I, Erzählende Schriften 21, Der tote Gabriel, Seite 8

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praktischen Juristen, aus Stadt und Land an
osese tess
ihn herantraten, so
übernahm er auf kurze Zeit
das Präsidium der Gelehrten Estnischen Gesell¬
en einen unbeabsichtigten Feiertag, der
schaft, so wirkte er lange Jahre mit vollster Hin¬
chlimmer als ein Werktag war: sie
gebung als Präsident des Kirchenrats der Uni¬
. Aktenstöße aus dem 3. Stockwerk ins
versitäts=Kirche und ebenso im Nordlivländischen
hinunterschleppen.
Bezirkskomitee der Evangelisch=lutherischen Unter¬
ukommission bekommt äußerst unange¬
stützungskasse. Für alles, was er in den vor¬
nge zu hören: sie hätte für eine
stehend angedeuteten Richtungen, was er als
Bedachung oder für eine partielle Ab¬
Mann der Wissenschaft und als akademischer
orge tragen sollen. Die Remonie wird
Lehrer in langen Jahren unter uns gewirkt hat,
Rbl. erfordern, die im Voranschlag
folgt ihm warmer Dank in die nun sich ihm er¬
nicht vorgesehen sind...
schließende Gruft nach. Aber auch für das, was

er als Mensch gewesen ist. Er war eine gerade,

warmherzige Natur; mit dem strengen, eifernden
Ernst des wissenschaftlichen Forschers verband sich
scher Kreis. Landwirtschaftliche Sorgen.
in ihm eine heitere Freudigkeit der Lebensauf¬
und alles kam von ferner als vorher.
„Birie, fragen#ies baseFräuteen,= sagte
Ferdinand, „ob sie die Güte haben möchte, uns
#e spazierten vorbei, setzten sich gar
zu einem der Tische an der Wand,
zu empfangen.“
sirk und lachten ganz laut. Dann
Das Mädchen lächelte dumm und führte das
sik wiech, an; es klang und schwoll
Paar in den Salon. Die Flammen des Decken¬
staum.
lüsters strahlten auf, und Ferdinand sah Irene
hn ich jetzt zu ihr hinginge?“ sagte
und sich selbst wie zwei fremde Menschen in dem
venezianischen Spiegel schweben, der schiefgeneigt
über dem schwarzen, glänzenden Flügel hing.
nken Sie, empfinge sie mich?“
Plötzlich fuhr ihm ein Gedanke durch den Kopf.
Wie, wenn Irene sich nur darum hierher hätte
eine sonderbare Stunde,“ sagte Fer¬
führen lassen, um Wilhelmine zu ermorden? Der
kann noch lange nicht Mitternacht
Einfall schwand so schnell, als er gekommen war;
ehat ja heute gespielt.“
aber jedenfalls erschien ihm das junge Mädchen,
en das?“
wie es neben ihm stand und ihm das Spitzentuch
daran verwunderlich, steht es nicht in
langsam vom Kopf herabglitt, völlig verändert,
ja, wie irgend ein fremdes Wesen, dessen
2 Sie wird eben erst nach Hause ge¬
Stimme er noch nicht einmal kannte.
Wäre es nicht die einfachste Sache
Eine Tür öffnete sich, und Wilhelmine trat
lt? Man läßt sich melden, erzählt
ein in einem glatten samtnen Hauskleid, das den
eschichte oder ganz einfach die Wahr¬
Hals frei ließ. Sie reichte Ferdinand die Hand
Ich komme geradewegs von einem
und betrachtete ihn und das Fräulein mit Blicken,
Sehnsucht, Sie kennen zu lernen, war
die eher Heiterkeit als Verwunderung ausdrückten.
ich, nur einmal wollt' ich die gött¬
küssen.. und so weiter. — Indessen
Ferdinand versuchte den Anlaß des nächtlichen
Besuches mit scherzhaften Worten zu erklären.
der Wagen, noch vor der großen
an zurück. Kein Mensch hat es be¬
Er berichtete, wie seine Begleiterin während des
Tanzes von nichts anderem gesprochen als
ie dazu bereit sind, Fräulein,“ sagte
von ihrer Bewunderung für Fräulein Bischof,
und wie er sich in einer Art von Faschingslaune
„so erlauben Sie mir wohl, Sie zu
erbötig gemacht halte, das Fräulein zu acht¬
hihn an. Der Ausdruck seiner Mienen
schlafender Stunde in das Haus der Wunder¬
baren zu geleiten — auf die Gefahr hin, daß sie
pffen und erregt. „Sie glauben doch
beide gleich wieder die Treppe hinunterbefördert
sich wirklich.
würden.
n einem Turm zu springen, Fräulein,
Sie Mut genug?...“
„Was fällt Ihnen ein,“ erwiderte Wilhelmine,
aute ihm ins Auge und plötzlich stand
„im Gegenteil, ich bin entzückt,“ und sie reichte
Dann aber gleich,“ sagte sie, und über
Irene die Hand. „Nur muß ich die Herrschaften
lief ein dunkler Schatten.
bitten, mir beim Abendessen Gesellschaft zu leisten,
d rief den Kellner, bezahlte, reichte
ich komme nämlich eben aus dem Theater.“ Man
Arm und führte sie über die zwei
begab sich in den Nebenraum, wo unter einer
hinab in die Vorhalle. Dort
grünlichen Kristallglocke drei matte Glühlampen
hr in den hellgrauen Mantel,
einen nur zur Hälfte gedeckten Tisch beleuchteten.
Höhe
den Pehkragen in die
Während Ferdinand seinen Pelz ablegte und ihn
ein Spitentuch über den Kopf.
auf den Diwan warf, nahm Wilhelmine Irenen
Wort miteinander zu reden,
den Mantel selbst von den Schultern und hing
unter das Tor in die Einfahrt. Ein
ihn über eine Stuhllehne. Hierauf nahm sie
r herbei, und kautlos über die beschneite
Gläser aus der Kredenz, füllte sie mit weißem
ten sie ihrem Ziele zu. 133#
Wein, stellte sie vor Ferdinand und Irene hin,
dann erst setzte sie sich nieder, nahm ruhie ein
d sah Irene zuweilen von der Seite
Stück kaltes Fleisch auf den Teller, zerschnitt es,
ß regungslos, und aus ihrem ver¬
sagte „Erlauben Sie“ und begann zu essen. Von
sicht starrten die Augen ins Dunkle.
Zeit zu Zeit warf sie einen gutmütigen, wie von
benigen Minuten der Wagen vor dem
fern lächelnden Blick auf Irene und Ferdinand.
dem Parkring stehen blieb, wartete
Sie findet es natürlich selbstverständlich, dachte
Ferdinand geklingelt hatte und das
Ferdinand ein wenig enttäuscht. Und wenn ich
et war. Dann erst stieg sie aus und
n langsam die Treppen hinauf. Fer=1 mit der Kaiserin von Cyina gekommen wäre und
e
Se
Haustieren nach analogen Senatserläuterungen
nicht als eigenmächtige Ausübung der Jagd,
sondern als ein formeller Diebstahl nach
den Bestimmungen des § 169 des Friedensrichter¬
strafgesetzes mit Gefängnishaft zu bestrafen sei,
so beantragte der Prokureur Aufhebung des
Urteils des Friedensgerichts, das den Beklagten
bloß wegen eigenmächtiger Ausübung der Jagd
bestraft hatte, und Anklage=Erhebung wegen
Diebstahls. In der Erwägung, daß das Ab¬
schießen und das Wegschaffen zahmer Rehe in
Gegenwart ihrer Besitzerin nicht
als Diebstahl, sondern als Raub aufzufassen
sei, kassierte das Plenum das friedensrichterliche
Urteil und verfügte, Siele wegen Raubes zur
gerichtlichen Verantwortung zu ziehen.
ein Wört von Ae. Krrichtungeines Bezirks¬
genau durch den Kopf ging.
„War es lustig auf dem Ball?“ fragte Wilhel¬
mine. Ferdinand berichtete, daß der Saal über¬
füllt wäre, meist von häßlichen Menschen und
auch mit der Musik wär' es nicht zum Besten
bestellt. Er redete so hin. Wilhelmine blickte
ihm wohlgelaunt ins Gesicht und wandte sich
an Irene mit der Frage, ob ihr Begleiter ein
flotter Tänzer wäre.
Irene nickte und lächelte. Ihr „Ja“ war
beinahe unhörbar.
„Sie haben heute „Feodora“ gespielt, Fräulein?“
fragte Ferdinand, um das Gespräch nicht stocken
zu lassen. „War es gut besucht?“
„Ausverkauft,“ erwiderte Wilhelmine.
Irene sprach: „Als Feodora habe ich Sie leider
noch nicht gesehen, Fräulein Bischof. Aber neulich
als Medea. Es war herrlich.“
„Heißen Dank,“ entgegnete Wilhelmine.
Irene äußerte noch einige Worte der Be¬
wunderung, dann fragte sie Wilhelmine nach
ihren Lieblingsrollen und schien ihren Ant¬
worten mit Anteilnahme zu lauschen; endlich kam
es zu einem oberflächlich wirren Gespräch darüber,
wer der größere Schauspieler sei, der in der
darzustellenden Gestalt sich völlig verliere oder der
über seiner Rolle stehe. Hier erwähnte Ferdinand,
daß er mit einem jungen Komiker bekannt gewesen
sei, der ihm selbst erzählt hatte, wie er eine ge¬
wisse höchst lustige Rolle gerade am Begräbnis¬
tage seines Vaters wirkungsvoller gespielt hätte
als je.
„Sie haben ja nette Freunde,“ bemerkte hierauf
Wilhelmine und steckte eine Orangenschnitte in
den Mund.
Wie ist es nun eigentlich? dachte Ferdinand.
Hat Fräulein Irene vergessen, daß sie Wilhelmine
ins Gesicht eine Mörderin heißen wollte...?
Und weiß Wilhelmine überhaupt noch, daß ich
ihr Geliebter bin, ich, der mit einer fremden
jungen Dame ihr mitten in der Nacht einen Besuch
abstattet.?
„Sie haben ein so reges Interesse fürs Theater,
Fräulein,“ bemerkte Wilhelmine, „sollten Sie
vielleicht einmal daran gedacht haben, selbst diese
Karriere einzuschlagen?“
Irene schüttelte den Kopf. „Ich habe leider
kein Talent.“
„Nun, danken Sie Gott,“ sagte Wilhelmine,
„es ist ein Sumpf.“
Und jetzt, während sie begann, von den Nieder¬
trächtigkeiten zu erzählen, die man als Künstlerin
von allen Seiten zu erdulden habe, sah Ferdinand,
wie Irene, gleichsam gebannt, zu einer Tür
(Siehe Beilage.)