I, Erzählende Schriften 11, Frau Bertha Garlan. Roman, Seite 51

11. Frau Bertha Garlan

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veranlaßt, in der Tonnerstag den 18. d. M. statt¬
sie schlief nicht mehr so ruhig und traumlos als früher,
sie hatte zuweilen eine Empfindung der Langeweile, die
ie nie gekannt, und das Sonderbarste war eine plötz¬
liche Ermattung, die sie manchmal bei hellichtem Tage
überkam, in der sie das Kreisen des Blutes in ihrem
ganzen Körper zu verspüren meinte, und die sie a.
eine ganz frühe Epoche ihrer Mädchenzeit erinnerten.
Anfangs war ihr das Gefühl in all seiner Bekanntheit
doch so fremd, daß ihr war, als hätte ihr einmal eine
ihre Freundinnen davon erzählt. Erst als es sich
häufiger wiedecholte, besann sie sich, daß sie selbst es
schon früher erlebt hatte.
Den vorstehenden Absatz haben wir dem Buche
Schnitzlers selbst entnommen, nicht nur weil er am
besten die Stimmung der Heldin erklärt, sondern weil
er auf eine Besonderheit Schnitzlers hinweist: auf seine
außerordentliche Kenntniß der Frauenseele und auf die
Psychologie der Sinnlichkeit, die er wie wenige beherrscht,
wobei der dichterischen Intuition ohne Zweifel sein
ärztlicher Beruf und persönlichste Erfahrung zu Nutze
kommen.
Verta erinnert sich in dieser Stimmung ihres
Jugendgeliebten und immer mehr redet sie sich in den
Gedanken hinein, daß sie nie aufgehört hat, ihn zu
lieben. Sie ist eben liebebedürftig und findet niemand
Anderen, als das Ideal der Jugendzeit. Mit einer
Freundin, Frau Rupius, reist sie auf einen Tag nach
Wien, wo Alles ihr auf den inzwischen berühmt ge¬
wordenen Violinisten hinweist. Sie kehrt zurück in die
kleine Stadt, sie nimmt die Briefe ihres Emil vor und
sie entschließt sich, ihm — anläßlich der Nachricht von
einer Ordensauszeichnung — zu schreiben. Sie erhält
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Firmen wurde in den letzten Tagen aus Wien durch
Antwort, reist nach Wien, trifft ihn. Und sie erfährt
das Schickjal so vieler Frauen, die Alles geben, für die
die Liebe das Leben bedeutet, während sie für den
Mann die Lust einer Stunde ist. Was Berta an Hoff¬
nung und (Glücksgefühl, an Zweifeln und Enttäu¬
schungsqualen durchmacht, das schildert Schnitzler mit
einer in die feinsten Fibern nachfühlenden Kunst, wie
mit einem Secundenzeiger; nur Dostojewski und Mau¬
passant haben auf ähnliche Weise geschildert.
Wie sie in ihre kleine Stadt zurückkehrt, ihres
Traumes beraubt und doch, gesund wie sie ist, nicht
gebrochen, sondern eher gefestigt für ihr künftiges Leben,
da blickt sie in ein anderes Schicksal, in das der Frau
Rupius, die gleich ihr Wienreisen unternommen hat,
ihren gelähmten Mann, der zu Hause zurückbleibt, auf¬
richtig liebend und doch suchend und sündigend und
mit dem Tode büßend. „Und sie ahnte das ungeheure
Unrecht in der Welt, daß die Sehnsucht nach Wonne
ebenso in die Frau gelegt ward, als in den Mann
und daß es bei den Frauen Sünde wird und Sühne
forbert, wenn die Sehnsucht nach Wonne nicht zugleich
die Sehnsucht nach dem Kinde ist.“
Mit dieser strengen Moral oder um dieses an¬
rüchig gewordene Wort nicht zu gebrauchen und wohl
im Sinne des Dichters zu sprechen: mit dieser strengen
Forderung im Namen der Natur und des Herzensadels
chließt das Buch, das freilich für prüde Leser nicht be¬
rechnet ist. Aber es liegt ein Duft über diesem Werk,
wie ihn nur Schnitzlers Poesie athmet, und aus seiner
Strenge klingt die Wehmuth eines gütevollen Herzens.
H. T.
-gt Prülcen Til.—.
comités, die Mitglieder der Gemeindevertretung und die
Gemeindebeamten, kaiserliche Beamte, Advocaten, Aerzte,
Directoren, Professoren und Lehrer, der Lehrkörper und
die Zöglinge der deutschen land= und forstwirthschaftlichen
Lehranstalten, die städtische Feuerwehr und eine Ab¬
theilung der städtischen Sicherheitswache unter der
Führung des Herrn Polizeiinspectors Holzinger.
Die Beisetzung erfolgte auf dem Communalfriebhofe
in der Jamiliengruft.
**. Die Sochor=Ausstellung. Die Besucher der
Ausstellung des Sochorschen Colossalgemäldes „Der
Cavalleriekampf bei Stöezetic“ in der ehem. Get.
Adalbertsbrücke beim Pulverthurm werden darauf auf¬
nerksam gemacht, daß für morgen zwischen 1—2 Uhr
Nachmittags der Besuch eines Theiles der hiesigen
Garnison angemeldet ist; es empfiehlt sich daher für
Civilpersonen, des Andranges wegen, die Besichtigung
vor oder nach der oben genannten Stunde.
# Von den k. k. österr. Staatsbahnen. Mit
Giltigkeit vom 1. Mai 1901 treten nachstehende Tarife,
ezw. Tarifnachträge in Kraft: 1. Neuer Terif für den
Deutsch=Oesterr.=Ungarischen Seehafen=Verband, 2. Nach¬
#g I zum Tarif=Theil II, Heft 1 für den Süddeutsch¬
Oesterreichisch=Russischen Grenz=Verkehr, 3. Neuer Tarif,
Theil V, Heft 3 für die Beförderung von Kohle im
Süddeutsch=Oesterr.=Ungarischen Eisenbahn=Verband.
4 Sonntagsruhe. Die Firma J. Vindys,
Maschinen=, Dampfkessel=, Armaturen= und Turngeräthe¬
Fabrik, Prag=Smichow, hat ihren Beamten von 1. Mai
d. J. die Sonntags= und Feiertagsruhe bewilligt.
% Die Prager Straßennamen. Im Verein
der Architekten und Ingenieure hielt jüngst der k. k.
Lonservator Herr Herain einen Vortrag über die Be¬
zeichnung der Straßen und Häuser Prags. Manche
lehrreiche Zurückführung von Namen, die im Laufe der