I, Erzählende Schriften 11, Frau Bertha Garlan. Roman, Seite 52

11. Frau Bertha Garlan




unh noch Eingrschrossenen des. Ader man
weiß ja, daß dieses enthusiastische Gefühl kurz¬
lebig war; unter den Triebfedern, von denen
Fortsotzung des Romans „Das Haus Rummer Hun dert,
von Dietrich Theden Seite 15.
Feuilleton.
Neue Erzählungsliteralur.
Von Theodor von Sosnosky.
Unlängst hat die rührige Redaction des „Literarischen
Echo“ eine interessante Rundfrage nach den meistgelesenen,
beliebtesten Romanen veranstaltet; in Anbetracht des Um¬
stanves, daß es sich um das deutsche Publicum handelte,
natürlich nicht bei Buchhandlungen, sondern bei den
größeren Leihbibliotheken. Das Ergebniß war ein dovhelter
Sieg des Freiherrn Georg von Ompteda, denn unter
28 Antworten bezeichneten ihn nicht weniger als 21 als
den gelesensten Autor, und sein Roman „Eysen“ wurde
von 16 unter 21 An worten als der gelesenste Roman nam¬
haft gemacht.
Ich muß gestehen, daß mich dieses Resultat einiger¬
maßen gewundert hat; aber nicht etwa, weil ich es für un¬
gerechtfertigt halte, sondern im Gegentheil, weil es mir sehr
zutreffend erscheint; der Geschmack des großen Publicums
pflegt nämlich in der Regel nicht gerade das Beste zu er¬
küren, oft nicht einmal das Gute. Und in diesem Fall ist
das Urtheil umso erstaunlicher, als gerade Ompteda nicht
das Zeug dazu hat, populär zu werden, als ihm eigentlich
Alles abgeht, was einem deutschen Autor zu der zwar ein¬
träglichen, aber meist zweifelhaften Ehre verhilft, „in keinem
deutschen Hause“ und „auf keinem Weihnachtstisch“ zu fehlen:
er versteht sich weder auf die beliebte „Spannung“, er er¬
klügelt keine interessanten Probleme, er prunkt nicht mit
klingenden Phrasen; er verfügt auch nicht über jene
blendende Eleganz, jene bestechende Grazie, die auch an¬
spruchsvollere Leser verführen: er ist schlicht, nüchtern und
wahrhaft, Eigenschaften, die, so selten und so werthvoll sie
sind, vom Publicum in der Regel nicht nach Gebühr ge¬
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die erste von hervorragender Stelle stammende Mit¬
theilung, welche so vielen tausend Betheiligten Ruhe
und Trost zurückgibt, indem sie den mindestens bis
PISTER
würdigt werden. Und dennoch diese Auszeichnun“!
Sollte der Geschmack der Leute neuestens eine so gründliche
lmwandlung, eine so sorgfältige Läuterung erfahren
haben? Man dürfte kaum fehlgehen, wenn man dieses
Urtheil mehr dem Zufall, irgend welchen uncontrolirbaren
Umständen, einer flüchtigen Laune des Publicums zuschreibt
als wirklicher Erkenntniß der Vorzüge des erwählten
Autors.
Aber sei dem nun wie immer: jedenfalls kann man
sich nur freuen, daß das Glück diesmal ausnahmsweise
einem Manne gelächelt hat, der es verdient. Und er verdient
es; wenigstens wüßte ich keinen deutschen Roman¬
chriftsteller, der es mehr verdiente als er. Wer Romane von
o hoher culturhistorischer Bedeutung wie „Siloester von
Geyer“ und „Eysen“ geschrieben hat, der darf sich den
Siegeslorbeer, den ihm das Publicum in einer glücklichen
Laune überreicht hat, getrost aufs Haupt setzen.
Der Roman „Eysen“ ist in diesem Blatte aus¬
führlich gewürdigt worden; es erübrigt also nur noch, hier
einer zwei jüngsten Werte
„Die Radlerin“
und
Monte Carlo“ — zu gedenken. Was „Die Radlerin
etrifft, so ist das, um es gleich und mit Einem Worte zu
sagen, ein entzückendes Buch. Das Thema ist alltäglich und
bis zum Ueberdruß abgewerkelt; ganz besonders von der
„Modernen“: es ist das „Verhältniß“, die zärtlichen Be¬
ziehungen zweier jungen Leute verschiedenen Geschlechtes,
die nicht durch das Siandesamt oder den Traualtar
egitimirt worden sind. Die Zahl der Romane und Novellen,
die sich damit beschäftigen, ist Legion. Da liegt denn die
Gefahr nahe, daß es unmöglich ist, diesem Stoffe neue
Seiten abzugewinnen, ihn interessant und anziehend zu
gestalten. Ompteda ist dieser Gefahr entgangen; er hat
in seinem Buche wieder einmal bewiesen, daß nur Eines
nothwendig ist, um auch das verbrauchteste Thema zu
adeln: die Künstlerschaft. Was unter den plumpen Händen
eines Stümpers zum abgedroschenen Gassenhauer wird,
uinter der Künstlerhand Ompteda's wird es zur edelsten
Melodie, einer Melodie, deren süße Klänge die zartesten
— „ — nich
sonst ergeben hätte, als die Steigerung ihrer gegen
seitigen Hochachtung und die Möglichkeit einer wirk
lichen und großen Waffenkameradschaft zwischet
Ve
Saiten unserer Seele sehnsüchtig erbeben lassen. Denn
ist das urulte himmelhoch jauchzende und zu Tode betrübt
ied der Liebe.
Neben diesem ausgezeichneten Buche, das ich ei
Meisterwerk nennen würde, wenn dieser Ausdruck nicht schon
o unerhört mißbraucht wäre, hat das zweite neue Buch
Ompieda's einen harten Stand; es steht auch „Cysen“ er
heblich nach. Nicht daß es mißlungen wäre, durchaus nicht
Eb ist vielleicht die vollendeiste epische Darstellung, die das
Milieu der Paradieshölle von Monte Carlo je erfahren
hat, das wird namentlich derjenige Leser bestätigen, dere
aus eigener Erfahrung kennt; es ist ferner vielleicht auch
die sorgfältigste psychologische Schilderung der Spieler
leidenschaft; gewiß Vorzüge, um die so mancher Romanz
schreiber den Autor beneiden könnte, und die dem Buch
eineneulturhistorischen, eihnographischen und psychologischen
Werch verleihen. Aber trotz dieser unleugbaren Vorzügs¬
ann man diesen Roman nicht so hoch bewerthen als die
vorhin genannten Werke Ompieda's, ja man kann nicht
imhiß, dagegen ernste Bedenken geltend zu machen: sieh
gelten vor Allem der Breite und Einförmigkeit des Romans.
371 Seiten hindurch ausschließlich zu lesen, wie der Held
am Fünen Tische verliert und gewinnt, gewinnt und ver¬
liert, falle Phasen seiner Leidenschaft, der Fluth und
Ebbei in seiner Brieftasche mitzumachen, nie durch eine
Abwechslung erquickt werden, das ermüdet und spannt ab,
Viele werden sogar geradezu sagen: es langweilt. Die
Wahrheitstreue in Ehren, sie kann nicht genug hochgeschätzt
verden, aber diese breitspurige Uebergenauigkeit heißt des
Guten denn doch etwas zu viel thun; es fehlt ja schon nicht
viel, daß er dem Leser alle „Systeme“ erklärt, mit denen
vieser Herr von Heese Fortuna ködern will! Ompteda ist
da wieder in den alten Fehler erfallen, der sich namentlick
in seinem Roman „Drohnen“ einem seiner ältesten, be¬
merkbar macht: in den mechanischen, sozusagen kata¬
logisirenden Hypernaturalismus Zola's, der die Handlung
durch die Ueberfülle der Details völlig erstickt. Daß dem
Romag keine Liebesgeschichte zugrunde liegt, soll dem