I, Erzählende Schriften 10, Lieutet Gustl. Novelle, Seite 62

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10. Leutnant Gust
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Ausschnitt aus: Zagt nter9 Tu
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litterarischen Produkte mit einer Aufmerksamkeit verfolgen, die sich
wesentlich von der Nonchalance der Zeitungsleser unterscheidet. Sie
haben sein Lieutenants=Feuilleton ein halbes Jahr lang mit dem mili¬
ärischen Ehrenkodex in der Hand durchbuchstabiert und sie entdeckten am
Ende dieser liebevollen Prüfung, daß sie Herrn Schnitzler wohl nicht
Wiener Beief.
zum Verluste seines Schriftstellerruhms, immerhin aber zum Verluste
(Von unserem Wiener Korrespondenten.)
seiner militärisch=ärztlichen Charge verurteilen können. Dieses Verdilt
Pikante Ueberraschung. — Gesellschaftliche Eitelkeit.
wurde kürzlich, 6 Monate nach Verübung des Feuilleton=Deliktes aus¬
Wien, Mitte Juli 1901.
gesprochen und Schnitzler ist für seine ganze Zukunft des Glückes be¬
raubt, bei Waffenübungen zur Erholung von seiner Berufsthätigkeit
die melancholische Klage laut, daß die geistige Arbeit, die zur Be¬
diverse an Kolik oder Schuhdruck laborierende Vaterlandsverteidiger
lehrung oder Erheiterung des Zeitungspublikums dient, nur Eintags¬
von ihren Leiden befreien zu dürfen!
irfol#e bringt und daß die beste Leistung, die heute in den Spalten der
Die Sache erregt Aufsehen, weil die Engyerzigkeit gewisser
Blätter das Licht der Welt erblickt, oft morgen schon vergessen
Standesanschauungen noch selten so grell zur Geltung kam, wie dies¬
sich
Diese für den Journalisten recht schmerzliche Erfahrung erweist
mal und das allgemeine Erstaunen ist um so größer, weil die Militär¬
aber doch nicht immer als zutreffend. Gerade in Oesterreich sind
behörden eben neuestens die gegen den Duellzwang gerichteten Kund¬
Ausnahmen von der Regel keineswegs selten. Der Autor einer Be¬
gebungen einzelner Offiziere mit milder Sanftmut ungeahnde, ließen.
trachtung, die von seinen Gesinnungsgenossen durchflogen und dann
Diese Kundgebungen wurden aber von hocharistokratischen Gentlerzen
mit einem Worte kühler Anerkennung ad acta gelegt wird, erlebt manch¬
veranstaltet, die ihre Schneidigkeit schon oft am Spieltische und im
mal noch nach Wochen die Freude, daß die Gegner seiner Ansichten ihn
apseren Rigen um die Gunst der Balleteusen bewährten. Herr
mit posthumen Schmähungen überhäufen. Einem Andern ist die pikante
Schnitzler ist dagegen nur ein armseliger bürgerlicher Arzt, welcher
Ueberraschung beschieden, daß die Staatsanwe“schaft nach Mo¬
das geringe Maß von Rücksicht, das er beanspruchen durfte, völlig
naten ihm ihr gutes Gedächtnis für Zeitungslekti: Lekundet, indem sie
verscherzte, indem er sich als „k. u. k. Regimentsarzt i. d. R.“ nicht
ihm wegen eines Artikels, der bereits zur Makusatur wurde, eine aus¬
entblödete, für Zeitungen zu schreiben und wit Journelisten zu ver¬
giebige Geld= oder Freiheitsstrafe zuwendet. Eine besonders eindring¬
kehren.
liche Probe für den nachhaltigen Effekt einer Journalisten=That wurde
aber jüngst dem Wiener Schriftsteller Dr. Arthur Schuinten geliefert
Cine ebenso zarte und schonungsbedürftige Pflanze wie der mili¬
dessen Romane und Bühnendichtungen auch außerhalb der Grenzen
tärische Ehrbegriff ist die gesellschaftliche Eitelkeit gewisser Kreise. In
Oesterreichs bekannt sind. Der tüchtige und begabte Erzahler spendet
einer unserer bedeutendsten Provinzstädte wurde vor zwei Jahren ein
häufig den Tagesblättern kleinere Arbeiten und er veröffentlichte in der
humanitäres Unternehmen geschaffen, welches dem schönen Zwecke der
Weihnachtsnummer eines hiesigen Journals ein Feuilleton, das in
Retting und Beschützung armer, von ihren Eltern „rlassenen oder
bei der Gründung der Anstalt wettelferte
harmloser und fesselnder Form das Thema der Offiziersduelle be¬
nißhendelter Kinder dient.
handelt. Er schilderte ohne jeden derben Ausfall das Erlebnis eines
ie gesge Elite jener Stadt ####er hätigung edler Inftrwillignt.
Ein vom Komite herausgegebenes Album enthielt poetische Belträge
jungen Offiziers, der in einem menschenleeren Neben=Korridor eines
der männlichen und weiblichen Gönner. Die Verfasser dieser lyrischen
Kongertsaales in Konflikt mit einem Zivilisten gerät und schließlich
Ergüsse erzählten der Mitwelt mit hinreißender Beredsamkeit, wie
von dem ihm an Körperkraft überlegenen Gegner handgreiflich insultirt
ihnen das Herz bei dem Gedanken an die hilflosen und gequälten
wird. Der arme Lieutenant hat nach den strengen Standesnormen
Kleinen blutete, wie ihr Kummer erst gelindert war, nachdem sie ihr
keinen anderen Ausweg vor sich, als den des Selbstmordes. Er trifft
klingendes Schärflein gespendet — kurz, was sie für vortreffliche Men¬
bereits die Vorkehrungen für seinen Abschied von dem irdischen Jam¬
chen stien, die ihre höchste Befriedigung einzig in der Linderung
merthale; da erhält er die Nachricht, daß sein Beleidiger laum eine
remden Elends finden . . . Und nun kam ein sehr hoher Herr in die
Stunde nach dem Raufhandel durch einen Gehirnschlag in das Jenseits
Stadt, welche das Glück hat, diese prächtigen Philantropen zu beher¬
befördert wurde, womit die angetastete Ehre des Offiziers repaxiert
bergen. Der hohe Herr hatte auch einen Besuch der erwähnten Anstalt
ist, da kein Dritter von dem Raufhandel wußte.
in sein Programm aufgenommen. Bei diesem Besuche sollten ihm
Man wird nicht leugnen können, daß diese Geschichte dem Leser
die Förderer des Instituts vorgestellt werden. Die Zeit hiefür war
als eine Satyre auf den militärischen Ehrbegriff erscheinen sollte. Sie
aber kurz bemessen und die persönliche Ansprache des erluuchten Gastes
wurde vom Pudlikum, das sich eben jetzt sehr lebhaft mit der Frage
lonnte daher nur wenigen Auserwählten beschieden sein. Das Komite
der Offizierszweikämpfe beschäftigt, sympattisch gewürdigt und gonz
hatte die Liste dieser Bevorzugten auszuarbeiten und die Einladungen
nach der Gepflogenheit binnen vierundzwanzig Stunden prompt ver
für der engern Cercle, der in einem kleinen Salon stattfand, zu versen¬
gessen. Dauerndes Interesse wurde dem Feuilleton und seinem Ver¬
den. Am Tage nach der Feier meldeten sämtliche edelsinnige Förderer,
fasser aber von einer anderen Seite gewidmet, nämlich von einer hohen
die eine solche Einladung nicht erhielten, ihren Austritt aus dem Ver¬
Militärbehörde. Für diese ist Herr Arthur Schnitzler nicht der ge¬
ein an. Das Humanitätsgefühl, dessen diese Wackeren sich so eifrig
schätzte Romancier und Dramatiker, sondern einzig der k. k. Regiments¬
rühmten, war spurlos verschwunden und nur der herbste Groll wohnte
Arzt in der Reserve, welche Würde er seit seiner Freiwilligen=Dienstzeit
noch in den Gemütern der Schwergekränkten. Wenn man seine Hu¬
bekleidet. Seine hohen Vorgesetzten haben ihm bewiesen, daß sie seine
#anilät nicht einmal im Frack oder im Seidenkleide zur Schau tragen
tarf. dann verlohnt es sich wirklich nicht, human zu sein und für ver¬
lassene Kinder zu schwärmen, dachten diese Edlep.