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ins Freie
23. Der Ne
r. Oder sollte es Herr
tarischen Traditionen zu widersprechen scheinen;sie waren
el an Freiheitlichkeit er¬
nur der Ausdruck des Selbstbewußtseins der Oligarchen,
Schichten einer Nation, wenn möglich der ganzen Nation ist.
Im höchsten Sinne repräsentativ war Goethe, in dem naivstes Volks¬
eton (
gefühl und intellektuellstes Forschertum, Götzens derbe Männlichkeit
und Tassos zitternde Seelenhaftigkeit zu dichterischen Stimmen
koman.“
kamen. Auch Gerhart Hauptmann, was man auch wider ihn
ur Schnitzler ist ein Wiener
agen möge, ist repräsentativ für die Nation. Der Fuhrmann
de hat sich hineinverirrt, aber
Henschel, die Webersleut', das arme Hannele, aber auch Pippa,
szufinden. Alle Männer von
die Elfin, und Vockerath, der Ringer, und Michael Kramer, der
Roman, moderne und un¬
Künstler, sind in seiner Seele. Möglich, daß Houptmann kein
te und weniger assin lierte
starker Repräsentant der Deutschen ist, umfassend genug wäre
inanzjuden, jüdische Gigerln
er! Er ist nicht nur das niedrige Gewächs einer kleinen Klasse.
le Juden und sozialistische
Was soll man, von solchen Gedanken ausgehend, zum
Wiener Roman geworden, den
neuen Roman Arthur Schnitzlers sagen? Das ist die Repräsen¬
schland als Repräsentant des
tation eines ganz kleinen Kreises: des wohlhabenden Wiener
sondern bloß der Leopold¬
Judentums. Von einem Dichter, der immer wieder für die
n wahrhaftig, es fehlt der
höchste Dichterehrung des Reiches vorgeschlagen wird, war zu
nicht an Kunstwerken, die
erhoffen, daß sein Gesichtskreis weniger eng ummauert sei. Was
Georg Hirschfeld hat daran
soll man denn dem Typus Adolf Bartels erwidern, wenn einem
ann hat darauf seinen Ruhm
Arthur Schnitzler der Wiener Roman bloß zu einem Bilde
hat das Problem in seinem
jüdischen Literaten= und Jourlebens wird? Und wie steht
Grafen Charolais“ beschwatzt.
Arthur Schnitzler mitten drin in seiner Gesellschaft! Als
gen Jahres „Jettchen Gebert“
Georg Hirschfeld seine Judendramen schrieb, da konnte man
den Adolf Bartels zurufen: Ihr Tauben, ihr verstopften
geschöpft, möchte ich in
Ohren, ihr blind Gebornen, seht ihr denn nicht, daß diese
erwähnen. Also genug, mehr
Dichtungen eines jungen Deutschen jüdischer Abstammung vor
#en auf die Judenfrage! Kurz¬
allem Darstellungen der Distanz sind, die zwischen dem
rch seinen Heine=Haß berühmte
alten, unassimilierten, ewig nir an Zwecke denkenden Judentum
nung begreiflicher, wenn man
und dem jungen, vom Zweckdenken schon befreiten, rein und
e, namentlich Berliner und
künstlerisch schauenden, unwillkürlich deutschen Wesen der Juden¬
Kontakt nur mit den Juden¬
öhne besteht? Die jüdischen Anklagedramen Georg Hirschfelds
Ein Dichter (und sogar ein
varen Abschiedsrufe der deutschen Judenjünglinge an das nur
Bedeutung und am Ende auch
nüchterne, im tiefsten kaufmännische Judentum! Doch dieser
präsentant bestimmter
Roman Schnitzlers? Der Dichter hat gar keine Distanz zu
seinen Juden, steht vielmehr mitten drin und sein Auge ver¬
reie.“ Roman von Arthur
weilt auf ihnen mit wahrhaft Güdemannischem Wohlgefallen.
Fischer.
des Landes“ ist eben seine Herrschaft.
Darum sind alle Juden in diesem Roman edel! Der gute, alte
Berthold Auerbach hätte sie nicht edler malen können. Da ist der
Schriftsteller Heinrich Bermann, ein Jude, eminent geistreich, ein
psychologischer Bohrer und doch voll Phantasie, noch dazu mit
einer interessanten, immer wieder aufbrechenden Seelenwunde!
Da ist der Schriftsteller Nürnberger, Jude und also der absolut
weise Mensch, erhalen über alle Eitelkeiten der kleinen Welt,
unschöpferisch aus Tiefsinn, menschenverächtlich, weil angefüllt
mit Menschenkenntnis, mit einem kleinen Licht im dunklen
Herzen: der Erinnerung an eine früh verstorbene Schwester.
*
Da ist ein alter, menschenfreundlicher Arzt, Doktor Stauber, die
personifizierte jüdische Güte, ein Cousin Nathans des Weisen.
Sein Sohn, der junge Stauber, das ist der jüdische Idealismus,
der zwischen wissenschaftlicher Hingabe und öffentlicher Werk¬
tätigkeit schwankt. Da ist ein junger Zionist, Golowsky, zu ver¬
stehen als die jüdische Tapferkeit in Person. Schießt einen grau¬
amen antisemitischen Hauptmann im Zweikampf mausetot. Aber
auch alle anderen Juden sind edel. Ein alter Finanzmann Ehren¬
berg würde gern die Hälfte seiner Millionen hingeben, wenn er
ein paar rohe Antisemiten aus der Welt schaffen könnte. Die
Sehnsucht sitzt auch in diesem Schnitzlerschen Bankier so tief,
daß er im Frühjahr nach Jerusalem wandert. Nicht alle
jüdischen Financiers gehen zur Erholung nach Palästina. Im
Anfang des Romans wird wenigstens der Sohn des
alten Cyrenberg als flacher Assimilationsstreber gezeichnet,
der sich seines Judentums schämt und sehnsüchtig zum
Jockeyklub äugt. Kaum aber hat der alte Ehren¬
berg dem jungen einmal eine Ohrfeige gegeben, so
erwacht schon die stolze jüdische Seele in ihm, der Oberflächliche
wird tragisch und versicht Selbstmord! . .. Vergebens wird
man das ganze Buch nach einem einzigen gemeinen Juden, ja
auch nur nach einer gemeinen Regung durchsuchen, die doch die
psychologische Belletristik selbst den Helden gelegentlich gestattet.
Wobei unter gemein keine sittliche Charakteristik, sondern nur
der allezeit praktische. allezeit nüchterne, stets nur auf Zwecke
ins Freie
23. Der Ne
r. Oder sollte es Herr
tarischen Traditionen zu widersprechen scheinen;sie waren
el an Freiheitlichkeit er¬
nur der Ausdruck des Selbstbewußtseins der Oligarchen,
Schichten einer Nation, wenn möglich der ganzen Nation ist.
Im höchsten Sinne repräsentativ war Goethe, in dem naivstes Volks¬
eton (
gefühl und intellektuellstes Forschertum, Götzens derbe Männlichkeit
und Tassos zitternde Seelenhaftigkeit zu dichterischen Stimmen
koman.“
kamen. Auch Gerhart Hauptmann, was man auch wider ihn
ur Schnitzler ist ein Wiener
agen möge, ist repräsentativ für die Nation. Der Fuhrmann
de hat sich hineinverirrt, aber
Henschel, die Webersleut', das arme Hannele, aber auch Pippa,
szufinden. Alle Männer von
die Elfin, und Vockerath, der Ringer, und Michael Kramer, der
Roman, moderne und un¬
Künstler, sind in seiner Seele. Möglich, daß Houptmann kein
te und weniger assin lierte
starker Repräsentant der Deutschen ist, umfassend genug wäre
inanzjuden, jüdische Gigerln
er! Er ist nicht nur das niedrige Gewächs einer kleinen Klasse.
le Juden und sozialistische
Was soll man, von solchen Gedanken ausgehend, zum
Wiener Roman geworden, den
neuen Roman Arthur Schnitzlers sagen? Das ist die Repräsen¬
schland als Repräsentant des
tation eines ganz kleinen Kreises: des wohlhabenden Wiener
sondern bloß der Leopold¬
Judentums. Von einem Dichter, der immer wieder für die
n wahrhaftig, es fehlt der
höchste Dichterehrung des Reiches vorgeschlagen wird, war zu
nicht an Kunstwerken, die
erhoffen, daß sein Gesichtskreis weniger eng ummauert sei. Was
Georg Hirschfeld hat daran
soll man denn dem Typus Adolf Bartels erwidern, wenn einem
ann hat darauf seinen Ruhm
Arthur Schnitzler der Wiener Roman bloß zu einem Bilde
hat das Problem in seinem
jüdischen Literaten= und Jourlebens wird? Und wie steht
Grafen Charolais“ beschwatzt.
Arthur Schnitzler mitten drin in seiner Gesellschaft! Als
gen Jahres „Jettchen Gebert“
Georg Hirschfeld seine Judendramen schrieb, da konnte man
den Adolf Bartels zurufen: Ihr Tauben, ihr verstopften
geschöpft, möchte ich in
Ohren, ihr blind Gebornen, seht ihr denn nicht, daß diese
erwähnen. Also genug, mehr
Dichtungen eines jungen Deutschen jüdischer Abstammung vor
#en auf die Judenfrage! Kurz¬
allem Darstellungen der Distanz sind, die zwischen dem
rch seinen Heine=Haß berühmte
alten, unassimilierten, ewig nir an Zwecke denkenden Judentum
nung begreiflicher, wenn man
und dem jungen, vom Zweckdenken schon befreiten, rein und
e, namentlich Berliner und
künstlerisch schauenden, unwillkürlich deutschen Wesen der Juden¬
Kontakt nur mit den Juden¬
öhne besteht? Die jüdischen Anklagedramen Georg Hirschfelds
Ein Dichter (und sogar ein
varen Abschiedsrufe der deutschen Judenjünglinge an das nur
Bedeutung und am Ende auch
nüchterne, im tiefsten kaufmännische Judentum! Doch dieser
präsentant bestimmter
Roman Schnitzlers? Der Dichter hat gar keine Distanz zu
seinen Juden, steht vielmehr mitten drin und sein Auge ver¬
reie.“ Roman von Arthur
weilt auf ihnen mit wahrhaft Güdemannischem Wohlgefallen.
Fischer.
des Landes“ ist eben seine Herrschaft.
Darum sind alle Juden in diesem Roman edel! Der gute, alte
Berthold Auerbach hätte sie nicht edler malen können. Da ist der
Schriftsteller Heinrich Bermann, ein Jude, eminent geistreich, ein
psychologischer Bohrer und doch voll Phantasie, noch dazu mit
einer interessanten, immer wieder aufbrechenden Seelenwunde!
Da ist der Schriftsteller Nürnberger, Jude und also der absolut
weise Mensch, erhalen über alle Eitelkeiten der kleinen Welt,
unschöpferisch aus Tiefsinn, menschenverächtlich, weil angefüllt
mit Menschenkenntnis, mit einem kleinen Licht im dunklen
Herzen: der Erinnerung an eine früh verstorbene Schwester.
*
Da ist ein alter, menschenfreundlicher Arzt, Doktor Stauber, die
personifizierte jüdische Güte, ein Cousin Nathans des Weisen.
Sein Sohn, der junge Stauber, das ist der jüdische Idealismus,
der zwischen wissenschaftlicher Hingabe und öffentlicher Werk¬
tätigkeit schwankt. Da ist ein junger Zionist, Golowsky, zu ver¬
stehen als die jüdische Tapferkeit in Person. Schießt einen grau¬
amen antisemitischen Hauptmann im Zweikampf mausetot. Aber
auch alle anderen Juden sind edel. Ein alter Finanzmann Ehren¬
berg würde gern die Hälfte seiner Millionen hingeben, wenn er
ein paar rohe Antisemiten aus der Welt schaffen könnte. Die
Sehnsucht sitzt auch in diesem Schnitzlerschen Bankier so tief,
daß er im Frühjahr nach Jerusalem wandert. Nicht alle
jüdischen Financiers gehen zur Erholung nach Palästina. Im
Anfang des Romans wird wenigstens der Sohn des
alten Cyrenberg als flacher Assimilationsstreber gezeichnet,
der sich seines Judentums schämt und sehnsüchtig zum
Jockeyklub äugt. Kaum aber hat der alte Ehren¬
berg dem jungen einmal eine Ohrfeige gegeben, so
erwacht schon die stolze jüdische Seele in ihm, der Oberflächliche
wird tragisch und versicht Selbstmord! . .. Vergebens wird
man das ganze Buch nach einem einzigen gemeinen Juden, ja
auch nur nach einer gemeinen Regung durchsuchen, die doch die
psychologische Belletristik selbst den Helden gelegentlich gestattet.
Wobei unter gemein keine sittliche Charakteristik, sondern nur
der allezeit praktische. allezeit nüchterne, stets nur auf Zwecke