
künstlerischer Fehler. Denn es ist doch selbst¬
seine Gedanker
Aber so treffend
verständlich, daß man in der Geschichte einer
die jüdischen
nd, die er auf¬
Liebe denjenigen Teil in den Mittelpunkt
stellt, so sch
ich charakterisiert
und das vollste Licht rückt, der am meisten
sie haben
ingste mit der Er¬
darin zu erleben und zu erleiden hat. Was
zählung zu tic
denn Anna Jüdin
geht uns am Ende dieser etwas kühle
wäre — dann
man begreifen, daß
Georg von Wergenthin an, für den man so¬
für Georg von A
enthin, für die ganze
wieso nur schwer ein Interesse aufbringt
Entwicklung der H##dlung das Rassenpro¬
und für den diese ganze Liebe über kurz
blem schwerwiegende
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ätte. Doch
oder lang eine nicht besonders wichtige Epi¬
diese Ver
versch
nüpfung
hnitzler.
sode sein wird? Aber für Anna Rosner
Das Liebespaar ist durchaus
muß sie schon aus natürlichen Gründen et¬
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inem
was Unvergeßliches, Unverwischbares, einen

mkreis
Lebensinhalt bedeuten. Und ihr Herz u
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Lippen zu versiegeln, um statt dessen ihren
hat
Geliebten in den Vordergrund zu schieben,
der doch halt mehr oder minder nur Zu
schauer ist, das war fraglos ein Mißgriff
en Literaten un
der sich überall rächt. Erst durch Liebe und
der Geliebten hätte man allenfalls be
fnis
fen können, daß Georg von Wergenthin
selbst geläutert und Ziel und Richtun
pr
hätte. Aber da dies ganz fehlt E
nter
t denn da eigentlich der „Wec
Wird dieser Weg etwa durch
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kam,
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en gewonnen? Durchaus nicht.
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ils durch die Empfehlung eines
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Bekannten, teils durch die Selbstlosigkeit des
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Mädels, das die Tür weit aufmacht und
mit
Bittel sagt. Wenn der komponierende Baron
Da ist einer, der übere
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dann, den Empfehlungsbrief in der Tasche,
selbst i
nen Famili
Das ist die
durch diese Tür spaziert, so ist das wahrlich
neueste Nationalkrankheit der
sagt
keine Heldentat. Ganz im Gegenteil. Man
ein andrer. „Mir selbst ist
bisher erst
sieht ihm mit sehr gemischten Gefühlen nach.
gelungen, einen einzigen echten Antisemiten
Löst so die Gestaltung des eigentlichen
kennen zu lernen, und das war ein bekann¬
Themas schon recht zwiespältige Empfin¬
ter Zionistenführer
Fragen der Assimila¬
dungen aus so wird durch das Um und
tion werden fein behandelt; die „Tragikomö¬
Drum das Urteil erst ganz bestimmt und
die des heutigen Judentums“ von einem
besiegelt. Arthur Schnitzler schlägt die Toga
Wissenden und Leidenden enthüllt, entschleiert
zurück und zeigt seine Wundheit, zeigt, woran
sich uns; alle Spielarten und Typen werden
er krankt. Wenn der alte Bauernfeld über
scharf beleuchtet; das bittre Wort fällt, daß
sein Vaterland redete, wurde der Heitere
„ein Jude vor dem andern nie wirklichen
„grantig“, und von ihm stammt der Spruch:
Respekt hat“. Eine Unsumme psychologisch
„Wie nenn' ich mein Hauptübel gleich?
feiner Bemerkungen wird daneben angehäuft;
Ich leide an Österreich!“
viel zorniger Schmerz über „diese jüdisch¬
Dieser Spruch könnte vor den Biographien
überklugen schonungslos=menschenkennerischen
Grillparzers, Halms, Raimunds, Bauern¬
Leute“ schafft sich einen Ausweg. Aber es
felds, Nestroys als Motto stehn, und es
ist etwas Unfreies in allem, Schnitzler selbst
gibt zu denken, daß über ein halbes Jahr¬
fühlt sich gebuiden. Und diese heimliche
hundert später, im österreichischen Jubiläums¬
Bedrängnis uno Erbitterung zerstort ihm
jahr 1908, einer der hervorragendsten Wiener
das Kunstwerk. Er erörtert neben der
Schriftsteller bitter in ähnliche Klagen und
Erzählung eine ganz persönliche Not,
Anklagen ausbricht. „Bei uns in Österreich,“
anstatt in der Erzählung die aus dem Er¬
heißt es einmal, „ist ja die Entrüstung so leben der Helden erwachsende Not zu ge¬
ssaNeues vom
stalten. Er schweigt diesmal, wo er reden,
und er redet, wo er schweigen sollte.
STIAAE