Das neue Lied
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18 B ne enene en e.
Ausschnitt aus:
Mährisches Tagbiall, Gni
vom: 14991191.
(Arthur Schnitzker)erschien am vergan¬
genen Samstag am Podium des deutschen
Kasino=Saales, um im Rahmen des jüdisch¬
literarischen Vereines eine Auslese aus seinen
Werken persönlich vorzulesen. Der Saal
war
bis auf das letzte Plätzchen ausverkauft,
eine bemerkenswerte Erscheinung, da außer
einer flüchtigen Voranzeige fast gar kein Hin¬
ge¬
weis auf diesen Abend durch die Presse
schah. Arthur Schnitzler hat allerorten seine
Gemeinde. Er las zuerst die tief ergreifende
Novellette „Das neue Lied“, dann die
prachtvolle Episode des 3. Kapitels aus dem
„Weg ins Freie" und dann „Die
letzten Masken“ aus dem Einakter¬
Zyklus „Lebendige Stunden“. Erin¬
nern wir uns noch einmal an diese tief er¬
greifende Szene, in der uns der ideale Realist
in ein Gemach des Wiener allgemeinen Kran¬
kenhauses führt. Ein Journalistenleben will
dort gerade zu Ende gehen. Der Journalist
Rademacher hat viele Jahre anderen Leuten
gedient, den Ruhm anderer Leute verkündigt,
die Überzeugung anderer Leute verfochten.
Journalistenlos. Nun liegt er sterbend im
Spitale, wie — Christus am Kreuze, dem die
schadenfrohe Menge cynisch zurief: „Anderen
hat er geholfen, sich selben kann er nicht helfen
.. Da packt ihn der durch Jahre niederge¬
haltene Grimm, der Eckel vor einem Berufe,
der ihn zwang, Dinge zu vertreten, an die er
selbst nicht glaubte. Kümmerlich und seines
ganzen Wesens unwürdig war sein ganzes
Leben gewesen. Andere stiegen auf,
Glücks¬
kinder, Streber, Glaubens= und Überzeugungs¬
lose. Er wanderte immer in den Niederungen
des Lebens. Die ganze Verbitterung der Jahre
bäumt sich in ihm auf, morgen ist er tot, er
weiß es, heute will er sich rächen wegen seines
verlorenen Lebens. Morgen ist er tot, — es
graut keine Stunde mehr, in der er sich dieses
Racheaktes zu schämen brauchte. Dem Schrift¬
steller Weihgast, seinem Freunde, will er den
Vorwurf eines mühseligen, zertretenen Lebens
ins Gesicht schleudern. Er will ihm sagen, wie
nichtig der Ruhm ist, den sich jener erstrebt und
erschlichen hat, — eine papierene Welt günsti¬
Serrag
ger Rezensionen, durch die er „gemacht“ wurde.
Aber noch mehr! Er will ihm sagen, wie
nchelich er gewefen, er, der grseierte Schrit.
keer, desen gelebtes Weid die — Geliche
des armen Journalisten gewesen ist, der nun
verlassen sterben soll im Spitale. Ja, das alles
wil er ihm sagen. — Lächerlichkeit wiet!.
Und Weihgast kommt, und Rademacher —
schweigt... Nichts von alledem, was er
ihn sagen und in einer, mit einem kranten
konnen und das Bestreben haben werde, in
nationaler, konse, neller und auch nach jeder
underen Beziehung fliedlich mit der hiesigen
Bevölkerung zu leben. Der Kommandunt des
Ergänzungs = Bezirks.= Veteranen = Verban¬
des 54 begrüßte hierauf die Truppe, worauf
der Kommandant des Halb=Regimentes kurz
erwiderte. Vor dem Bahnhofe waren die hie¬
igen Truppenkommandanten zu Pferde zum
Empfange versammelt. Mit klingendem Spiele
narschierten hierauf die Heimgekehrten, beju¬
helt von der Volksmenge, bis zum Franz
Josefsplatze, der von Menschen dicht gedrängt
gefüllt war. Die Straßen, die das Militär
urchmarschierte, trugen stellenweise Fahnen¬
chmuck. Nach dem Gebete erfolgte die Über¬
abe der Fahne, worauf die Abteilungen in
hre Übikationen einrückten. Trotz der großen
Nenschenansammlung und des fürchterlichen
bedränges, das am Franz Josefsplatze
errschte, ereignete sich kein Unfall. Die Poli¬
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18 B ne enene en e.
Ausschnitt aus:
Mährisches Tagbiall, Gni
vom: 14991191.
(Arthur Schnitzker)erschien am vergan¬
genen Samstag am Podium des deutschen
Kasino=Saales, um im Rahmen des jüdisch¬
literarischen Vereines eine Auslese aus seinen
Werken persönlich vorzulesen. Der Saal
war
bis auf das letzte Plätzchen ausverkauft,
eine bemerkenswerte Erscheinung, da außer
einer flüchtigen Voranzeige fast gar kein Hin¬
ge¬
weis auf diesen Abend durch die Presse
schah. Arthur Schnitzler hat allerorten seine
Gemeinde. Er las zuerst die tief ergreifende
Novellette „Das neue Lied“, dann die
prachtvolle Episode des 3. Kapitels aus dem
„Weg ins Freie" und dann „Die
letzten Masken“ aus dem Einakter¬
Zyklus „Lebendige Stunden“. Erin¬
nern wir uns noch einmal an diese tief er¬
greifende Szene, in der uns der ideale Realist
in ein Gemach des Wiener allgemeinen Kran¬
kenhauses führt. Ein Journalistenleben will
dort gerade zu Ende gehen. Der Journalist
Rademacher hat viele Jahre anderen Leuten
gedient, den Ruhm anderer Leute verkündigt,
die Überzeugung anderer Leute verfochten.
Journalistenlos. Nun liegt er sterbend im
Spitale, wie — Christus am Kreuze, dem die
schadenfrohe Menge cynisch zurief: „Anderen
hat er geholfen, sich selben kann er nicht helfen
.. Da packt ihn der durch Jahre niederge¬
haltene Grimm, der Eckel vor einem Berufe,
der ihn zwang, Dinge zu vertreten, an die er
selbst nicht glaubte. Kümmerlich und seines
ganzen Wesens unwürdig war sein ganzes
Leben gewesen. Andere stiegen auf,
Glücks¬
kinder, Streber, Glaubens= und Überzeugungs¬
lose. Er wanderte immer in den Niederungen
des Lebens. Die ganze Verbitterung der Jahre
bäumt sich in ihm auf, morgen ist er tot, er
weiß es, heute will er sich rächen wegen seines
verlorenen Lebens. Morgen ist er tot, — es
graut keine Stunde mehr, in der er sich dieses
Racheaktes zu schämen brauchte. Dem Schrift¬
steller Weihgast, seinem Freunde, will er den
Vorwurf eines mühseligen, zertretenen Lebens
ins Gesicht schleudern. Er will ihm sagen, wie
nichtig der Ruhm ist, den sich jener erstrebt und
erschlichen hat, — eine papierene Welt günsti¬
Serrag
ger Rezensionen, durch die er „gemacht“ wurde.
Aber noch mehr! Er will ihm sagen, wie
nchelich er gewefen, er, der grseierte Schrit.
keer, desen gelebtes Weid die — Geliche
des armen Journalisten gewesen ist, der nun
verlassen sterben soll im Spitale. Ja, das alles
wil er ihm sagen. — Lächerlichkeit wiet!.
Und Weihgast kommt, und Rademacher —
schweigt... Nichts von alledem, was er
ihn sagen und in einer, mit einem kranten
konnen und das Bestreben haben werde, in
nationaler, konse, neller und auch nach jeder
underen Beziehung fliedlich mit der hiesigen
Bevölkerung zu leben. Der Kommandunt des
Ergänzungs = Bezirks.= Veteranen = Verban¬
des 54 begrüßte hierauf die Truppe, worauf
der Kommandant des Halb=Regimentes kurz
erwiderte. Vor dem Bahnhofe waren die hie¬
igen Truppenkommandanten zu Pferde zum
Empfange versammelt. Mit klingendem Spiele
narschierten hierauf die Heimgekehrten, beju¬
helt von der Volksmenge, bis zum Franz
Josefsplatze, der von Menschen dicht gedrängt
gefüllt war. Die Straßen, die das Militär
urchmarschierte, trugen stellenweise Fahnen¬
chmuck. Nach dem Gebete erfolgte die Über¬
abe der Fahne, worauf die Abteilungen in
hre Übikationen einrückten. Trotz der großen
Nenschenansammlung und des fürchterlichen
bedränges, das am Franz Josefsplatze
errschte, ereignete sich kein Unfall. Die Poli¬